Hansa-Spaziergang in Richtung Abstieg

Nach dem 2:5 gegen Fortuna Düsseldorf wurde Glöckner bekanntlich entlassen und mit Alois Schwartz der dritte Trainer in dieser Saison verpflichtet. Sein erstes Spiel als Trainer beim F.C. Hansa Rostock ging dann gleich mit 0:3 in Magdeburg verloren. Die Tabelle zeigte nur einen Punkt Rückstand zum 15. Platz an, da sollte und musste endlich ein Heimsieg gegen Holstein Kiel her.

Von Heimstärke ist im Ostseestadion schon lange nichts mehr übrig geblieben, denn neun Heimniederlagen sind eine extreme Serie. Für mich persönlich war gegen Kiel ein Endspiel. Die ganze Woche suchte ich positive Ansätze und verbreitete optimistische Stimmung. Am Sonntag früh dichtete ich noch ein wenig den Osterspaziergang von Goethe um:   

Hansa-Spaziergang. Von Toren und Punkten befreit ist unser Ostseestadion. Die früheren Heimsiege, in seiner Stärke, zogen sich nach Sandhausen oder Darmstadt zurück. Von dort her sendet er, hoffend, nur keine Tore in unser Ostsee-Revier. Alles will sie mit Punkten für Hansa beleben, doch an Hoffnung fehlt's im Revier. Sie nimmt beschwipste Hansafans dafür. Kehrt nun um von der Kopernikusstraße Höhen. Nach dem Marathon-Tor hinzusehen. Durch das hohe Hanseatische Tor dringt ein blau-weißes Gewimmel hervor. Jeder freut sich heute so gern, denn sie feiern einen Heimsieg ihres Herrn. Denn sie sind auferstanden. Aus Zügen, Bussen und Autos. Aus den Straßen quetschender Enge, aus der Trotzenburg und anderer Kneipen. Sind sie alle ans Hansa-Licht gebracht. Sieh nur, sieh! Wie lautstark sich die Hansa-Menge ins Ostseestadion bewegt. Ich höre schon des Fan-Getümmel, hier ist des Hanseaten wahrer Himmel. Zufrieden nach dem Heimsieg gegen Holstein jauchzet Groß und Klein: Hier bin ich Hansa Fan, hier will ich's sein!

Mit Fiete machte ich mich gegen 12.00 Uhr auf den 20-minütigen Hansa-Spaziergang. Kaum aus der Haustür raus, zeigten uns die imposanten Flutlichtmasten den Weg zum Ostseestadion. Waren wir am Anfang des Weges noch allein unterwegs, schlossen sich uns noch hunderte weitere Hansafans an. Welch ein Getümmel hin zur Kopernikusstraße.  Fast 25.000 Zuschauer, darunter gut 1.000 Gästefans, hofften auf einen erfolgreichen Ostersonntag. 

Kurz vor Spielbeginn bei mir Gänsehaut und Tränchen beim Singen von „Wenn wir zusammen geh'n, wenn wir zusammen steh'n“ (wenn ihr jetzt hier lest, bitte sofort bei Youtube abspielen und Gänsehaut bekommen). Nach 12 Minuten dann endlich mal wieder eine schnelle Führung für Hansa durch van Drongelen. 

Hansa! Läuft doch im Endspiel für uns. Unsere Mannschaft lieferte Kampf und viel Laufbereitschaft, aber man sah auch, dass Holstein Kiel die spielerisch viel stärkere Mannschaft war. Folgerichtig machten sie aus dem 0:1 in der 44. Minute durch Reese, in der 45. Minute durch Sander und in der 47. Minute durch Holtby eine 3:1-Führung. Der Gästeblock tobte und feierte schon vorzeitig den Auswärtssieg. 

Lethargie und Langeweile im Ostseestadion nur kurzzeitig, denn unser 2:3 durch Hinterseer in der 53. Minute ließ uns wieder hoffen. Die Hansakogge kämpfte und versuchte alles. Ich träumte von einem 4:3-Heimsieg und einem Wunder im Ostseestadion. Doch auch aus 15 Ecken kam nichts Zählbares hinaus. Wir kämpften bis zum Schluss. Unser Endspiel war verloren. Wieder 24.000 enttäuschte Zuschauer im Ostseestadion. Hoffnung? Am Sonntag sah ich in der Sportschau Regensburg, die müssen mit Sandhausen zusammen direkt absteigen und wir uns auf den Relegationsplatz retten - dann immerhin eine 50:50-Chance auf den Klassenerhalt. Jetzt vielleicht noch mal das oben beschriebene Lied hören!

Am Montag wurde dann die sofortige Freistellung vom Sportvorstand Martin Pieckenhagen bekannt gegeben. Für mich bringt das zum jetzigen Zeitpunkt noch mehr Unruhe in den Verein. Auch für den aktuellen Trainer ist dies eine schwierige Situation. Chaos-Verein Hansa Rostock. Wir bezahlen noch mehrere Trainer, einen Sportvorstand und viel zu viele Spieler. Ich hätte mir einen anderen Weg gewünscht. Festhalten an Jens Härtel und gemeinsam durch das Tal gehen. Kurz vor der Entlassung sortierte Härtel bereits Spieler aus. Zur Winterpause den Kader weiter reduzieren und in sinnvollen Verstärkungen investieren. Wenn es schlecht läuft, kann man im Frühjahr immer noch die Karte „Trainerwechsel“ ziehen und zum Beispiel Koschinat holen. 

Nun wird in wenigen Monaten alles hingeschmissen und die hanseatischen Tugenden wie Ruhe und Besonnenheit verlassen.  Auch unser gewählter „Aufsicht und Rat“ nickte ja alles einstimmig ab. Am Dienstag hatte ich im Hotel den Pokalsieg von Freiburg beim FC Bayern verfolgt. Am 16.02.2000 standen wir sogar im Pokal-Halbfinale beim FC Bayern und verloren mir 2:3. Unsere Rolle von damals hat nun Freiburg eingenommen. Die unnötige Entlassung von Frank Pagelsdorf 2008 war ein „Knackpunkt“ in Hansas Geschichte - und der Abstieg begann. Noch sind wir nicht abgestiegen, aber dann sollten wir am Sonnabend schon in Paderborn möglichst gewinnen.

Bericht & Fotos: Heiko Neubert (Fankogge)

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