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Babelsberg - „Karl Marx“ braucht Euch! Motor Suhl - steh´n die Zeichen gut?

Nicht wissen, wohin mit der in einem schlummernden Energie? Urst Bock drauf in Kürze ne Simson oder ne TeSi (MZ TS) zu erwerben? Eine hübsche Karre mit Telegabel-Schwinge! Klingt dufte? Bezahlung laut RKV. Erhöhte Schichtprämien im Zwei- und Dreischichtbetrieb. „Karl-Marx“ hatte einen Plan für die Fußballfreunde aus Babelsberg. Statt Bier saufen und rumgammeln sollte eine handfeste Zukunft gestaltet werden. Fräsen, Bohren, Schweißen und Zerspanen! Und das alles beim Alleinhersteller von Autokranen in der DDR! Der Bedarf an tüchtigen arbeitswilligen Babelsbergern war dermaßen groß, dass im Herbst 1978 das Fußball-Programm der BSG Motor Babelsberg um vier Seiten erweitert werden musste. In der Regel gab es ein einfaches Faltblatt, auf denen über die Situation vor dem Anpfiff, über die Mannschaftsaufstellungen und die Ansetzungen sowie das Sektionsleben im Fußball-Mosaik berichtet wurde.

Beim Heimspiel gegen Bergmann-Borsig Berlin am 10. September 1978 wurde indes die Gunst der Stunde genutzt, um auf den Bedarf des VEB Maschinenbau „Karl-Marx“ aufmerksam zu machen. Interessenten sollten sich bei der Abteilung Kader im Sekretariat der BBS melden. Und zwar in der Ahornstraße 28-32 in Potsdam-Babelsberg. Auch in der Gegenwart sind dort Unternehmen angesiedelt, die mit Fahrzeugen zu tun haben. Eingebunden war der VEB Maschinenbau „Karl-Marx“ im Kombinat TAKRAF (Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen), das seinen Sitz in Leipzig hatte. Am Standort Babelsberg hergestellt wurde der Autodrehkran 125. Auf Basis von Serien-LKW (wie zum Beispiel der berühmte W50) folgten zudem die Autokrane ADK 70, ADK 80 und ADK 100. 

Allerdings ging am Standort Babelsberg noch weitaus mehr! Im besagten Heft vom 10. September 1978 suchte auch der VEB Bau- und Montagekombinat Ost Betrieb Industrie Potsdam am Luftschiffhafen zahlreiche Facharbeiter in sämtlichen Bereichen. Betonbauer, Schweißer, Gerüstbauer, Klempner, Industrieanstreicher oder Stahlbauschlosser? „Kommt zu uns!“, hieß es. „Meldungen bei der Kaderabteilung!“ Dazu gab es einen Bauarbeiter, der den Leser des Heftes fröhlich anlächelte. Magdeburg galt als Stadt der Schwermaschinen (im doppelten Sinne), doch auch in Babelsberg wurde richtig feste angepackt.

Was den Fußball betrifft, so spielte die BSG Motor Babelsberg damals in der Staffel B der DDR-Liga (2. Liga). Mit ausgeglichener Bilanz ging es in die Saison 1978/79. Gegen Bergmann-Borsig sollte sich nun zeigen, wohin die Wege führen. Unter anderen mit dabei in dieser Staffel waren der Absteiger FC Vorwärts Frankfurt, der Aufsteiger Halbleiter Frankfurt, der Aufsteiger NARVA Berlin, Rotation Berlin und der PCK Schwedt. Auf der vorletzten Seite des Programmheftes ging es in der Rubrik „Rund um den Ball“ um die Regelecke. In dieser stand geschrieben, dass auch Schiedsrichter sich leistungsstark zeigen müssen. So mussten diese einmal pro Jahr einen „Cooper Test“ machen. 12 Minuten Dauerlauf, 400 Meter-Lauf, 4x10 Meter-Stafette und ein 30 Meter-Sprint standen an der Tagesordnung. 

Am vergangenen Montag bekam ich auf meiner Lesung in Schwedt einen ganzen Batzen alter Programmhefte in die Hände gedrückt. Mal keine 0815-Hefte von den großen Platzhirschen der DDR, sondern kleine Schmuckstücke der eher als graue Mäuse geltenden Vereine. So zum Beispiel auch zwei Hefte der BSG Fortschritt Bischofswerda aus der Saison 1985/86. Exakt 35 Pfennige kostete das Heft, unter dem Grußwort des Sektionsleiter war ein fettes „Dem Frieden unsere Tat!“ zu lesen. Und kiek mal einer an! Am 10. Mai 1986 gab es einen Fußballvergleich zwischen Fortschritt Bischofswerda und dem SV Darmstadt 98! Auf den anderen Seiten waren zwei schmucke schwarz-weiß-Fotos vom Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena II zu sehen. Schieman zwang Jenas Schlussmann zu einer Parade, in lupenreiner Schusshaltung zeigte sich Peter Pordzik. 

Und ja, in jedem Heft gab es etwas anderes zu bewundern. Im Heft zum Heimspiel gegen die BSG Chemie Buna-Schkopau gab es eine Reklame für einen Souvenirwimpel, der stolze 12 Mark kostete, beim Heimspiel gegen Dynamo Eisleben wurde zu Wahl am 8. Juni 1986 aufgerufen. Passend zum Spiel hieß es: „Für das dynamische Leistungswachstum unserer Volkswirtschaft, für soziale Sicherheit! Für Frieden auf der Erde und im Kosmos!"

In Neustadt in Sachsen wurden im Stadion der Landmschinenbauer am 26. September 1982 ganz herzlich die Armeefußballer aus Plauen begrüßt. Die Saison (Staffel D der DDR-Liga) war noch jung, an der Tabellenspitze grüßten Vorwärts Kamenz und Stahl Riesa. Nett zu lesen ist im Grußwort: „Für unsere Mannschaft kommt es in diesem schweren Heimspiel darauf an, den Kampfgeist wie im Spiel gegen Fortschritt Bischofswerda zu wiederholen und unserem stimmgewaltigen Anhang gute Fußballkost zu bieten.“ Stimmgewaltig! In Neustadt ging es ab!

Ebenso aus Schwedt mitgebracht hatte ich zwei Hefte von Motor Suhl aus der DDR-Liga-Saison 1986/87. In Suhl hatte es immerhin dafür gereicht, die Farbe Rot mit ins Spiel zu bringen. Und demzufolge kommt die Zeichnung auf dem Umschlag recht gut zur Geltung. Ein Spieler von Motor Suhl schirmt kraftvoll den Ball ab. „Steh´n die Zeichen gut?“, hieß es vor dem Heimspiel gegen Chemie Böhlen. Eine englische Woche stand an, nur wenige Tage später folgte bereits das Heimspiel gegen Motor Grimma. Erinnert werden sollte sich an das kämpferische Aufbegehren in der Schlussphase des vergangenen Spieljahres. In Suhl war man sich indes sicher, die Zeichen würden gut stehen. Hm ja, gegen Motor Grimma hieß es dann jedoch: „Etwas gutzumachen…“ Auch beim Fußball konnte in der DDR nicht alles nach Plan verlaufen. Immerhin: Das Bezirksligakollektiv von Motor Suhl hatte einen recht guten Start und war zu Hause noch ungeschlagen. Zudem wurde im Programmheft auf Seite 3 noch etwas gerade gerückt: „Wechselfälle! Es gibt mitunter Unverständnis auf den Rängen, wenn Spielerwechsel während des Spiels vorgenommen werden. Ursache ist dabei nicht selten die Unkenntnis der Sachlage.“

Unser letzter Blick wird auf zwei Programmhefte der BSG Stahl Riesa aus den Spielzeiten 1981/82 und 1982/83 geworfen. Am 30. August 1981 musste Stahl Riesa in der Staffel D der DDR-Liga gegen Motor Werdau ran. Gespielt wurde im Stadion der Stahlwerker Ernst Grube. „Zielstellung: Wiederaufstieg in die Oberliga!“ In Riesa liebte man Fakten. Kein „Liebe Zuschauer!“ oder „Liebe Sportfreunde!“. In Riesa sprang einen sogleich die Zielstellung der Saison ins Auge. Begrüßt wurde man jedoch trotzdem, und zwar im ersten Satz des Fließtextes. So ist das ja nicht. Ganz schön viel Kleingedrucktes im Vorwort! Man zeigte sich arg enttäuscht über den Abstieg aus der DDR-Oberliga. Auf dem Umschlag gab es ganz trotzig noch ein Foto vom Spiel gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig zu sehen. In Riesa gab es im Sommer 1981 einige personelle Umstellungen, da etliche Spieler das Alter erreicht hatten, wo man die Töppen an den bewussten Nagel hängt.

In der Tat wurde die BSG Stahl Riesa mit einem Zuschauerschnitt von knapp 4.000 Meister der Staffel D und ließ die BSG Aktivist Schwarze Pumpe, die BSG Aktivist Brieske-Senftenberg und den FSV Lokomotive Dresden locker hinter sich. Nur am Rande: Letzter wurde der Verein mit dem wundervollen Namen BSG Motor Ascota Karl-Marx-Stadt. Für Stahl Riesa kam es bitter! In der Aufstiegsrunde hatte es Riesa mit der BSG Chemie Böhlen, dem 1. FC Union Berlin, der ASG Vorwärts Stralsund und der BSG Motor Nordhausen zu tun. Über 5.200 Zuschauer verfolgten die Heimspiel von Stahl Riesa, doch in acht Partien gab es nur zwei Siege zu feiern. Chemie Böhlen und Union Berlin konnten sich durchsetzen

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13. März 1983. Heimspiel gegen Fortschritt Bischofswerda. Stahl Riesa hatte mit 12 Siegen und zwei Unentschieden bereits den Meistertitel quasi sicher, doch musste noch um eine stabile Form gerungen werden, um dieses Mal in der Aufstiegsrunde bestehen zu können. Weniger erfreulich: R. Wenzel musste sich an der Leiste und B. Fritzsche am Knie operieren lassen. Dafür umso mehr erfreulich: F. Zschiedrich und V. Hennig beendeten im April 1983 den Ehrendienst in der NVA und standen somit für die Aufstiegsspiele zur Verfügung. Gab es ein Happy End? Jaaaa! Ungeschlagen wurde die Aufstiegsrunde mit Bravour gemeistert! Gemeinsam mit der BSG Chemie Leipzig durfte der ersehnte Sprung in die DDR-Oberliga gefeiert werden. Die BSG Stahl Brandenburg, die BSG Wismut Gera und die BSG Schiffahrt/Hafen Rostock hatten damals das Nachsehen…

Fotos: Marco Bertram, "Fußballfotografie", Glenn Dawson, Los Misenas

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in der DDR

Artikel wurde veröffentlicht am
29 März 2019

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