Greif gegen Hirsch: Karkonosze Jelenia Góra weiterhin gut auf Trab

„Mama, das ist keine Fahne!“ Unvergessen die Worte von unserem größeren, damals vier Jahre alten Sohnemann, als wir im Frühjahr 2014 zu dritt ein Heimspiel von KS Karkonosze Jelenia Góra geschaut haben. Der Verein mit dem Hirsch auf der Brust war damals auf Aufstiegskurs, und Dominik erforschte mit Freude die alte Gegengerade und brüllte ein freudiges „Karkonosze!“ durch den Zaun. In der Tat sollte der Sprung in die III Liga (vierhöchste Spielklasse in Polen) glücken, und auch am ersten Spieltag der Saison 2014/15 gegen Ślęza Wrocław waren wir vor Ort, und inzwischen hatte Dominik verstanden, dass eine Fahne nicht immer einen Stab haben muss, sondern auch an den Zaun gebunden werden kann.

Vor dieser hatte er im Spielverlauf im Innenraum stolz wie Bolle posiert, über 900 Zuschauer waren auf den Rängen, und der Support war für Viertliga-Verhältnisse wirklich stark. Ganz klar, ist KS Karkonosze Jelenia Góra aufgrund der familiären Verknüpfung neben Pogoń Szczecin für mich der polnische Verein, zu dem ich den meisten Bezug habe. Umso größer war die Enttäuschung, als es nach zwei Jahren in der III Liga wieder abwärts ging. 

Grund war die Neustrukturierung des Unterbaus. So mussten in der III Liga Gruppe dolnośląsko-lubuska gleich die Plätze acht bis 18 einen Abgang in die IV Liga machen. Die Realität ab der Saison 2016/17 war zunächst wahrlich traurig. Karkonosze Jelenia Góra hing im Mittelfeld fest, und die Zuschauer blieben aus. Die aktive Fanszene kam nicht mehr ins Stadion, nur noch wenige Schaulustige ließen sich auf den Rängen sehen. 

Aufbruchstimmung kam in der Saison 2020/21 auf. Vor Chrobry II Głogów konnte der Meistertitel in der West-Staffel der IV Liga Gruppe dolnośląska gefeiert werden, im Anschluss rief die Aufstiegsrunde gegen den anderen Staffel-Meister. Kurz vor meinem Beinbruch beim Polonia-Turnier in Leszno nahm ich gegen Lechia Dzierżoniów sowohl das Hinspiel, als auch das Rückspiel mit. Auswärts trennte man sich vor 900 Zuschauern 2:2, das Rückspiel im einstigen Hirschberg wollten 1.000 Zuschauer sehen, und wieder wurde 2:2 gespielt. Unmittelbar nach der regulären Spielzeit gab es das Elfmeterschießen, das Karkonosze mit 4:3 für sich entscheiden konnte. Eine Träne der Freude rollte über meine Wange. Geiles Ding! Karkonosze war wieder dabei in Liga III.

Der Support war wieder da, doch war die Gruppe III der III Liga sportlich leider eine Nummer zu groß. Der größte Wermutstropfen: Nach polizeilicher Anweisung fand das mit Hochspannung erwartete Duell gegen Polonia Bytom ohne nennenswerte Zuschauer statt. Man munkelte von einem aus Bytom kommenden Sonderzug, und ich plante mit Dominik (inzwischen 12) bereits die Sause ins Vorland des Riesengebirges. Pustekuchen. Das Ganze musste abgeblasen werden. Das große Hopper-Treffen fand nicht statt.

Ich befürchtete bereits das erneute Wegbleiben der aktiven Fanszene nach dem Abstieg, doch wurde ich eines Besseren belehrt. Immer wieder wurde mobilisiert, immer wieder gab es Fotos von Aktionen zu sehen. Karkonosze Jelenia Góra greift in der IV Liga wieder oben an - und die Fans unterstützen ihre Mannschaft nach Kräften. Häufig mit am Start sind zahlreiche Fans aus dem tschechischen Jablonec, zu denen bereits seit einigen Jahren - allerdings mit einer längeren Unterbrechung - eine feste Freundschaft gepflegt wird. 

So hieß es am vergangenen Wochenende: Auf zum Auswärtsspiel zu GKS Gryf Gryfów Śląski! Insgesamt rund 70 Fans fanden sich im Gästebereich des Stadions Miejski w Gryfów Śląski ein, unter ihnen 24 Fußballfreunde aus Jablonec. Über 90 Minuten hinweg wurde fleißig supportet, auf dem grünen Rasen konnte die Mannschaft von Karkonosze einen 4:0-Sieg einfahren. Nach Abpfiff wurden zwei Fackeln angerissen und die Spieler posierten gemeinsam mit den Fans für ein Erinnerungsfoto. In der Tabelle ist Karkonosze aktuell auf Rang zwei zu finden, der Rückstand auf Tabellenführer Prochowiczanka Prochowice beträgt vier Punkte. Allerdings hat Karkonosze bislang eine Partie weniger absolviert. Somit dürfte alles im grünen Bereich sein! Voran KSK! Lasst die Hufe schwingen!

Fotos: Marco Bertram, Los Misenas

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