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Pjunik Jerewan vs. FK Tobol Qostanai: 1:0-Sieg versetzt tausende Fans in Ekstase

Es ist Dienstagabend und die Rückspiele der zweiten Qualifikationsrunde der Europa League stehen an. Weil wir seit dem frühen Morgen in der armenischen Hauptstadt Jerewan weilen, können wir uns das hiesige Duell zwischen Pjunik Jerewan und dem FK Tobol Qostanai aus Kasachstan natürlich nicht entgehen lassen. Das Hinspiel endete 2:1 für Tobol, sodass die Gastgeber aus Jerewan heute auf Sieg spielen müssen, um eine Runde weiter zu kommen. 

Gespielt wird im Wasken Sarkissjan Stadion der Republik, in dem Pjunik auch in den nationalen Wettbewerben seine Heimspiele austrägt. Auf den Tribünen, die in den armenischen Nationalfarben rot, blau und orange gehalten sind, finden knapp 15.000 Menschen Platz. Und weil der Eintritt heute kostenlos ist, sollen es am Ende auch etwa 7.000 Zuschauer werden. “Am Ende”, weil es fast bis zur Halbzeit dauert, bis sich alle im Stadion eingefunden haben, was übrigens nicht an zu zeitaufwendigen Personenkontrollen liegt, denn die lässt man sicherheitshalber ganz weg. 

 

“Pjunik” ist das armenische Wort für Phönix und der gleichnamige Verein ist Rekordmeister Armeniens. Dieser wurde 1996 als “Armenikum” gegründet, übernahm 2001 allerdings Namen und Erfolge des dann aufgelösten Vereins Pjunik, ohne vorher in irgendeiner Verbindung mit diesem gestanden zu haben. Wäre ja auch schade, wenn das alles weggekommen wäre. 

 

Wie auch immer, die Mannschaft hat sich in der ersten Qualifikationsrunde gegen Vardar Skopje aus Mazedonien durchgesetzt und muss aufgrund des auswärts erzielten Tores eigentlich nur 1:0 gewinnen. 

Der FK Tobol Qostanai trug in seiner Geschichte bereit glorreiche Namen wie Awtomobilisk, Energetik und Chimik und ist heute nach dem Fluss benannt, der durch die Stadt verläuft. In der ersten Qualifikationsrunde der Europa League setzte sich die Mannschaft klar gegen den FC Samtredia aus Georgien durch und muss heute Abend einfach nicht verlieren, um weiter zu kommen. 

 

Die Stimmung im Stadion ist sehr gut. Haupt- und Gegentribüne sind fast komplett gefüllt, hinter den Toren sieht es dagegen ein bisschen dünner aus. Auf der Gegentribüne steht die aktive Fanszene Pjuniks, von der immer wieder Gesänge ins ganze Stadion überschwappen. Im Gästeblock finden sich nur zwei Männer ein und die tragen beide weißes Hemd, Polizeimütze und Bierbauch. 

Vereinswappen sucht man im Stadion übrigens so gut wie vergeblich. Nur ein paar Jungs tragen Pjunik-Trikots und es wirkt als wären es ihre eigenen und sie Jugendspieler des Vereins. Ein paar Arsenal-Trikots von Henrikh Mkhitaryan, der in der Jugend für Pjunik gespielt hat, laufen über die Ränge und ansonsten sieht man fast ausschließlich die armenische Flagge. Selbst die Banner am Fanblock sind rot-blau-orange. 

 

Pjunik versucht früh Druck auf das Tor von Tobol aufzubauen, scheitert daran aber grandios. In der Offensivbewegung beschränkt sich die Mannschaft nämlich ausschließlich auf lange Bälle in die Spitze. Es gibt ja durchaus Situationen, in denen das ein wirkungsvolles Mittel sein kann. Die Spieler von Pjunik vergessen dabei nur leider regelmäßig, dass sie 1. gar keine gezielten langen Bälle spielen können und 2. ihr einziger Stürmer etwa 1,50m groß ist.

Obwohl Tobol in der ersten Halbzeit überhaupt nichts (also wirklich gar nichts) zum Spiel beiträgt, wird es nicht ein einziges Mal gefährlich, weil Pjunik einfach keine Chancen kreieren kann. Die Mädels ein paar Reihen weiter unten, die bei jedem Schuss in die Arme des Torwarts komplett durchdrehen, und die anderen Zuschauer, die bei jeder etwas schnelleren Aktion extatisch aufspringen, mögen das aber vielleicht anders sehen. 

In der Halbzeitpause wird der Rasen noch einmal gewässert - die Düsen werden anschließend manuell in den Boden getreten - und gewechselt. Pjuniks Trainer bringt einen weiteren Stürmer, der glücklicherweise groß und kräftig ist, unglücklicherweise allerdings genauso wenig Torgefahr ausstrahlt wie sein kleiner Kollege. 

Tobol beginnt ab dem Wiederanpfiff mit dem zu erwartenden Zeitspiel, das naturgemäß bei den Zuschauern nicht allzu positiv aufgenommen wird. Die Pfiffe, die anfangs jede Aktion der Gäste begleiteten, branden nun wieder auf. 

 

In der 82. Minute passiert dann allerdings das kaum noch für möglich gehaltene: Mohamed Konaté, der nach der Halbzeit eingewechselte Stürmer, bekommt nach einem abgefangenen Freistoß den Ball im Strafraum vor die Füße. Er kann sich um seinen Mitspieler drehen und den Ball am Torwart von Tobol vorbei schieben.

Es ist seine einzige gelungene Aktion an diesem Tag und damit versetzt er die Menge in Ekstase. Aus dem Fanblock steigt ein wenig blauer Rauch auf, ein Böller explodiert, was die Menge ebenfalls frenetisch bejubelt. Kurze Zeit später läuft ein Halbstarker mit freiem Oberkörper über das Feld. Das Spiel wird zwar kurz unterbrochen, aber so richtig fühlt sich niemand dafür verantwortlich, ihn zu verfolgen. Etwas irritiert verlässt er das Feld dann wieder, lässt sich von der Menge feiern und von einem Polizisten zeigen, wie er aus dem Innenraum zurück auf die Tribüne kommt. 

 

Plötzlich beginnt Tobol dann auch mit dem Fußballspielen und verbringt viel weniger Zeit damit, sich auf dem Boden zu wälzen. Obwohl Pjunik das Spiel aufgrund einer roten Karte zu zehnt beendet, wird es nicht mehr gefährlich für die Gastgeber.  

Nach dem Abpfiff rennen die Balljungen sofort auf das Feld und umringen ihren Torwart im Jubel. Die Mannschaft feiert sich selbst und lässt sich feiern. Es ist das erste Mal, dass der Verein über eine zweite Qualifikationsrunde in einem internationalen Wettbewerb hinaus kommt. Dementsprechend wird dieser Erfolg auch auf der Straße nach dem Spiel in Form von Hupkonzerten gefeiert. 

Fotos & Bericht: Anika (ein Zug nach Irgendwo)

Artikel wurde veröffentlicht am
01 August 2018
Spielergebnis:
1:0
Zuschauerzahl:
7.700

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