Hallescher FC vs. Rot-Weiss Essen: Packendes Duell auf Rasen und Rängen

Nach exakt 70 Tagen ist es endlich wieder soweit. Das runde Leder in der dritthöchsten deutschen Spielklasse rollt wieder und startet direkt mit einem absoluten Leckerbissen. Gastgeber der Partie sind die Hallenser, seit nun mehr zehn Jahren durchgehender Teilnehmer dieser Liga und somit der absolute "Dino" und auf der anderen Seite Rot-Weiss Essen, das sich in der vergangenen Saison der Klassenerhalt verdiente und nun vor der berüchtigten schwierigen zweiten Saison steht. Es ist klar, dass solch eine Partie viele Zuschauer ins Stadion locken würde, und so wurde das Leuna Chemie Stadion zumindest fast ausverkauft.

Die Ausgangslage war relativ klar. Niemand weiß so richtig, wo er steht. Weder Fans, noch Verantwortliche. Trainingslager und Freundschaftsspiele sind zwar schön und gut, aber noch lange keine Grundlage für eine gute oder schlechte Ausgangsposition. Auch die Tatsache, dass das Transferfenster noch fast einen kompletten Monat lang geöffnet ist, bedeutet im Umkehrschluss, dass die ersten Spieltage noch keine riesige Aussagekraft haben werden. 

Umso schöner ist es, an solchen Spieltagen die Mischung aus Anspannung und Vorfreude in den Gesichter und Gestiken der einzelnen Leute um das Stadion herum zu beobachten. Die Optimisten, die Halle aufgrund der überraschend guten Transferpolitik schon wieder ganz oben sehen, die Pessimisten denen die Mannschaft zu jung erscheint, die Realisten die mit dem Gastgeber bereits durch alle Täler der Emotionen gegangen sind und natürlich auch die laut grölenden Biertrinker, denen es eigentlich egal ist, wer hier heute gegeneinander spielt und die einfach nur Bock darauf haben mal wieder ihrer Leidenschaft nachzugehen. In die Gesichter der Gästefans konnte ich aus der Entfernung natürlich nicht schauen, aber es ist davon auszugehen, dass die Stimmungslage dort ähnlich aussah.

Über das letzte Aufeinandertreffen beider Vereine ist im Übrigen noch kein Gras gewachsen, denn das Heimspiel am 20.05.2023 war zugleich das letzte Heimspiel der Hallenser in der vergangenen Saison. Vor 12.773 gewann der Gastgeber mit 2:0 und sicherte sich endgültig den Klassenerhalt in der dritten Liga, den die Gäste damals einen Tag später aufgrund Niederlage der Konkurrenz (Zwickau gewann in Oldenburg) sicher hatte. Und auch wenn beide Vereine sehr emsig auf dem Transfermarkt unterwegs waren, so ist der Kern beider Mannschaft immer noch beisammen. Jeweils zehn Spieler aus der damaligen Partie gehören auch heute noch zu den Aufgeboten beider Vereine. 

Und auch wenn man in Nordrhein-Westfalen ein wenig über die erfahrenen Abgänge gemosert hatte, kann man mittlerweile ganz zufrieden mit dem neuen Spielermaterial sein. Mit Leonardo Vonic und Marvin Obuz hat man zwei starke offensive Spieler aus der Regionalliga verpflichtet und aus der Regionalliga Nordost kamen mit Aaron Manu und Eric Voufack zwei sehr athletische Defensivspieler. Im Großen und Ganzen wirkt der Kader etwas ausgeglichener und spielerisch stärker als in der vergangenen Saison. 

Bei den Anhaltinern wurde das Hauptaugenmerk ganz eindeutig auf junge und talentierte Spieler gesetzt. Gleich fünf Spieler angelte sich der Verein aus verschiedensten U19 oder U23-Vertretungen anderer Nachwuchsleistungszentren. Mit Dominic Baumann und Besart Halimi wurde aber auch Erfahrung für die Offensive nach Halle gelotst und die Lücke im Tor soll Sven Müller von Dynamo Dresden schließen.

Und dann sollte es mit einer knappen viertelstündigen Verspätung auch schon losgehen. Während die Hallenser Caterer mit technischen Problemen zu kämpfen hatten, so machte der Verkehr auf Deutschlands Straßen vielen Gästefans einen Strich durch die Rechnung. Dank des verspäteten Anstoßes sollte der Gästebereich zu Beginn der Partie allerdings doch sehr gut gefüllt sein, wenngleich er insgesamt nicht komplett ausverkauft war. Im Gegensatz zu fast allen anderen Mannschaften dieser Liga bekamen die Westdeutschen allerdings noch einen kleinen Sitzplatzbereich am Läuferweg. 

Die Stimmung war von Beginn an top, das Wetter spielte überraschenderweise auch mit und ein fataler Abwehrschnitzer der Gäste sorgte bereits sehr früh für die Führung des HFC. Neuzugang Dominic Baumann drosch den Ball unter den Hosenträgern von Keeper Golz hindurch. Es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, mit wenigen Verschnaufpausen. Beide Mannschaften versuchten Fußball zu spielen und nicht nur langen Hafer zu schlagen. Doch als Rot-Weiss Essen immer mehr das Heft des Handeln in die Hand nahm, kam bereits der zweite Genickschlag. Ein recht harmlos wirkender Eckball fand am langen Pfosten den Kopf von einem weiteren Neuzugang, nämlich Tom Baumgart, dieser nickte ein und drehte zum Jubeln unmittelbar vor der Gästekurve ab. 

Ein Knäul aus purer Freude auf dem Rasen, ein bisschen Provokation und Austausch von Nettigkeit auf den Rängen. Alles in allem aber ein sehr faires Duell. Auf dem Rasen sammelte sich der HFC, vor allem in der zweiten Halbzeit, mehrere gelbe Karten ein, agierte aber weder brutal noch unfair. Auch auf den Rängen lief das ganze schon beinahe freundschaftlich ab. Bis auf ein paar aufgeblasene Bananen im Gästebereich und ein lautes "Rot-Weiss Essen, F***** und Vergessen" fokussierten sich beide Fanszenen eher auf den Support der eigenen Mannschaft.

Die zweite Halbzeit wurde von einer kleinen Choreo eingeleitet. "Wir sind immer für dich", umrandet von mehreren Schwenkfahnen und dem Stadtlogo Essens. Die Sonne knallte auch noch recht souverän in die Ecke hinein und so ergab sich ein echt schickes Gesamtbild. Aber nicht nur optisch hatten die Gäste in der zweiten Halbzeit nochmal einen draufgelegt, denn trotz des Rückstandes wurde das Pensum der Lautstärke und Mitmachquote peu à peu erhöht. Ob dies nun am couragierten Auftritt der eigenen Mannschaft oder am stetig steigenden Alkoholpegel lag, sei mal dahingestellt. 

Aber auch die HFC-Fankurve blieb weiterhin aktiv und lieferte meiner Meinung nach den besten Auftritt der letzten Jahre ab (zumindest wenn ich vor Ort war). Dass die heimischen Anhänger auch nach der Partie mit Glücksgefühlen die Heimfahrt antreten durften, lag allerdings nicht unbedingt an der Stärke der eigenen Mannschaft, sondern am Unvermögen der Gäste. Zwar gelang Isiah Ahmad Young per Kopf der hochverdient Anschlusstreffer, aber der ebenfalls hochverdiente Ausgleich wollte einfach nicht fallen. Chancenwucher ohne Ende.

Als erster Tabellenführer der Saison 2023/2024 ließ sich die Mannschaft aus Sachen-Anhalt dennoch feiern, warum auch nicht, aber auch die Kontrahenten wurden von der eigenen Kurve beklatscht. In Essen herrscht zwar etwas Frust über die vergebenen Chancen, allerdings nicht über die gezeigte Leistung.

Bericht & Fotos: "schwarze_natascha" (externer Link zu Instagram)

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