Gelbes Laub und verlorene Punkte: Polonia Berlin verliert im Wedding

Gelbes Laub und verlorene Punkte: Polonia Berlin verliert im Wedding

Kühnemann. So hieß einst in den 1980ern meine Geographielehrerin an der Polytechnischen Oberschule „Helene Weigel“. Ich hatte öfters gesammelte Mineralien und Gesteine dabei, um ihr diese in der Hofpause stolz zu zeigen. Im Gegenzug durfte ich sie zwei-, dreimal zu Hause besuchen, um ihre Reptiliensammlung im Keller bestaunen zu können. In beleuchteten Terrarien hielt sie tatsächlich etliche Echsen und Schlangen. Ein Umstand, der zu DDR-Zeiten nicht allzu normal war. Im Unterricht sprach Frau Kühnemann über die Laub- und Mischwälder Mitteleuropas und die großen Kohlereviere in der Lausitz und bei Katowice in der Volksrepublik Polen.

Über 30 Jahre später bekam ich am vergangenen Sonntag in der Kühnemannstraße in Berlin-Wedding auch viel Laub zu sehen. Gelbes Laub, orangefarbenes Laub und bräunliches Laub. Die angenehme Herbstsonne brachte das Laub an den Bäumen zum Leuchten. Und ja, hätte ich damals im Geographieunterricht ahnen können, dass ich später - viel später - eines Tages mit meinen Kindern einen Kreisligisten mit dem Namen FC Polonia Berlin unterstützen würde? Damals war die Grenze zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen geschlossen, und selbst die Frankfurter durften nicht mal eben rüber, um für einen Tag dort spazieren zu gehen. 

Mit einer Ferienlagergruppe (ORWO Wolfen / Fotochemische Werke Berlin) durfte ich im Sommer 1987 das erste Mal nach Polen reisen. Zwei Wochen Warschau, Danzig und Mikoszewo an der Weichselmündung. In den 1990ern folgten dann weitere, damals teils wahrlich abenteuerliche Reisen nach Polen, und vor 11 Jahren schlossen sich die Kreise. Polen wurde zu einem Teil der Familie - bei zahlreichen Fußballspielen habe ich nun die beiden halb-polnischen Jungs an den Händen, und die Spiele des FC Polonia Berlin gehören seit zwei, drei Jahren zum festen Programm. 

Auf dem Sportplatz in der Kühnemannstraße nahe der Panke musste die erste Mannschaft des FC Polonia Berlin bei der zweiten Vertretung des SV Nord Wedding antreten. Obwohl wir bereits Ende Oktober haben, ist die Saison noch frisch. In der Staffel 4 der Kreisliga A wurden bislang nur vier Spieltage ausgetragen, Polonia hatte eine Auszeit und somit vor dem Sonntagsspiel erst zwei Partien absolviert. Eine Niederlage und ein Sieg standen zu Buche. Nun also hopp oder top. Lang wird die Spielzeit nicht werden. Zum einen gibt es nur eine einfache Hinrunde, zum anderen darf irgendwann zu einem Zeitpunkt X wieder mit einer Unterbrechung oder gar mit einem Saisonabbruch gerechnet werden. Schnellstmöglich Punkte sammeln, ist angesagt. Zwar wird es nicht öffentlich ausgesprochen, doch ein Aufstieg in die Bezirksliga würde dem FC Polonia Berlin gut zu Gesicht stehen.

Bereits um elf Uhr vormittags wurde die Partie angepfiffen, und der Fußballtag begann erfreulich. Der Werner-Kluge-Sportplatz ist wirklich nett anzusehen, und die Stufen auf der einen Seiten sind von zahlreichen Laubbäumen eingerahmt. Im Vereinsheim wurde das erste Flaschenbier verkauft, und auf den Rängen fanden sich nach und nach erstaunlich viele Zuschauer ein. So waren es am Ende rund 60, 70 Fußballfreunde, die sich dieses Spiel anschauen wollten, mindestens 40 von ihnen drückten Polonia die Daumen. 

Auf dem Kunstrasen wurde sogleich Präsenz gezeigt. Man ging bereits nach ein, zwei Minuten auf Tuchfühlung. Es wurde eng gedeckt, die Weddinger Spieler zeigten sich ein wenig angefixt von der hohen Zahl an Gästefans. So wurde in der Anfangsphase immer wieder in Richtung Polonia-Fans gezeigt, als hätte es dort etwaige Zwischenrufe oder Provokationen gegeben. Diese gab es jedoch nicht. Die Trommel ertönte, auf Gesang wurde weitgehend verzichtet. Stichwort Auflagen des Verbands. Zudem wurde sich auf die gesamte Länge der Geraden verteilt. Erstaunlich war es wieder einmal, wen man alles traf. Letzte Woche noch bei Babelsberg II gegen Stahl Brandenburg - heute hier. Manche haben echt ein Näschen. Beim kurzen Plausch wurde klar, dass man sich am kommenden Samstag in Premnitz wieder sehen wird. Stahl Feuer! Manchmal hat es wirklich was von einem Klassentreffen.

Auf dem Platz zeigte sich der SV Nord Wedding II hoch motiviert und kam sogleich zu ersten Chancen. Polonia musste indes seine Innenverteidigung umstellen und zeigte Schwächen. Bereits nach acht Minuten konnte Tolga Günes den Gastgeber mit 1:0 in Führung bringen. Nach einer Ecke wurde der Ball nicht aus der Gefahrenzone gebracht, postwendend wurde das Spielgerät wieder in den Strafraum geflankt, aus kurzer Distanz haute Günes den Ball platziert rein. Mit der ersten echten Möglichkeit des FC Polonia bekamen die Zuschauer den Ausgleich zu sehen. Prima gab Robert Reformat vorn den Ball weiter, und Sekunden später zeigte der Schiedsrichter auf den Punkt. Foulelfmeter für Polonia, und Robert Reformat übernahm Verantwortung. Kurz überlegt und dann souverän verwandelt. 1:1 nach 17 Minuten.

In der Folgezeit spielte weiterhin Nord Wedding II besser, doch weitere Tore wollten bis zur Pause nicht fallen. Kurz nach Wiederanpfiff gab es eine eiskalte Dusche für Polonia. Man sah, dass sie mit Schmackes in die zweite Halbzeit gehen wollten, doch bereits in der 46. Minute machte Tolga Günes seine zweite Bude des Tages. Nur drei Minuten später konnte er seinen dritten Treffer des Tages erzielen und ließ sich von seinen Mitspielern feiern. Zugegeben, beide Tore waren aus neutraler Sicht hübsch anzusehen. Bei den Jungs aus Wedding passte aber wirklich auch alles an jenem Tage. So ging ein Freistoß von Soner Demiryürek maßgeschneidert knapp am Pfosten in die Maschen. 4:1 für Nord Wedding II - das Spiel schien gelaufen.

Doch abschlachten lassen wollte sich der FC Polonia nicht. So konnte in der 65. Minute Tomasz Michal Hilicki mit einem Heber den Treffer zum 2:4 erzielen. In der Folge spielte Polonia besser und kam zu teils wirklich guten Möglichkeiten. Jetzt noch ein Ding - und dann wäre wirklich was drin gewesen. Laut hallte die Trommel über den Platz, der Treffer zum 3:4 war zum Greifen nahe, doch es sollte nicht sein. Am Ende blieb es beim 4:2 für die Hausherren, und mit gedämpfter Stimmung ging es nach einem kurzen Durchatmen weiter.

So wurde um 15 Uhr noch beim Heimspiel der A Junioren des FC Polonia Berlin vorbeigeschaut. Diese spielten im „Polonia Park“ gegen den BSV Hürtürkel. Als es dort nach 45 Minuten 0:2 hieß, schien der Polonia-Tag gelaufen, doch erkämpfte sich der Polonia-Nachwuchs noch einen wichtigen Punkt. In der 88. Minute erzielte Przemyslaw Sliwicki das 2:2, zuvor hatte Jakub Bekalarek in der 76. den 1:2-Anschlusstreffer klargemacht. Na geht doch! 

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FC Polonia Berlin

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
26 Oktober 2020
Spielergebnis:
4:2
Zuschauerzahl:
70
Gästefans
50

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