Blau-Weiß 1890 vs. Viktoria 1889: Satte 253 Jahre Tradition in einem Berliner Pokalspiel

Man schrieb den 27. Juli 1927, als die beiden Vereine Berliner FC Vorwärts 1890 und Berliner Thor- und Fußball-Club Union 1892 zur Sportlichen Vereinigung Blau-Weiß 1890 e.V. zusammengeschlossen wurden. Die Flagge im Emblem sollte an den Stammverein Union erinnern. Ende der 30er Jahre nahm Blau-Weiß an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teil und spielte in dieser unter anderen 3:3 gegen den Hamburger SV, 2:1 beim SV Hindenburg Allenstein und 1:1 beim VfL Osnabrück. Da jedoch die anderen Partien verloren wurden, blieb am Ende nur der letzte Platz. Nochmals mit dabei in der Endrunde waren die Blau-Weißen im Jahr 1942. Man zog ins Halbfinale ein, unterlag in diesem jedoch knapp mit 2:3 dem FC Vienna Wien. Immerhin, Rang drei wurde klar und deutlich mit einem 4:0-Sieg gegen Kickers Offenbach gesichert. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die Sp.Vg. Blau-Weiß vorerst nicht im Konzert der Großen. In den Fokus der breiten Öffentlichkeit rückte Blau-Weiß, als Mitte der 80er Jahre nach zwei Jahren 2. Bundesliga der überraschende Durchmarsch in das Fußballoberhaus gelang. In der Saison 1986/87 hieß es schließlich „Wir sind heiß auf Blau-Weiß…“, gesungen von Bernhard Brink und den Spielern. Eingefahren werden konnten im Berliner Olympiastadion nur zwei Heimsiege (3:2 gegen Gladbach und 4:1 gegen Waldhof Mannheim), auswärts gelang ein einziger Sieg (3:1 bei Eintracht Frankfurt). Auch aus der zweiten Liga stieg Blau-Weiß im Folgejahr ab. Mit einem Kraftakt gelang 1991 die Rückkehr in die 2. Bundesliga, doch kurz vor Ende der Spielzeit entzog der DFB der Sp.Vg. Blau-Weiß die Lizenz für die zweite Liga. Wenig später musste der Verein Konkurs anmelden, die Auflösung und die Streichung im Vereinsregister waren die Folge. Bitter! Zumal die Höhe des damaligen Schuldenstandes aus heutiger Sicht eher lächerlich wirkt. Als SV Blau-Weiss Berlin wurde jedoch direkt angeknüpft und das Erbe übernommen. Nach langen Durststrecken gelang am Ende der vergangenen Saison der lang ersehnte Sprung in die Berlin-Liga (sechste Liga). Inzwischen trägt der Verein erfreulicherweise wieder den alten Namen und ist bereit für größere Aufgaben in naher und ferner Zukunft.

Sogar noch ein kleines Stückchen weiter zurück geht die Historie des FC Viktoria 1889 Berlin. Dieser Verein wurde am 06. Juni 1889 als Berliner TuFC Viktoria 89 ins Leben gerufen, am 19. August 1933 erfolgte die Umbenennung zum Berliner FC Viktoria 89. Die sportlich erfolgreichsten Zeiten liegen weit zurück. Aber ja, im Schrank stehen große Trophäen. So wurde 1908 und 1911 die Deutsche Meisterschaft gewonnen. 1907 und 1909 stand Viktoria im Finale. Von sich Reden machte Viktoria zudem 1934, als immerhin das Halbfinale erreicht wurde, und 1955 und 1956, als an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teilgenommen wurde. Gegen den 1. FC Kaiserslautern, den Hamburger SV und den SV Sodingen blieb Viktoria jedoch 1955 in der Gruppe 1 ohne einen Punkt. Immerhin zwei Unentschieden (1:1 bei Borussia Dortmund und 3:3 gegen den VfB Stuttgart) durften ein Jahr später in der Gruppe zwei gefeiert werden. In der Folge trat jedoch eine sportliche Talfahrt ein, hinab ging es bis in die Bezirksliga. 2007 konnte der Verein wieder positive Schlagzeilen schreiben. Nachgeholt wurde 2007 das für das Jahr 1894 geplante Endspiel gegen den FC Hanau 93. Der (inoffizielle) Meistertitel wurde somit gewonnen. Aber auch offizielle Erfolge durften gefeiert werden. So erfolgte 2011 der Aufstieg in die NOFV-Oberliga, zwei Jahre später wurde schließlich in die Regionalliga Nordost aufgestiegen. 2013 erfolgte zudem eine Fusion mit dem Lichterfelder FC. Als FC Viktoria 1889 Berlin geht es seitdem ins Rennen. An den LFC erinnert quasi nur das mit eigefügte Rot im bereits zuvor bestehendem hellblauem Viktoria-Logo.

bw 90

Am vergangenen Mittwochabend kreuzten sich die Wege der beiden Berliner Traditionsvereine Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin und FC Viktoria 1889 Berlin - und zwar in der 3. Hauptrunde des Berliner Pokals. Während die anderen Partien der dritten Runde bereits Ende Oktober und am 01. November ausgetragen wurden, ging es für diese beiden Klubs (wie auch für den Berliner AK 07 und den FC Internationale) am Abend des 09. November zur Sache. Kamera und Notizblock eingepackt und ab mit der U-Bahn zur Ullsteinstraße. Auf dem Sportplatz in der Rathausstraße brannte zwar Licht, aber von Zuschauern war weit und breit nichts zu sehen. Kurz um Auskunft gebeten bei einem Platzwart. „Nee, die spielen heute ein Stück weiter. Auf dem Platz des Traber FC. Die Markgrafenstraße einfach hoch, dann linke Hand.“ Rund 250 Meter Fußweg - und schon sah es ganz anders aus. Der eine oder andere Fußballfreund legte sieben Euro für eine Eintrittskarte auf den Tisch und suchte sich entlang der Hauptgeraden ein Plätzchen. Der Vorteil dieses Platzes: Grill- und Getränkestand befanden sich in unmittelbarer Nähe, und einige Bänke boten die Möglichkeit, etwas höher zu stehen. 

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Letztendlich mögen es 250 bis 300 Zuschauer gewesen sein, die dieses Pokalspiel sehen wollten. Eine gute Kulisse, zumal die Witterung alles anders als angenehm war. Eine Bratwurst und ein Becher Glühwein halfen jedoch etwas gegen die Kälte anzukommen. Am einen Ende der Gerade hatten sich nahe des Eingangs etliche Blau-Weiß-Fans eingefunden, die für Stimmung zu sorgen wussten. Am anderen Ende postierten sich ein paar Viktoria-Anhänger mit Trommel und Fahne. „Olé, olé, Blau-Weiß 90, olé!“, gab es beim Einlaufen der Mannschaften zu hören. Dazu ein paar Wunderkerzen und etwas Konfetti. Vom anderen Ende erklang die Viktoria-Trommel. 

Trommel

Auf dem Kunstrasen konnte der Berlin-Ligist in der ersten halbe Stunde gut mithalten. Unter dem dämmerigen Licht der kleinen Flutlichter bot Blau-Weiß 90 prima Paroli und wusste die eigene Anhängerschaft zu erfreuen. Noch ein Glühwein! Noch ein Stück Wurst für den Hund mit Schal um den Hals! In der Ferne schien die Uhr am Turm des Ullsteinhauses. Wer abends noch nicht hier war, dem dürfte das Gesamtambiente durchaus gefallen haben. Wenn nur nicht diese empfindliche Kälte gewesen wäre. Die Vorstellung, dass es eine Verlängerung geben könnte, erheiterte nicht wirklich. Zu dieser kam es aber nicht. Kurz vor der Pause erzielte Maik Haubitz den Führungstreffer für Viktoria 1889. Nachdem der Gastgeber in der Anfangsphase des zweiten Spielabschnitts noch einmal gut mithalten konnte, ließen Mitte der zweiten Halbzeit dann jedoch Konzentration und Kräfte ein stückweit nach. Chris Reher (68. Minute) und Mattia Trianni (74. Minute) machten den Sack zu, am Ende verdient mit 3:0 konnte Viktoria das Ding nach Hause schaukeln und somit in die nächste Pokalrunde einziehen.

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„Scheißegal, scheißegal…“, sangen die Blau-Weiß-Fans nach Abpfiff. Für den gezeigten Einsatz gegen den sportlich überlegenen Regionalligisten wurden die Spieler zurecht gefeiert. Mehr war einfach nicht drin. Nun kann sich wieder voll und ganz auf die Berlin-Liga konzentriert werden. Zuletzt gab es in dieser eine ansteigende Form zu verzeichnen. Nach zwischenzeitlichen vier Partien ohne Sieg gab es zuletzt drei Siege zu feiern. Und das nächste Traditionsduell lässt nicht lange auf sich warten. Am kommenden Sonntag treten die Blau-Weißen im Preussen-Stadion beim  BFC Preussen an. Dieser wurde am 01. Mai 1894 gegründet. Zuletzt weckte dieser Verein mit dem Gewinn des Berliner Pokals die Aufmerksamkeit. In der ersten Runde des DFB-Pokals hatte es der BFC Preussen mit dem 1. FC Köln zu tun. Und Viktoria 1889? Für die Hellblauen steht als nächstes am Sonntag, den 20. November das Heimspiel gegen Auerbach an.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Blau-Weiß 90 Berlin

Video:

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Artikel wurde veröffentlicht am
11 November 2016
Spielergebnis:
0:3
Zuschauerzahl:
250

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4 Kommentare
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Kommentare
korrektur
"Auch aus der zweiten Liga stieg Blau-Weiß im Folgejahr ab. Mit einem Kraftakt gelang 1991 die Rückkehr in die 2. Bundesliga"
das stimmt nicht. blau weiß spielte von 87 bis 92 durchgängig 2. liga
bemerkenswert dagegen, dass die 90er zwischen 1982 und 1986 innerhalb von 4 spielzeiten aus der landesliga (damals 4. liga) in die bundesliga empor stiegen.
A
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es waren nicht ganz 250 Zuschauer.. es waren 175 zahlende + (ca. 20-30) Verantwortliche
G
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Schade hätte Blau Weiss 90 gern in der nächsten Runde gesehen. Tolle Unterstützung. Wir reden ja hier von der 6. Liga. Weiter so Jungs!
T
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G
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