Neulich kam hier die Frage auf, wie mit Spielern umzugehen ist, die keine Leistung zeigen. In Konin, in der Nähe von Poznań, ziehen Vorstand und Fans an einem Strang. Die Ergebnisse des Viertligisten der letzten Wochen waren eine Blamage für Stadt und Klub. Ein letzter Platz mit drei Punkten auf dem Konto war zu viel des Guten, weshalb das Gehalt auf die Hälfte reduziert wurde. Die Fans reagierten auf ihre Weise. Dazu später mehr dazu. Gryfino schont sein Stadion und lässt die Spiele auf dem Kunstrasenplatz austragen. Dieser ist von zwei Seiten des öffentlichen Raums einsehbar, weshalb schon gar kein Eintritt mehr kassiert wird.
350 km nach Gryfino, zur Toilette und zurück: Energetyk Gryfino vs. Górnik Konin
Den einzigen Komfort am Platz bietet eine Stahlrohrtribüne, die gerade einmal die Hälfte des Spielfelds an der Seite begleitet. VIP-Bereich und Catering braucht man hier nicht zu suchen. Was die Unterbringung von Gästen angeht, hat sich die Stadt wirklich bemüht. Eine kleine Straße führt vom Schwimmbad zur Pizzeria, die sich unweit des Platzes befindet. Diese hat auch einen Parkplatz. Und dieser, na klar, kann von Gästen genutzt werden, die dann in einen spartanischen Käfig gesteckt werden. Würden heute überhaupt noch Gästefans kommen? An der Supermarktkasse hinter mir unterhielten sich zwei Typen darüber, dass zehn Autos aus Konin unterwegs seien. Es läuft also. Besser als bei mir im Augenblick. Kräfte gespart und so dicht wie möglich am Platz gehalten. Noch ein wenig Wasser und rein in die gute Stube. Die Gruppe, die jetzt schon am Platz war, bestand aus Pogoń-Fans aus Gryfino. Links und rechts davon hatten die Polizisten alles im Blick.
Nach 15 gespielten Minuten machten sie sich startklar – Sturmhaube, Protektoren und Helme. Dann kam Konin vorgefahren. Es waren sechs Autos und ein Transporter. Unter „Wir sind überall dort, wo Gornik Konin spielt“ wurden sie zum Platz geführt. Die Abfertigung lief ziemlich schnell und unkompliziert. Der Ausweis wurde in die Kamera gehalten, nachdem der Ordner jeden nacheinander überprüfte. In den Käfig wollten sie aber nicht. Nach 350 km und guten drei Stunden Fahrt kann schon mal die Blase drücken. In der Öffentlichkeit darf es nicht passieren und die Stadiontoilette ist vom Käfig aus schwer erreichbar, aber es gibt da noch die Pizzeria. Zwei Mann, drei Polizisten, 30 Meter. Das Prozedere des sicheren Toilettengangs kannte ich von früher nur zu gut.
Das Spiel wiederholte sich mehrmals, denn es waren immerhin 42 Fans (davon 14 von Ostrovia Ostrów). Einmal wurde Górnik Konin gerufen, danach Ostrów gegrüßt und sich schließlich damit verabschiedet, dass sie Górnik Konin sind. Von früheren Fahrten kannte ich es schon, dass man zur Pause kurz zusammenpackt und zu den Autos geht, um etwas zu essen oder zu trinken. 700 km Fahrt für 30 Minuten? Und wirklich wurden nun die Autos gestartet, eine Reihe gebildet und dann ging es mit Blaulichteskorte zurück nach Konin.
In der Umgangssprache wird diese Prozedur wegen des Flackerns als Diskothek bezeichnet. Es war eine Protestaktion, die sich gegen die Leistung der Spieler richtete. Man darf das Denken der Fans nicht vergessen. Ein Spiel läuft in Polen auf zwei Ebenen ab – auf dem Platz und auf den Rängen. Auch bei Viertligisten spielen mehr und mehr Spieler nur für’s Geld. Wenn da das Verhältnis nicht mehr stimmt, dann wird so eine Fahrt dennoch gerne angenommen – einfach mal raus am Wochenende, mit den Kumpels ins Feindesgebiet, für die Farben der Stadt und des Klubs. Aber nicht mehr für die Spieler, schon gar keine 90 Minuten!
Wie heißt es so schön in einem Lied von Hutnik Kraków? „Die Spieler verlieren, die Ehre des Klubs retten wir.“ Und den Fanclub Gryfino hatten sie eindeutig besiegt. Nachdem Konin weg war, wechselte Gryfino auf die Tribüne und sang dann noch bis zum Ende durch. Die Lautstärke der übrig gebliebenen kleinen Gruppe war nicht von schlechten Eltern. Sie hofften, wie die Spieler, denen heute nichts gelang, nach dem 1:1 durch Prawucki (85.) noch auf einen Sieg. Zuvor hatte Sobieraj in der 36. die Koniner durch einen Elfmeter in Führung gebracht. Reaktionen oder Wertschätzung von den Fans gab es nicht. In Gryfino werden kleinere Brötchen gebacken, weshalb da das Verhältnis trotz schlechtem Ergebnis (Drittletzter) gut ist.
Text & Fotos: Michael
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VG Gunther