Der letzte EC-Auftritt des 1. FC Köln: Als Celtic Glasgow zu Gast in Müngersdorf war

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Der Effzeh im Europapokal! Ein torloses Remis beim 1. FC Dynamo Dresden (damals ohne „SG“ und mit grünem Logo) vor 26.000 Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion genügte am letzten Spieltag der Saison 1991/92, um die UEFA-Pokal-Plätze zu erreichen. Bodo Illgner hielt seinen Kasten sauber, am Ende feierte der mitgereiste Kölner Mob unter den „Giraffen“ des altehrwürdigen Stadions. Der 1. FC Köln profitierte von der 0:2-Niederlage der Roten Teufel beim FC Schalke 04 und der 1:2-Niederlage des Rheinischen Rivalen aus Leverkusen gegen den VfB Stuttgart. Die Schwaben wurden Deutscher Meister, der Effzeh stand endlich mal wieder dort, wo er aus Sicht der Kölner auch hingehört: In den Europapokal. Die hohen eigenen Ansprüche sind seit Jahrzehnten legendär in der Domstadt. Angeheizt von den regionalen Medien. Kaum gab es ein gutes Spiel im Müngersdorfer Stadion zu sehen, so wurde bereits vom Europa-Cup gesprochen. Aber immerhin, am Ende der gesamtdeutschen Bundesliga-Saison hatten es die Geißböcke mal wieder geschafft. Nun mal schauen, was das Los den Kölnern beschert. Und ja, die Losfee hatte ein gutes Händchen gehabt. Dem 1. FC Köln wurde der Celtic FC zugelost. Eine prima Nummer. Fantechnisch allererste Sahne, sportlich aus Sicht der Kölner durchaus machbar. 

Im Sommer 1992 war ich mit der Jungen Gemeinde zwei Wochen auf der Grünen Insel unterwegs. Die Zelte aufgeschlagen wurden am Lough Ree im Herzen Irlands. In Athlone, Galway und selbstverständlich auch in Dublin wurden die Sportgeschäfte geentert. Wow, was für ein Angebot! Kein Vergleich zu den damals erbärmlichen Sportabteilungen in den biederen deutschen Kaufhäusern! Allesamt hatten wir uns eingedeckt. Shirts von Manchester United, von Celtic und von anderen Teams. Abends im Pub hafteten die Augen an den aufgehängten Fernsehern. Ein Freundschaftsspiel des Celtic FC. Ein Rückblick auf die zurückliegende Saison der schottischen Premier League. Dazu ein paar Pint und irische Live-Musik. Geflasht von diesen Eindrücken kehrte ich im August ins Rheinland zurück, wo ich als geborener Ost-Berliner drei Jahre lang meine Ausbildung absolvierte. Beim Blick in die Zeitung machte das Herz Freudensprünge. „Hey, Karsten, Celtic Glasgow kommt nach Köln!“ - „Hammer! Hin da! Das ist ja mal ein Spiel!“

Celtic

Angesetzt war das Hinspiel am 16. September 1992 in Köln Müngersdorf. Das passte uns gut, denn somit rechneten wir mit voller Kapelle. Angenommen, Köln würde das Hinspiel im Celtic Park deutlich gewinnen, wäre der Gästeblock sicherlich nicht wirklich gut gefüllt. So aber, dürfte die Nordkurve sehenswert in den Farben Grün, Weiß und Orange geflutet werden. Da es Anfang der 90er bekanntlich noch kein verfügbares Internet gab, war das Ganze stets ein Überraschungspaket. Man bekam keine Informationen, wie viele Tickets in Glasgow verkauft wurden. Oder wie viele Flüge von Schottland nach Köln gebucht wurden. Man hätte schon ganz old school in der Geschäftsstelle des Celtic FC anrufen müssen. Gespannt wie ein Flitzebogen fuhr ich mit der S-Bahn nach Köln und schaute mich auf der Kölner Domplatte um. Karsten würde ich später am Stadion treffen. Der erste Blick auf den Platz vor dem Dom: Bingo! Celtic war am Start! Und wie! Und auch vor den Kneipen der Altstadt war bereits mächtig was los. „We are Celtic supporters, faithful through and through, and over and over, we will follow you!“

Mit der Straßenbahn ging es nach Müngersdorf. Das gesamte Repertoire wurde bereits während der Anfahrt zum Besten gegeben. „We shall not, we shall not be moved, not by the Hearts, the Hibs or the Rangers, we shall not be moved…“ Bierselig wurde an der Aachener Straße ausgestiegen und in Richtung Stadion gestiefelt. Alles schien überaus entspannt. Bis plötzlich ein paar Kölner Hools auftauchten und eine englische Fahne und eine Liverpool-Flagge präsentierten. Mit einem Schlag waren die Celtic-Fans von Null auf Hundert. Plötzlich flog alles, was sich in den Händen befand. Flaschen, Becher, Büchsen. „You f**king B**tards!“ Kurzzeitig drohte das Ganze zu eskalieren, doch mit einem Mal beruhigte sich die Lage so schnell wie sich zugespitzt hatte. 

Köln

In der Gästekurve wurden auf Ober- und Unterrang ordentlich die Geländer beflaggt. Schätzungsweise rund 2.500 Anhänger des Celtic FC hatten sich eingefunden und unterstützten ihre Mannschaft von der ersten Minute an. Im Unterrang inmitten der Schotten und Iren zu stehen, überkam einen 90 Minuten lang eine Gänsehaut à la bonne heure. Auf dem Platz zeigte sich indes das, was zu erwarten war. Celtic kämpfte um jeden Ball, doch die bessere Mannschaft war ganz klar der 1. FC Köln. Vor insgesamt 26.000 Zuschauern wurden Horst Heldt, Rico Steinmann, Pierre Littbarski, Frank Ordenewitz & Co angetrieben von den „Effzeh! Effzeh!“-Rufen der Kölner Südkurve. Vom legendären 38er Block aus warfen die Kölner Hools einen Blick nach unten und zeigten nochmals die englischen Farben, zu Auseinandersetzungen kam es im Stadion jedoch nicht. Es blieb bei wüsten Beschimpfungen. Nach diesen wurden die Celtic-Lieder wieder angestimmt. 

Auf dem Rasen nutzten die Kölner in der 25. Minute sogleich die erste Ecke. Ordenewitz brachte diese von rechts herein, Jann Jensen stand bereit und köpfte das Spielgerät aus kurzer Distanz in die Maschen. „Und Tor!“, jubelte der Kommentator auf Sat.1. Im Hintergrund fallen die Werbetafeln von „Agfa“ und „Intel 486“ ins Auge. Na, wer durfte sich im Herbst 1992 glücklich schätzen, bereits einen 486er PC sein Eigen zu nennen? Und da fällt es einen beim Rückblick wie Schuppen von den Augen. Alter, ja, 286er, 386er und 486er! Und was kam dann?! Der „Pentium“! Aber wir wollen nicht abschweifen. Weiter zum Spiel! Das Kölner Publikum tobte vor Freude. Celtic-Keeper Marshall konnte es nicht fassen. Ein Gegentor nach einer Ecke? Bitter, richtig bitter für eine Spitzenmannschaft von den Inseln. 

Köln

Weiter ging´s. Es blieb beim Alten. Celtic gab alles, kam jedoch zu keinen nennenswerten Chancen. In der Gästekurve wurde gesungen, geflucht, sich die Haare gerauft. Es war zum Mäusemelken. Ein Tor musste her. Wenigstens ein Törchen! Einmal diesen irisch-schottischen Mob jubeln sehen! Daraus wurde aber nichts. Köln machte weiter Tempo und drängte auf den zweiten Treffer. Verdammt schnell ging es in der 82. Minute über Ordenewitz und Steinmann über die linke Seite nach vorn. Steinmann eilte nach vorn, bekam den Ball und flankte diesen in den Strafraum. Zwei Celtic-Abwehrspieler versuchten an den Ball zu kommen, um ihn aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Stattdessen kam hinter den beiden Ordenewitz an den sich senkenden Ball, bückte sich leicht und köpfte ihn am Celtic-Torwart vorbei ins Gehäuse. „Und… ja… Tor! Ordenewitz, Frank Ordenewitz!“, jubelte der Live-Kommentator. „Oh ja, 82. Minute 2:0 für den 1. FC Köln. Ein herrlicher Konter, über einen weiten Pass eingeleitet in die Links-Außen-Position. Steinmann hetzte hinterher, da kam die Flanke, Flick kam nicht richtig ran … und Frank Ordenewitz mit dem Riecher - mit dem richtigen - für die Situation…“ 

Celtic

In der Südkurve waren die FC-Fans aus dem Häuschen. Die rot-weißen Fahnen wurden geschwenkt. Mitten drin auch einige Deutschland-Fahnen. Aus den Stadionlautsprechern hallte lautstark ein „We will, we will rock you …“ Ganz Köln im Freudentaumel. Auf dem Oberrang im Block 38 wurde ein „Denn mir sin kölsche Junge…“ angestimmt. Betretene Gesichter dagegen im Gästeblock. Ohne eigenen Treffer würde es im Rückspiel verdammt schwer werden. Celtic warf noch einmal alles nach vorn, doch ein Tor wollte nicht gelingen. Es blieb beim 2:0 für Köln. Trotzdem, der Optimismus blieb. Noch viele Minuten nach Abpfiff wurde die eigene Mannschaft trotzdem von den Celtic-Fans frenetisch gefeiert. Das restliche Rund war bereits fast komplett leer, als die Celtic-Fans noch immer lautstark feierten.

Celtic

Zwei Wochen später das Rückspiel, welches wir daheim am Fernseher verfolgten. 35.000 Zuschauer hatten sich am 30. September 1992 im Celtic Park eingefunden. Volle Kraft voraus! Nach einer halben Stunde bissen sich die Grün-Weißen vorn fest. Nach einer Ecke wurde der Ball wieder schnell auf die linke Außenbahn gespielt. Gefühlvoll wurde das Spielgerät hereingebracht, und nach einer Kopfballvorlage zog Paul McStay mit dem linken Fuß mit voller Wucht ab. Rechts unten schlug der Ball ein. Keine Chance für Bodo Illgner. Was für ein Jubel auf den Rängen! Und weiter ging´s! Nur zwei Minuten später fing Celtic den Ball an der Mittellinie ab. Köln blieb keine Zeit zum Durchatmen. Ein langer Pass nach vorn, dann wieder fix rüber auf die linke Seite, dann eine Hereingabe. Von schräg links zog ein aus dem Hintergrund heranstürmender Celtic-Spieler kraftvoll ab. In der Schussbahn befand sich Creaney, der mit dem Kopf unhaltbar abfälschte. Was für ein Tor! 2:0 für Celtic! Das Hinspielergebnis war somit egalisiert. 

Der Jubel auf den Rängen spottete jeder Beschreibung. Die Stimme des schottischen TV-Kommentators überschlug sich fast vor Freude. Es war das dritte Mal, dass Celtic in den vergangenen 24 Jahren nach einem 0:2-Hinspiel-Rückstand noch zurück ins Rennen kam. Und dann zeigte die Uhr die 81. Spielminute an. Einwurf für Celtic. John Collins kam an den Ball, arbeitete sich vor in Richtung Strafraum, schlug einen kleinen Haken und schloss anschließend aus spitzem Winkel trocken ab. Der Kommentator konnte gerade noch sagen „Good play by Collins …“ und schon zappelte der Ball im Netz. 3:0 für Celtic. Was in jenem Moment auf den Rängen des Celtic Park abging, muss wohl nicht näher erläutert werden. Celtic brachte das 3:0 über die Zeit und zog somit in die 2. Runde des UEFA-Pokals ein. Tief saß indes der Schock bei den Kölnern. Wer hätte allerdings für möglich gehalten, dass dies der bislang letzte Auftritt des Effzeh auf europäischem Parkett war?! 

Celtic

Gehen wir in die Gegenwart: Der Celtic FC hat am heutigen Abend wieder einen Gegner aus dem Rheinland zu Gast. Borussia Mönchengladbach gibt seine Visitenkarte in Glasgow ab. Während der Auftakt in der Gruppe C sowohl für Celtic als auch für Gladbach völlig in die Hose ging (0:7 in Barcelona und 0:4 bei Manchester City), sah es am zweiten Spieltag bereits deutlich besser aus. Celtic erkämpfte sich vor 57.600 Zuschauern gegen Manchester City ein 3:3, Gladbach verlor zwar gegen den FC Barcelona knapp mit 1:2, zeigte aber eine gute Partie. Nie zuvor trafen Celtic und Mönchengladbach im Rahmen eines Pflichtspiels aufeinander. Auf beide Duelle in der Gruppenphase darf man wahrlich gespannt sein. Und die Kölner? Diese hatten in der 1. Bundesliga einen Traumstart. Vier Siege und drei Unentschieden in sieben Partien - das kann sich wahrlich sehen lassen. Hinter dem FC Bayern und vor RasenBallsport Leipzig belegt der Effzeh Rang zwei. Wer weiß, vielleicht wird es im Herbst 2017 nach langen 25 Jahren endlich wieder Europapokal in Müngersdorf zu sehen geben. Wir würden uns freuen und mit Sicherheit wieder vorbeischauen!

Fotos: Karsten Höft, Marco Bertram, Lukas L.

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Spielausschnitte:

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Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
19 Oktober 2016

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Was hübsches auf der Insel oder nach Holland. Dolles Ding, daß der FC mal wieder mit dabei ist!
J
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G
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G
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S
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