Szturm Junikowo vs. Orkan Konarzewo und noch einiges mehr

Szturm Junikowo vs. Orkan Konarzewo und noch einiges mehr

Die Sonne lacht, der Fußball ruft! Doch wohin? Um 11:00 eröffnete Szturm Junikowo den Sonntag. Ohne eine echte Heimat zu besitzen, trägt Szturm seine Heimspiele, seitdem mir der Verein bei 90minut über den Weg gelaufen ist, in Plewiska aus. 

Das sind nur ein paar Minuten mit der Bahn oder ein kleiner Spaziergang vom Posener Stadtteil. Ich gehe mal davon aus, dass sich die Wiege des Klubs auch auf irgendeinem Freizeit-Bolzplatz befindet. Das ist hier so üblich. In dieser Saison lief der Auftakt ziemlich gut und torreich. Der heutige Gast war ebenso stürmisch, jedenfalls vom Namen her. Absteiger Orkan Konarzewo gab sich die Ehre.

Aber so richtig sieht es noch nicht nach einem angestrebten Wiederaufstieg in die 6. Liga aus. Die Ausbeute gestaltete sich bisher eher mäßig. Immerhin lockte das halbe Derby 100 Zuschauer an. Die Orte trennen nur wenige Kilometer. Die Sympathien teilten sich auch in 50/50 auf. Echte Anfeuerungen suchte man vergeblich. Orkans-Fans trumpften in der vorletzten Saison immer mal wieder ordentlich auf. Grodzisk erlebte im Aufstiegsjahr sogar eine kleine Invasion. Ich hatte auf etwas regeres Leben auf der Tribüne gehofft.

 

Wirklich damit gerechnet hatte ich nicht. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten wurden heute außer Kraft gesetzt. Der Sturm war stärker als der Orkan. Bis zum 3:2 hielten die Gäste noch etwas dagegen, doch nach dem Elfer vor der Pause war die Motivation weg. Nach dem Seitenwechsel wurde Orkan gar 7:2 abgefertigt. Damit gehört Szturm wohl zusammen mit Sparta Szamotuły zu den Favoriten dieser Liga. 

Nun überlegte ich hin und her, wohin es nun gehen sollte. Widzew spielte heute in Poznan. Neun Jahre hatten sie sich nicht mehr gesehen. Die Freundschaft zu ŁKS Łódź brachte noch zusätzlich ordentlich Würze ins Spiel. Stark von der Polizei abgeschirmt rollte dann der Sonderzug aus Łódź ein. Ein paar Gesänge, Pyrotechnik und, soweit ich es mitbekam, hatte hier jeder ausnahmslos ein rotes Shirt an. Wer das Spiel besucht hat, wird wohl auf seine Kosten gekommen sein. Mich zog es dann weiter nach Opalenica. Leider durch Unwissenheit hatte ich ja neulich nur den 4. Platz der Hotelanlage mit einem Spiel besuchen können. 

 

Nun sollte heute im feinen städtischen Stadion mit dem Schilfdach im Hintergrund der Ball rollen. Es ist nicht so, dass alle großen Spiele auf einem der Hotelplätze ausgetragen werden. Zagłębie Lubin durfte neulich im Test gegen Aalbork sogar im Stadion ran! An diesem späten Nachmittag wurde mit einem Jugend-Kick wieder schmalere Kost geboten. Hausherr Promien Opalenica dümpelt übrigens in den Niederungen Wielkopolskas herum. Die Jugend-Mannschaften von Piotr Reiss' Akademie (vergleichbar mit Förderkader René Schneider) spielen überall verteilt. So darf halt in Opalenica derzeit die B-Jugend regelmäßig ran. Zwei Posener Truppen messen sich 30 km von Großpolens Hauptstadt entfernt. Na super! Da wird wohl kaum jemand zuschauen wollen. 

 

Aber da hatte ich mich geirrt. Knapp 70 Leute waren Beobachter des Spiels AP Reiss gegen GES Poznan. Das ist nicht schlecht! GES steht für "Gaudium et Studium". Spaß und Lernen - für Leute ohne Latinum. Natürlich ist das auch die Truppe einer Privat/Sportschule. Von diesen Truppen gibt es einige. Das ist ein gängiges Modell. Eltern, Freundinnen, Kumpels und Großeltern mit Picknick-Körben besetzten daher die Plätze. Von GES zählte ich eine mitgereiste Spielermutti, die auch noch ungelogen permanent auf dem Smartphone spielte. Sie wechselte sogar noch zur Pause die Seite. Woher ich das weiß? Die zweite Halbzeit verbrachte ich im Gästeblock. Sie ließ sich kurz davor nieder. Der Sektor war total sauber. Keine Aufkleber, keine Pyro-Reste und alles ohne Schäden. Schon lange war hier keiner mehr. 

 

Zwei Aufreger gab es gleich am Anfang des Spiels. Die Unparteiischen rechneten nicht mit der Farbwahl von GES. Sie hatten aber Ersatz-Trikots dabei. Es mag eine Kleinigkeit sein, aber in den vielen Fußball-Jahren war diese Begebenheit ein Novum für mich. Mit der zweiten Minuten zeigte der Schiedsrichter aufgrund eines Handspiels auf den Punkt. Ich kann mich an kein Spiel erinnern, in dem es so früh einen Handelfmeter zu bestaunen gab. Im Nachschuss verwandelt. Das war nur der Auftakt zum Schützenfest. GES, alle um einen Kopf kleiner, hatte nie eine reale Chance hier zu gewinnen.

Langsam verabschiedete sich die Sonne und ich trat die Heimreise an. Natürlich wählte ich die kürzeste Strecke. Ein Bahnübergang muss dabei schon eine Weile geschlossen worden sein. Die ersten Autos drehten schon um. Und dann passierte das, was hier irgendwie typisch ist. Es hängen ja nun überall in der Öffentlichkeit Überwachungskameras. Der Autofahrer fragt nach einer Umleitung, die war wohl zu zeitintensiv. Also was machen? Einfach rüber! Die Beifahrerin des Fahrers amüsierte sich dabei noch köstlich. Auch in Poznan kümmert sich nicht jeder um rote Ampeln. Nach 10 weiteren Minuten wählte ich die Alternativ-Route durch den Wald.

 

Mittlerweile war es schon finster und die Sirenen waren zu hören. Wenn man schon mal hier ist, kann man sich auch noch die Abfahrt von Widzew reinziehen. Schallkanone und der Bus mit den Zellen wurden in Stellung gebracht und über dem Szenario kreiste ein Hubschrauber mit Suchstrahler, was auf die Atmosphäre noch das i-Tüpfelchen setzte. So laut es nachmittags, um so gespenstisch ruhig war es nun. Kein Mucks und ziemlich zügig. Und so endete dann der Fußball-Sonntag auch irgendwann.

Fotos: Michael

 

Artikel wurde veröffentlicht am
07 September 2022

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