„Hey Atze, wat biste? BFC oder Union?“ Eine Frage, die einst zu DDR-Zeiten an der POS bereits in der Unterstufe gestellt wurde. Es gab nur entweder oder. Oder aber man entzog sich komplett mit der Antwort: „Keeene Ahnung. Ick interessier ma nicht für Fußball!“ - „Okay, dann biste raus! Und du, Steffen, sach ma!“ Ähnlich wird es in Leipzig gewesen sein. Lok oder Chemie? Papa, Opa, Onkel oder Kumpel zogen die kleinen Stifte mit in die Stadien. Nach Möglichkeit wurden die Weichen bereits in der frühster Kindheit gelegt. Von Oma einen Strickschal, vom großen Bruder einen duften Aufnäher. Eher in den seltenen Fällen wird man beim 1. FC Lok in der F Jugend gespielt haben und am Wochenende nach Leutzsch zu den Chemikern gepilgert sein. Und wohl kaum war und wäre es eine Freude, wenn die Kids aus Köpenick als Einlaufkinder beim weinroten Erzrivalen auflaufen. Oder nur mal vorgestellt, dass die E Jugend des F.C. Hansa Rostock bei einem Heimspiel des FC St. Pauli einlaufen würde. Schön Hand in Hand mit den Profis in Braun-Weiß. Eine absurde Vorstellung.
RasenBallsport und Lokomotive: Die Messestadt Leipzig und ihr „Einlaufkinder-Skandal“
HotNun aber hätten Spieler der E-Jugend des 1. FC Lokomotive Leipzig die Möglichkeit gehabt beim Stadtrivalen RB Leipzig im Rahmen eines Erstligaspiels einzulaufen. Dazu kam es, weil der Nachwuchs im vergangenen Sommer den Stadtpokal gewonnen hatte. Allerdings schob die Vereinsführung nun einen Riegel vor. Daraufhin zeigten sich zahlreiche Eltern empört - noch empörter zeigten sich indes zahlreiche Medien. Die Rede war von einem Skandal. Zudem seien laut „Welt“ die acht- bis zehnjährigen Kinder die Leitragenden, die nun die große Abneigung gegen RB Leipzig ausbaden müssen. Die Antipathie gegen RB habe jetzt eine kuriose Blüte getragen, so die „Welt“. Was daran eine kuriose Blüte sei, nicht beim unbeliebten Stadtrivalen einlaufen zu dürfen, darf gern ausdiskutiert werden. Dies wird auch reichlich getan. „Die Eltern sollten sich zusammen tun und ihre Kinder einheitlich dort abmelden“, kommentierte kürzlich ein User unter dem Bericht der Welt. Da ist er wieder, der deutsche Wut-Bürger. Sich empören. Gleich zetern. Harte Konsequenzen fordern. Ein anderer meinte: „Hier haben ein paar Traditionalisten nicht kapiert, dass sich die Zeiten geändert haben. RB Leipzig ist ein professionell gemanagtes Unternehmen, weit entfernt von den Scheichmilliarden von Paris.“
Die Zeiten haben sich geändert? Wohl wahr! Das ist wohl wirklich Fakt. Rivalität ist etwas für Traditionalisten?! Wir machen jetzt alle auf soften Mainstream und haben uns alle lieb?! Lasst dynamische Kids bei Union auflaufen, lasst königsblaue Kids ganz stolz in voller Kluft in Dortmund einmarschieren! Das ist doch lächerlich. Möchte man uns solch eine heile Welt verkaufen? Eine Fußballwelt, in der es hübsch „brav“ zugange geht, in der Feindseligkeiten und echte Rivalitäten keine Platz mehr haben?! Na danke, das würde ich meinen Söhnen nicht verklickern können. Gewalt? Hat auf dem Platz und den Rängen nichts zu suchen! Aber was treibt den Nachwuchs denn an? Die innere Flamme. Das Brodeln. Die Lust, dem Erzrivalen eins auszuwischen. Der Spaß am kommenden Montag in der Schule die Mitschüler mal hübsch verbal eine mitzugeben. Na, wie hat Chemie gespielt? Hähä! Und, da hat die Loksche aber hübsch verkackt! Und euer Brauseclub? Geile Klatsche in Hamburg!
Aber klar, da kommt der Zehnjährige gern in die Schule und erzählt seinen Lok-Kumpels: „Wow, ich bin in der Bullen-Arena eingelaufen!“ Davon ganz abgesehen, ist es selbstverständlich ein großartiges Erlebnis, einmal als Zehnjähriger in einer Bundesligaarena mitten drin dabei zu sein. Und genau deshalb hatte die Vereinsführung des 1. FC Lokomotive Leipzig schnell reagiert und eine Alternative gesucht, die nun heißt: Einlaufen beim BL-Duell Borussia Mönchengladbach vs. Bayer 04 Leverkusen. Davor gibt es sogar ein Freundschaftsspiel gegen die U10 der Gladbacher Fohlen. Na, es gibt wahrlich schlechtere Alternativen.
„Lok und RB, das geht nicht!“, erklärte Lok-Präsident Thomas Löwe. Wahre Worte. Das hat nichts mit irgendwelchen blau-gelben Befindlichkeiten zu tun. RasenBallsport Leipzig möchte als Leipziger Verein wahrgenommen werden und nicht als gestriegeltes, glatt gebügeltes, austauschbares Finanzkonstrukt? Lieber als echter Stadtrivale angesehen werden? Als Verein, der neue Farben in die Messestadt bringt und sich in Sachsen mit dem Herzen verwurzeln möchte? Bitte schön! Beim Stadtrivalen läuft man nicht ein. Nicht in Berlin, nicht in München, nicht in Hamburg, nicht in Stuttgart und schon gar nicht in der Messestadt Leipzig! ... Davon ganz abgesehen sollten wir unseren Jüngsten auch beibringen, dass Fußball eben nicht nur Glanz, Bundesliga, Champions League, strahlende Arenen und Millionenstars bedeutet, sondern auch der regionale Verein um die Ecke. In der Kreisliga, in der Landesklasse oder eben auch in der Regionalliga...
Fotos: Marco Bertram
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http://www.sportbuzzer.de/artikel/gut-gebrullt-lowe-lok-kinder-liefen-bereits-bei-rb-leipzig-ein/
Sch... RB