Old School im Volkspark Mariendorf: Eierlikörchen im Schokobecher

Old School im Volkspark Mariendorf: Eierlikörchen im Schokobecher

So, Kinder, Ihr habt die Wahl: Mit der Straßenbahn nach Schöneiche, wo Germania die Concordia empfängt. Mit der S-Bahn schön durch die Walachei nach Schönfließ, wo Fortuna Glienicke die Ahrensfelder zum Tänzchen bittet. Oder aber klassisch der kurze Sprung in den Volkspark Mariendorf, wo die Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin die TSG Neustrelitz empfängt. Mir war es gleich. In Schöneiche hätte ich gern einen befreundeten Journalisten getroffen und mich auf frisch gezapftes tschechisches Bier gefreut, in Schönfließ hätte ich Neuland betreten und zudem vielleicht ein paar mir bekannten Ahrensfeldern Hallo gesagt, bei Blau-Weiß würde es halt wieder sehr familiär werden.

Die Antwort fiel eindeutig aus. „Felix und ich wollen zu Blau-Weiß 90!“, schrieb mir Dominik kurz und bündig via WhatsApp. Allerdings stellte der jüngere Sohnemann noch eine Bedingung. Er komme nur mit zum Fußball, wenn in seinem Brötchen gleich zwei dieser leckeren Bratwürste liegen würden. Juut, das bekäme man auch noch irgendwie hin, wenngleich er als Sechsjähriger wohl kaum zwei würzige Wurstriemen verdrücken würde. 

Da Blau-Weiß 90 Berlin aktuell seine Tabellenführung in der NOFV-Oberliga verteidigen möchte, war mir das Heimspiel gegen die TSG Neustrelitz auch sehr genehm. Zumal die Anreise deutlich kürzer ausfallen würde als nach Schöneiche oder Schönfließ. Von der U-Bahn-Station Westphalweg ging es die gleichnamige Straße hinunter, bis linke Hand ein kroatisches Restaurant mit süffigem Balkan-Bier lockte. Die Sonne schien, und auf der Terrasse hatten es sich bereits sechs Blau-Weiße gemütlich gemacht. Allerdings musste für Getränke schon mal tief in die Schatulle gegriffen werden. Drei Euro für eine 0,2er Cola und ein satter Fünfer für den halben Liter kroatischen Gerstensaft sind dann doch eine deutliche Hausnummer. Aber gut, bei älteren Mariendorfer Witwen und gutbürgerlichen Ehepaaren scheint es auf die eine oder andere Kröte nicht so anzukommen. Bei Božo und Dragan kehrt man gerne ein.

 

Die 2,50 für das 0,4er Bier im Volkspark Mariendorf erschienen im Vergleich allerdings wohltuend und motivierend, zumal das kroatische Zapfgut bei weitem nicht so sämig war wie in der Erinnerung. Vielleicht sollte man dort dann doch lieber die Berliner Molle bestellen. Egal! Nun hieß es erst einmal, das Versprechen beim jüngeren Spross einzulösen. Kaum wurde die Tribüne betreten, sollten die zwei Würste kommen. Ich schickte den Größeren zum Grillstand und erklärte ihm, dass die Wurst geteilt und somit das Brötchen doppelt belegt werden solle. Hatte 1a funktioniert! Es ging Felix schließlich nicht allein um die Masse, sondern um den Anblick. Er hatte das halt mal irgendwo auf einem Video gesehen.

 

Wurst gut, alles gut? Nicht ganz! Der Ketchup kleckerte und ein Stück Wurst kullerte kurzzeitig auf den Schoß. Kein Problem für Felix, umso größer die Sorgenfalten bei seinem großen Bruder. Schließlich sei es ursprünglich sein Trikot gewesen, das Felix nun tragen durfte. Den Tränen nahe hockte er auf den Stufen, und ich wurde von anderen Zuschauern gefragt, was denn los sei. Musste nicht verstehen! Ich atmete tief durch und wollte es nicht bereuen, gleich mit beiden zum Fußball gegangen zu sein. Um es vorweg zu nehmen: Nach der kleinen Wursterei benahmen sich die Beiden top und es wurde ein wahrlich dufter Fußballtag.

 

Zu weiteren kulinarischen Genüssen komme ich später. Nun erst einmal zum Sportlichen. Ein Blick auf die Tabelle besagt folgendes. Die TSG Neustrelitz (19) hat nach dem Rostocker FC (18) die beste Abwehr der Liga. Zwar hat Blau-Weiß 90 Berlin mit 50 Toren den zweitbesten Sturm hinter dem Rostocker FC (56), doch wurde die Statistik auf dem Papier am vergangenen Samstagnachmittag Programm. Gegen Neustrelitz taten sich die Blau-Weißen vorne sehr schwer, und es wurde einfach kein probates Mittel gefunden, um das Bollwerk der Residenzstadt-Kicker zu knacken. 

 

Dass mit der TSG auch vorn zu rechnen ist, wurde gleich in der Anfangsphase deutlich, als Artur Dawid Bednarczyk über die rechte Seite für Gefahr sorgte, und das Ganze zur Ecke geklärt werden konnte. Wenig später versuchte es auf der Heimseite Rico Steinhauer aus der Distanz, und der Ball landete auf dem oberen Außennetz. Blau-Weiß 90 erhöhte nun den Druck, und es schien zu jenem Zeitpunkt nur eine Frage der Zeit, bis der Ball im Netz landen würde. Nach einer halben Stunde sorgte Gelicio Aurelio Banze für Gefahr, und von den Rängen ertönte ein „Bewegung! Zack, zack!“ Es nutzte nichts, der Ball wollte nicht rein. Mit einem Gesang wurden die blau-weißen Spieler zum Pausentee verabschiedet. 

 

Zu Beginn der zweiten Halbzeit ging der Trommelstock kaputt. Und das zum ersten Mal nach 30 Jahren! Mit einem Lachen wurde er den anderen Fans präsentiert, notdürftig repariert konnte es wenig später weitergehen. Apropos 30 Jahre. Zur Auswärtsfahrt nach Pampow wird es den ersten blau-weißen Fanbus seit 30 Jahren geben. Bock? Aber klar, ich ließ mir mal gleich zwei Plätzchen reservieren. Es wäre mir eine große Ehre, mit der alten blau-weißen Garde, die teilweise bereits Zweitligazeiten (und Erstligazeiten) erlebt hatte, im Bus nach Pampow vor den Toren Schwerins zu fahren. Das klingt nach absolutem Revival und Old School par excellence.

Die Fahrt würde so oder so stattfinden. Ganz gleich, ob der Aufstieg noch drin sei oder nicht. Ob dieser sportlich wirklich machbar sei? Gute Frage. Gegen die Neustrelitzer taten sich vor allem im zweiten Spielabschnitt die Blau-Weißen sehr schwer. Allerdings schienen die Gäste aus McPom bereits in der 75. Minute mit einem Pünktchen zufrieden und kästen sich leider allzu sehr aus, wenn der Ball für Abstöße oder Einwürfe geholt werden musste. Nicht ganz zufrieden war man auf Heimseite zudem mit dem Schiedsrichter. 

Ein Törchen sollte an jenem sonnigen Nachmittag nicht mehr fallen. Die TSG Neustrelitz rückt dem Ziel näher, die beste Abwehrbilanz der Liga aufweisen zu können. Allerdings kam auch der Rostocker FC am Sonntag wieder in Fahrt und konnte mal eben mit 3:0 bei den Amateuren des F.C. Hansa Rostock gewinnen. Was den ärgsten Verfolger Greifswalder FC betraf, so wettete ich auf ein Unentschieden auswärts in Pampow am Samstagabend. Dieses sollte es dann tatsächlich auch geben. Vor 320 Zuschauern trennte man sich am Gartenweg mit 1:1. Demzufolge hatte sich nicht allzu viel verändert, außer das der zwischenzeitlich etwas schwächelnde Rostocker FC wieder Boden gut machen konnte. Dieser kann jedoch in zwei Wochen aus eigener Kraft im Volkspark Mariendorf auf Abstand gehalten werden. Was ich zu jener Partie sagen würde, wurde ich gefragt. Keine Ahnung, der RFC sei schließlich nicht der F.C. Hansa.

 

Aber ja, auch bei den Amateuren von Hansa Rostock wird am 14. Mai noch die blau-weiße Visitenkarte abgegeben. Kurzum: Die Spiele gegen die McPom-Vertreter könnten richtungsweisend sein. Und darauf erst einmal ein Eierlikörchen! Das Leben müsse schließlich irgendwie weitergehen. Die Schokobecher wurden ausgepackt, und der Eierlikör wurde ausgeschenkt. In Kindheitserinnerungen schwelgend naschte die blau-weiße Runde auf der Dachterrasse des Volksparks Mariendorf das gelbe Zeug weg wie nischt. In teils angeknabberte Becher wurde noch einmal eingeschenkt, ohne dass der berühmte Satz aus dem Film „Der Junge muss an die frische Luft“ gesagt werden musste.

 

Wenig später wurde auf einer sonnigen Terrasse eines Imbissrestaurants über Vergangenheit und Zukunft philosophiert. Über „Sportliche Vereinigungen“ und „Spielvereinigungen“. Über eingetragene Vereine und die wichtige Rolle von Herrn Meister bei Blau-Weiß 90. Ohne ihn würde man wieder Bezirks- oder Landesliga spielen. So viel sei sicher. Am Ende sei es manch einem Älteren egal. Ob dort unten auf dem Rasen die TSG Neustrelitz oder der FC Concordia Wilhelmsruh spielt, es kämen doch immer die gleichen 100 Leute. Und das Wichtigste sei es doch, an Spieltagen all die langjährigen Freunde zu treffen. Da sei die Liga doch fast egal. Aber gut, solch ein Busreise nach Pampow habe natürlich auch etwas. Und selbstverständlich würde man sich über eine Saison in der Regionalliga Nordost freuen. Dann könnte vielleicht öfters ein Bus gebucht werden, um sicher und in der Gemeinschaft zu Chemie Leipzig und Energie Cottbus zu reisen. Wir werden sehen. Abgerechnet wird im Juni - und auf die Fahrt nach Pampow freuen wir uns so oder so!

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin

Artikel wurde veröffentlicht am
25 April 2022
Spielergebnis:
0:0
Zuschauerzahl:
150

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