1. FC Köln II vs. VfB Homberg: Franz Kremer, übernehmen Sie!

1. FC Köln II vs. VfB Homberg: Franz Kremer, übernehmen Sie!

Köln - Nachdem ich nun ein halbes Jahr artig zu Hause den Anweisungen der politischen Leitfiguren Folge geleistet habe und Corona immer noch in ungeahnten Dimensionen grassiert, wurde es jetzt mal Zeit für einen Strategiewechsel: Weg von der Einzelhaft, raus aus der Isolation, rein in das Massentransportmittel, das unter normalen Umständen teurer als eine Einzelfahrt mit dem Auto nach Köln ist. Das könnte ich jetzt schreiben, wenn ich cool wäre. Aber ich bin einfach nur ein ganz normaler Junge, der ein bisschen Fußball gucken will. Ein drohender Zahnriemenschaden bei meinem Auto zwang mich auf die Schiene und so feierte das beklemmende Gefühl, morgens um 7.46 Uhr möglicherweise schon den ersten Anschlusszug zu verpassen, ein ungeahntes Comeback.

Ich gehöre natürlich zum Pöbel und bin kein "sogenannter Experte", aber im Zug stundenlang Maske tragen, in der ganzen Kölner Innenstadt sowieso, am Klettenbergpark dann mal 10 Minuten ohne Mundschutz, beim Fußball wieder rund drei Stunden mit Maske. Ob das so eine gute Idee ist, in jeder x-beliebigen Situation mit so einem Ding im Gesicht rumzulaufen, von irgendwelchen Leuten angegeifert zu werden, wenn man seinen Gesichtserker mal lüftet und im Umkreis von 10 Metern keine Menschenseele zu sehen ist? Schnell ist so ein Teil durchfeuchtet und das, obwohl man sogar zwei Ersatzmasken im Gepäck hat. Das fördert ohne jeden Zweifel den sorglosen Umgang mit dieser Virenklette. Die Maske ist in Deutschland die heilige Kuh, aber Hysterie wird die aktuellen Probleme wohl eher nicht lösen. Was soll's, wir drehen uns im Kreis.

Mit Köln empfängt mich an diesem Samstag im April eine Stadt eingehüllt in einen dicken Trauerschleier. Bereits im Bergischen Land künden die letzten Schneereste von harten Zeiten. Ich war schon einige Male in der Domstadt und stets gipfelte der Aufenthalt in einer großen Gaudi, aber nicht nur das graue Wetter und der permanente Regen hat der Stadt den Zahn gezogen. Die wenigen Menschen auf der Straße reden nicht miteinander. Jeder geht nur schnell seiner Wege. Touristen gibt es fast gar nicht. Verständlicherweise. Und die, die sich in der Stadt tummeln, spulen ihren Betrieb im Notprogramm runter. Keine Läden sind geöffnet und wenn doch, hat man den Eingangsbereich verrammelt und einen provisorischen Tresen davorgestellt. Die Barrikade für den Hurrikan. In der Schaufensterscheibe eines Geschäfts liest man: "Alles 50% reduziert wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage". Trotz dieser Maßnahmen titelt der "Express": "Corona-Alarm in Köln - Krisenstab greift durch!". Sämtliche Widerstände sind erloschen. Vielleicht wird es doch mal Zeit für einen Strategiewechsel.

Fußball wird dennoch gespielt und das nicht zu knapp. Natürlich ist das strange, dass die Regionalliga im Westen weiterläuft. Aber angesichts dieser endzeitlichen Zustände auch wieder wohltuend. Vor dem Stadion treffe ich tatsächlich einen alten Hamburger "Kollegen" und im Ort des Begehrens mache ich die Bekanntschaft mit einem der Fotografen. "Geisterspiele", das ist wohl relativ. Mittlerweile würde ich sogar so weit gehen, dass diese Art der Durchführung auch einen gewissen Reiz mitbringt. Das Stadion liegt im letzten Zipfel der Stadt, irgendwo zwischen Autobahn und Wald, und ist ein echtes Schmuckstück mit seiner 70er-Jahre-Tribüne, dem gezackten Betondach und alten Stehplätzen, die sich rund um die Anlage ziehen. Nebenan findet man mit dem "Geißbockheim" die Geschäftsstelle des Großstadtklubs.

Im Dauerregen von Köln-Sülz geht der FC zunächst standesgemäß in Führung, ehe der akut abstiegsbedrohte Gast aus Duisburg erst ausgleicht und mit einem starken Schuss kurz vor der Pause sogar zur Halbzeitführung trifft. Nicht zuletzt angesichts der Witterungsverhältnisse gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die limitierten Gäste das Ergebnis vielleicht über die Zeit retten können. Doch dann fällt nach rund einer Stunde der Ausgleich und die Moral der Homberger ist bald gebrochen. Köln trifft noch drei weitere Male. Torschützen: Regionalliga-Legende Lucas Musculus, der pfeilschnelle Koreaner Hwang und ein junger Bursche namens Joshua Schwirten, der mit einem wunderbar platzierten Schuss in den Winkel den würdigen Schlusspunkt in dieser Partie setzt und bei dem uns auffällt, dass er in der ersten Halbzeit die ganze Zeit zwei Sitze vor uns gesessen hat.

Nach dem Abpfiff geht es wieder zügig Richtung Stadt, wo dem "Poldi"-Döner "Mangal Grill" ein Besuch abgestattet wird. Der gute Podolski hat bei seinen Dönerläden nicht mit Starkult in eigener Sache gegeizt, an dem Dürum ist auch nicht viel auszusetzen, aber der Preis von 6 Euro ist doch ziemlich happig. Naja, da bezahlt man den Namen natürlich mit und wenn ich mir schon einen Poldi-Döner gönne, wird bei seiner großen Beliebtheit der Dönerspieß in den mittlerweile vier Filialen wohl trotzdem auf eine beachtliche Drehzahl kommen. 

Zum Schluss gilt es festzuhalten, dass das natürlich alles nichts ist, im Regen durch eine fremde Stadt zu laufen, in der "Verweil-Verbote" gelten, die keinerlei legale Möglichkeiten für eine Indoor-Rast bietet. Aber jedes Wochenende zu Hause auf der Couch zu hocken, ist halt irgendwann auch keine Lösung mehr. Der Namensgeber des Stadions galt in Köln nicht umsonst als unumstrittener Präsident und wird heute als Urvater der modernen Bundesliga gefeiert. Da würde man am liebsten sagen: Franz Kremer, übernehmen Sie!

Bericht: Matthias Backhoff 

Fotos: Matthias Backhoff 

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
19 April 2021
Spielergebnis:
5:2

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Regionalliga

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