Mehr Abneigung geht nicht. Bei zahlreichen Fans gipfelt die Abneigung in grenzenlosen Hass. Während die meisten Außenstehenden immer eher die Partien SG Dynamo Dresden vs. FC Erzgebirge Aue oder Chemnitzer FC vs. SG Dynamo Dresden auf dem Schirm haben und ganz Großes auf den Rängen erwarten, ist es unter dem Strich das Duell Erzgebirge Aue gegen Chemnitzer FC, das beide Seiten in Bezug auf den Adrenalinausstoß an das Limit bringt. Aue gegen Chemnitz bzw. Karl-Marx-Stadt. Eine Feindschaft, die bereits seit Jahrzehnten gepflegt wird. In den 1950ern begegnete man sich sogar als Wismut Karl-Marx-Stadt und Chemie Karl-Marx-Stadt. Allerdings trug damals Wismut weiterhin seine Heimspiele in Aue aus. Nach all den Begegnungen in der DDR-Oberliga gab es nach dem Fall der Mauer Duelle in der Regionalliga Nordost (1996 bis 1999), der Regionalliga Nord (2001 bis 2003), im sächsischen Landespokal und in der laufenden Saison erstmals in der 3. Liga. Nachdem bereits das Hinspiel überaus hitzig war und die Veilchen aus dem Erzgebirge diese Partie mit 2:1 gewinnen konnten, stand nun am Sonntag das Rückspiel auf der Baustelle im Lößnitztal an.
Erzgebirge Aue vs. Chemnitzer FC: Jubelorkan im Schneegestöber und himmelblaue Tränen
Hot10.000 Zuschauer fanden einen Platz, für die Gäste gab es 1.500 Tickets. Rund 600 von ihnen nutzten den Schienenweg, auf dem Entlastungszüge eingesetzt wurden. Mit im Gepäck hatte man eine große Fahne mit der Aufschrift „Wismut verrecke!“. Diese wurde im späteren Verlauf im Stadion präsentiert. Nicht mit hinein bekamen die Chemnitzer ihre blauen Einweg-Overalls mit Atomkraftzeichen. Bereits auf dem Fanmarsch war das Tragen dieser Überzieher verboten. Nach kurzer Diskussion am Unteren Bahnhof in Lößnitz wurden diese schließlich kurzerhand auf dem Vorplatz verbrannt. Im Anschluss ging es wie geplant zu Fuß zum Stadion.
Zu Beginn der Partie wurde im Gästeblock ein Rauchtopf gezündet, die große Pyro-Aktion sollte erst zum Start der zweiten Halbzeit durchgezogen werden. Es qualmte, es zündete, und vier Leuchtspuren flogen durch die Luft. Eine von ihnen landete auf der Tribüne. Böller wurden von beiden Seiten geworfen, das Spiel wurde kurzzeitig unterbrochen. Präsentiert wurden auf beiden Seiten auch einige Materialien. Für Erstaunen sorgte das auf Heimseite gezeigte Banner der „Ultras Plauen“. Einst pflegten diese mit den Ultras Chemnitz einen freundschaftlichen Kontakt. Abhanden kam das Banner bereits vor einigen Jahren. Entwendet wurde dieses bei einem Einbruch in eine vom Fanprojekt gemietete Halle. Im Gästeblock waren indes neben einigen lila-weißen Schals die gezogenen Fahnen „Pockau" und „Zschorlau“ zu sehen.
Auf dem Rasen sorgte Pascal Köpke bereits nach acht Minuten für einen ersten erzgebirgischen Jubelorkan. Nach Ecke von rechts stand er am zweiten Pfosten goldrichtig und nickte zum 1:0 ein. Platziert fand der Ball den Weg in die Maschen. Weiter ging es bei Sonnenschein in Richtung Chemnitzer Gehäuse. Fast hätte Köpke von schräg links das 2:0 gemacht, doch CFC-Keeper Kunz konnte mit dem linken Fuß abwehren und anschließend das Spielgerät mit den Händen sichern. Die Gäste aus der einstigen Bezirkshauptstadt kamen im ersten Spielabschnitt indes kaum zu hochkarätigen Möglichkeiten. Das sollte sich in der zweiten Halbzeit ändern. Nun drängten die in Solargrün und Weiß spielenden Himmelblauen in Richtung Tribünenneubau, der hinter dem Tor bereits zu sehen ist. Die größte Möglichkeit hatte Türpitz in der 56. Minute. Das hätte das 1:1 sein können, ja müssen.
Wie vielerorts im Lande wechselte das Wetter im Minutentakt. Statt Sonnenschein kam plötzlich Schneeregen. Und genau in diesem Schneegestöber arbeitete sich in der 82. Minute Simon Skarlatidis forsch nach vorn. Meter für Meter, kein Chemnitzer Verteidiger vermochte ihn zu bremsen, am Ende schob er den Ball souverän links unten ein. 2:0 für Aue und das Stadion stand Kopf. Tausende hochgerissene Arme. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga rückt näher und näher. Im Gästeblock versuchte man indes Fassung zu wahren. Schon wieder eine schmerzhafte Niederlage gegen den verhassten Feind aus dem Schacht. Was soll man machen? Was soll man tun? Trost verhalf allein der Fakt, dass es ja hätte schlimmer kommen können. Vor wenigen Wochen stand Chemnitz schließlich ganz unten drin. Theoretisch hätte Aue die Himmelblauen in die Regionalliga ballern können. Dank des Aufwindes und des zuletzt geholten Punktepolsters hat diese Niederlage - rein sportlich betrachtet - für den Chemnitzer FC nicht allzu große Auswirkungen.
Fotos: Marcus Hengst
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Benutzer-Kommentare
Wo hab ich denn erwähnt, dass ich dem Erzgebirge entstamme? Ich bin ein Dynamo, der in der Lage ist, auch mal die Leistungen der Konkurrenz anzuerkennen.
"Positive Entwicklung" ist in diesem Zusammenhang nur auf die Auer Fanszene bezogen und nicht im Vergleich zu Dynamo, Magdeburg, Hansa, etc. zu sehen. Soll heißen: Heute sind die Jungs um einiges besser als noch vor ein paar Jahren, jedoch wird man an die drei genannten Verein trotzdem nicht herankommen.
Aber mal davon abgesehen: Aue ist Chemnitz schon durch die Bergarbeitertradition immer einen Schritt voraus. Die Karl-Marx-Städter Fanszene ist einfach nur grau und trist, genauso wie die ganze Stadt und das wird sich auch nicht ändern. Ich weiß nicht, wo die Chemnitzer immer wieder den Glauben hernehmen, eine kreative Fanszene zu sein. Außer "Scheiß Dynamo" kommt da nämlich nichts bei unseren Duellen.
Übrigens: Was gibt eigentlich einem Barcelonafan das Recht, sich über den Support bei anderen Vereinen zu echauffieren?
Grüße aus der LANDESHAUPTSTADT