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Kroatisches Stimmvieh? Was ist los bei TeBe? Jens Redlich steht Rede und Antwort

„Es würde mich nicht wundern, wenn der Redlich nen Ossi ist…“ Besser noch: „Man munkelt von kroatischem Stimmvieh, das herangekarrt wurde…“ Und immer wieder die Bulgaren, die kein einziges Wort Deutsch konnten und wie Falschgeld auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung von Tennis Borussia Berlin herumgestanden haben sollen. Hunderte Kommentare durften in den sozialen Netzwerken gelesen werden. Zuerst tangierte mich das Ganze kaum. Dann jedoch kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und als der „Ossi“ und das „kroatische Stimmvieh“ ins Gespräch kamen, stieg die Wut empor. Geht´s noch? Diese MV inklusive Wahl des Aufsichtsrats mag aus dem Ruder gelaufen sein und aus Sicht vieler nicht zufriedenstellend gewesen sein, doch erschloss sich mir nicht, warum ständig Bulgaren, Kroaten und letztendlich der Ossi als solches herangezogen werden mussten. Was soll einem das sagen? Dass das „dumme Balkan-Pack“ einfach nur blöde seine Stimme abgab? Dass Ossis skrupelloser sind? Ich muss schon sagen, ich wurde auf gut Deutsch gesagt immer angepisster. Irgendwann konnte ich - genau aus diesem Grund - diese ganze Heulerei nicht mehr hören, wenngleich ich die Grundproblematik durchaus verstand. Aber gut, ich wollte wissen, wie der Vorstandsvorsitzende von TeBe Jens Redlich wirklich tickt. Ich bat um ein Gespräch. Und dieses sollte in dieser Woche auch stattfinden - und es dauerte geschlagene drei Stunden!

Holen wir aber erst einmal aus. Tennis Borussia Berlin! An kaum einem anderen Fußballverein konnte ich mich so schön reiben wie an den Veilchen aus Berlin-Charlottenburg. Klar, für mich als Ost-Berliner fing das Ganze auch im Sommer 1993 an. Ich war kein Union-Fan, doch als geborener Ost-Berliner warf ich Anfang der 1990er von meiner neuen zwischenzeitlichen Wahlheimat im Rheinland stets ein genaues Auge darauf, was im Fußball-Osten so geschieht. Der F.C. Hansa Rostock in Liga eins bzw. Liga zwei dabei, der 1. FC Dynamo Dresden bis 1995 durchweg im Fußballoberhaus. Dufte! Jena und Chemnitz kämpften in Liga zwei. Aber in meiner Heimatstadt? Das große Desaster beim 1. FC Union und beim FC Berlin (BFC Dynamo). Sie kickten in den Staffeln Mitte und Nord der NOFV-Oberliga. Eine Höchststrafe! Als dann die Eisernen einen Tag nach dem DFB-Pokalfinale Hertha BSC Amateure vs. TSV Bayer 04 Leverkusen (0:1) im Juni 1993 sportlich den Aufstieg packten, war ich gemeinsam mit Karsten vor Ort in der Alten Försterei.

Gänsehaut. Feuchte Augen. Ost-Berlin war zurück. Zumindest das Rot-Weiße. Immerhin. Beim Anblick der alten leidgeplagten Kuttenträger dachte ich mir nur, ja, denen gönne ich echt den Aufstieg. Nun mussten halt andere einstige DDR-Größen wie der 1. FC Magdeburg und der BFC Dynamo in den Folgejahren nachrücken. Das wird schon! Und dann der Knall! Von Kanada aus verfolgte ich im Sommer 1993 die Tragödie. Die gefälschte Bankbürgschaft. Die Verweigerung der Lizenz von Seiten des DFB. Das Nachrücken von Tennis Borussia Berlin. Wie blöde konnte man sein? Ich glaubte nicht an die Blödheit der Union-Führung (ja, jetzt werden einige abfeiern), vielmehr vermutete ich auch Intrigen im Hintergrund. TeBe mit dem Geld in der Hand musste da einfach was gedreht haben. Wut. Grenzenlose Wut. Einfach nur Hass auf diese „West-Berliner Scheiße“. Diese Wut hielt lange an. Ich war mit im Olympiastadion, als Hertha BSC auf TeBe traf und plötzlich Union-Fans einen dritten Fanblock eröffneten und protestierten. Ich stand Ende der 90er sogar einmal auswärts mit in der Union-Kurve im Mommsenstadion. Nicht für Union, sondern einfach gegen TeBe. Was für ein Auftritt von tausenden Anhängern aus Berlin-Köpenick. Oha, da lag Spannung in der Luft! Aber so was von. Auch ich stand unten am Zaun und half dem Typen, der auf der Tartanbahn mehrmals Rad geschlagen hatte, zurück in den Block. Die Ordner zogen an den Beinen - und wir … Na, lassen wir das mal.

2005 schaute ich das Duell TeBe vs. Union noch einmal von der Haupttribüne aus. Meine persönliche Wut auf TeBe war jedoch weitgehend verflogen. Irgendwann war das Thema bei mir durch. TeBe wurde für mich ein Verein wie viele andere. Halt ein sportlicher Konkurrent. Ab jener Zeit vor allem für den BFC Dynamo. Denke ich an das Mommsenstadion, fallen mir sogleich die Auseinandersetzungen mit der Polizei ein. 2005 hatten ein paar BFC-Hools wahrlich Bock auf Stress, im Dezember 2008 war der Polizeieinsatz schlichtweg Irrsinn. Pfeffer satt und Knüppel frei für die Gästekurve. Was für eine Farce. Bemerkenswert: Auch die TeBe-Fanszene hatte im Nachfeld - als die ersten Videos online gingen - diesen Polizeieinsatz mit aller Deutlichkeit kritisiert.

In späterer Zeit kam ich mehrmals im Zuge meiner Berichterstattung mit TeBe-Fans ins Gespräch. Mir wurde klar, dass die Heimkurve wirklich eine offene Kurve war. So lange niemand auf Stress aus (und Nazi) war, wurde jeder willkommen geheißen. Zum Quatschen, auf ein Bierchen. Auch ich wurde nach einem Heimspiel gegen den 1. FC Frankfurt (Oder) in den Fancontainer eingeladen. Beim Oberligaspiel gegen den F.C. Hansa Rostock II am Ende vergangenen Jahres stand ich das erste Mal seit dem besagten üblen 2008er Freitagabend  wieder im Gästeblock des Mommsenstadions. Dieses Mal mit dem Söhnchen. Nach dem Spiel gab es draußen vor dem Stadion ein wenig Trubel mit der Polizei aufgrund der Mini-Portion Pyrotechnik, die während der zweiten Halbzeit am Zaun gezündet wurde. Glücklicherweise saß ich in jenem Moment mit dem Sohn im Casino auf einer weiteren Limo. Auch hier kam es schnell zum Plausch mit etwas älteren TeBe-Fans. Paar Tische weiter saß Jens Redlich mit den Spielern. Mitglieder aus der aktiven Fanszene ließen sich längst nicht mehr im Casino blicken. Das Tischtuch war bereits zerschnitten. Die Fans an meinem Tisch konnten oder wollten keine eindeutigen Aussagen dazu machen. Immerhin: Sportlich war bereits zu jenem Zeitpunkt TeBe auf Kurs.

Ich werde das mal im Auge behalten in der Rückrunde, dachte ich mir. Als jedoch die Wellen extrem hochschlugen, fasste ich den Entschluss, das Ganze mal selbst zu beleuchten. Zahlreiche Statements und Kommentare von Seiten der aktiven Fanszene / Opposition hatte ich bereits gelesen. Nun wollte ich hören, was Jens Redlich zu sagen habe. In Sachen Berichterstattung sprangen im Nachfeld der außerordentlichen Mitgliederversammlung deutschlandweit etliche Medien auf. Witzigerweise wurden nun von manchen TeBe-Fans, die sonst eher in Sachen Fußballberichterstattung der Meinung „Presse auf die Fresse“ sind, in sozialen Netzwerken Magazine wie Focus herangezogen und zitiert. Ich fand dies genauso lächerlich wie die Sache mit dem „kroatischen Stimmvieh“.

Also denn. Ein Termin mit Jens Redlich war schnell vereinbart. 13 Uhr in Falkensee-Finkenkrug. Für mich mit dem Zug von Südkreuz aus nur ein Katzensprung. Dass dies auch für mich kein 0815-Interviewtermin werden würde, dürfte klar sein. Die allgemeine Stimmungslage durfte ich im Netz bestaunen. Das könne eigentlich nur in die Hose gehen, dachte ich mir. Andererseits: Wie dämlich wäre es, deswegen das Ganze lieber sein zu lassen. Zu heiße Kartoffeln? Nö, von diesen hatten wir die letzten zehn Jahren genug. Angefangen beim massiven Pfefferspray-Einsatz der Polizei im Mommsenstadion im Dezember 2008. 

Also Notizen gemacht, Fragen ausgedacht und in die Regionalbahn nach Nauen gesetzt. Die letzten Meter bis zum Gasthaus ging es zu Fuß. Ich durfte an einem Laternenmast sowohl Aufkleber von Hertha BSC und der Hansa-Flotte bestaunen. Ein Blick auf die Uhr, fünf Minuten vor eins betrat ich die Lokalität. Jens Redlich war noch nicht da, dafür überraschenderweise Andreas Voigt, Geschäftsführer von Tennis Borussia Berlin. Ein Kaffee, eine Saftschorle - wir kamen schnell ins Gespräch. Thema waren das letzte Auswärtsspiel von TeBe in Staaken und die räumliche Enge des dortigen Kunstrasenplatzes. Auf solch einem Platz könne man eigentlich nicht Oberligafußballspiel spielen. Ein Abschlag - und schon landet der Ball vor dem gegnerischen Strafraum. An solche Platzmaße müsse man sich erst einmal gewöhnen. 

Kurz nach eins kam schließlich Jens Redlich dazu. Er hatte reichlich Zeit mitgebracht. Das überraschte mich. Kein Gespräch mit Druck und zwischen Tür und Angel. „Kannst mich wirklich alles fragen, Marco“, erklärte er gleich zu Beginn. Nun denn. Da im Netz fast nichts privates über ihn zu finden ist, musste die Frage des Geburtsortes gleich zu Beginn sein. Er lachte und erzählte, dass er in der Tat ein Ossi, aber noch in den 1980ern mit seinen Eltern nach West-Berlin ausgereist sei. Verbunden fühle er sich aufgrund seiner frühen Kindheit immer noch mit dem Raum Berlin-Köpenick, geprägt wurde er aber natürlich durch seine spätere Kindheit und Jugend in West-Berlin. In jungen Jahren probierte sich Jens Redlich beim Wasserball, bei der Leichtathletik (u.a. Kugelstoßen) und beim Fußball aus. In der frühen Jugend hatte er unter anderen auf dem Kleinfeld bei Tennis Borussia Berlin gespielt. Zudem war er bei den Wasserfreunden Spandau 04 und bei SW Spandau aktiv. Nach dem Abitur folgte das Studium zum Diplom-Fitnessökonom. Anfangs arbeitete er sich bei einem anderen Unternehmen hoch, später dachte er dann, hey, ich habe selber das Know-how, um solch eine Fitness-Kette aufzubauen. Gesagt, getan. Nach dem ersten Standort in Spandau sollten Dresden und einige weitere folgen. Geradeaus, konsequent, loyal und mit Herz - so baute er nach eigener Aussage sein Unternehmen auf, das inzwischen sehr rentabel sei. Parallel dazu investiert Jens Redlich sein Geld noch in andere Branchen. Wo genau? Das sei nie ein Geheimnis. Während früher bei der Treasure AG, die einst auch bei Tennis Borussia Berlin einstieg, niemand wusste, womit sie überhaupt das Geld verdiene, sei es bei ihm überhaupt kein Geheimnis, so Redlich.

„Bissel langweilig das Gespräch, oder? Bei mir kann man irgendwie nix spannendes finden…“, erklärte er lachend und bestellte erst einmal eine Runde Pils. Thema Fußball und Sponsoring - da darf es wohl das passende Getränk sein. Gut, weiter im Text. Gefragt hatten ihn bereits viele: Warum sein Engagement ausgerechnet bei TeBe? Ganz einfach, erklärte er, hier sah er viel Entwicklungspotential. TeBe sei eine Marke. Wenngleich es in der Millionenstadt Berlin nicht leicht sei, sich beim Fußball zu etablieren, so sehe er die Möglichkeit. Für das Geld könne er durchaus Trikotsponsor beim 1. FC Union Berlin (Mittelsmänner hatten bereits schon mal zaghaft angefragt), doch was würde das bringen? Jens Redlich möchte sich einbringen und aktiv mit gestalten. Das sei in der Form logischerweise bei den Eisernen nicht möglich. 

Jens Redlich betonte, dass er in den gesamten Verein sein Geld einbringe. Nicht nur in die erste Mannschaft. Und genau das erkennen die meisten Kritiker nicht. Allein 250.000 Euro seien pro Jahr für den Nachwuchs bestimmt. Die A-Junioren spielen in der Regionalliga, die B-Junioren sogar in der Bundesliga, die zweite Mannschaft steht vor dem Aufstieg in die Landesliga. Der Unterbau müsse stimmen, so Redlich. Und das koste alles Geld. Wer soll denn das Schiedsrichtergespann und die Fahrten der Junioren bezahlen? Zudem habe er in die Infrastruktur investiert. So wurde unter anderen die Geschäftsstelle renoviert. Es fehlte doch bei TeBe an allem, so Redlich. Zu gern würde er auch in den Rasen, der zur Zeit einem Kartoffelacker gleicht, investieren, doch müsse sauch die Stadt was dazu geben. Ganz allein wolle er die Kosten - auch aus Prinzip - nicht übernehmen. Gleiches gelte für die Anzeigetafel, die bei fünf Grad plus den Geist aufgibt. Es könne doch nicht sein, dass im Zuge der Modernisierung bislang alles für die Leichtathletik getan wurde, aber mitten drin der Kartoffelacker bestehen bleibe.

Ein Schluck aus dem Bierglas - und dann auf zum Kernpunkt. Der Eklat bei der Mitgliederversammlung. Was war denn nun mit den Kroaten und den Bulgaren? „Sorry, ich kann da nix zu beisteuern…“, erklärte Redlich lachend. Fakt sei jedoch, dass die Spieler im Verein aus allen möglichen Ländern kämen. Somit auch vom Balkan. Ob vor der Wahl mobil gemacht wurde? Die Opposition habe im Vorfeld damit angefangen, und zwar in Kreisen der Nachwuchsspieler. Das soll zu Teilen nicht allzu gut angekommen sein, so Redlich. Richtig klare Aussagen waren beim Gespräch nicht zu hören. Bis auf die Tatsache, dass keine Truppen vom Balkan herangekarrt wurden. Dass die Eltern all der Spieler im Verein ermutigt wurden, zur Versammlung zu gehen, liegt irgendwie auf der Hand. Gut vorstellbar, dass einige Eltern auch last minute einen Mitgliedsantrag ausgefüllt hatten. Von außen betrachtet: Für welche Kandidaten würden Spielereltern stimmen, wenn ein Hauptsponsor 250.000 Euro pro Jahr in den Nachwuchs investiert?! 

Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb der Großteil der aktiven Fanszene gar keine TeBe-Mannschaft mehr unterstützt. Statt der ersten Mannschaft könne die zweite Mannschaft oder halt ein Junioren-Team supportet werden. Nein, die Fans kehrten dem Verein vollends den Rücken zu. Eigentlich hatten die Ultras von Hannover 96 vorgemacht, wie es laufen könnte. Stattdessen ging es nun unter anderen aufs Metro-Dach. Dafür hat Jens Redlich kein Verständnis. Proteste im Stadion? Diskussionen? Ja! Aber einfach den Verein im Stich lassen? Nein! 

Und zudem: „Steine schmeißen und im Glashaus sitzen - das ist schwierig!“, legte Jens Redlich nach. „Ja, schreib das ruhig so auf!“ Man könne sich nicht vorstellen, was für Worte auf der besagten Versammlung fielen. Davon ganz abgesehen sei sein Auto zerkratzt worden. Das alles müsse doch an die Nieren gehen, fragte ich. Abends im Bett zu liegen und auf dem Smartphone all die harsche Kritik, die teils unter die Gürtellinie geht, zu lesen - das muss einen doch nahe gehen?! „Nein, tut es nicht. Ich möchte das hier bei TeBe durchziehen“, erklärte Jens Redlich. Wer habe es eigentlich versäumt, dafür zu sorgen, dass neue Mitglieder erst nach einem halben Jahre bzw. einem Jahr abstimmen können, hakte ich nach. Wer wohl? Ich soll doch einfach mal die Vorgänger fragen. Davon ganz abgesehen zeigte sich Jens Redlich von den Ereignissen auf der Mitgliederversammlung durchaus schockiert. Dass es kurz davor war, in Handgreiflichkeiten auszuarten, will er gar nicht bestreiten. Zudem sei bei Einzelnen kein sachliches Verhältnis erkennbar gewesen. Zudem soll betont werden, dass diese Opposition eben nicht die Mehrheit im Verein sei. 

Nein, es gehe ihm nicht um eine One-Man-Show, erklärte Redlich weiter. Es gehe ihm nicht darum, überall den Namen seines Unternehmens zu sehen. Das könne er bei Union auf dem Trikot haben. TeBe sei Leidenschaft. Er sei Berliner mit dem Herzen - und mit diesem Verein möchte er was bewegen. Dies könne in Zukunft nicht allein geschaffen werden. Die Regionalliga kann nicht nur das Ziel sein. Um jedoch eines Tages den Sprung in die 3. Liga zu packen, müsse richtig Geld angepackt werden. Bereits jetzt sei man auf der Suche nach weiteren Sponsoren. Gut möglich, dass recht bald ein anderes Unternehmen auf der Brust der ersten Mannschaft zu sehen sei. Man solle sich doch nix vormachen, es kommt der Tag, an dem auch über eine Ausgliederung nachgedacht werden müsse. Anders sei der Profifußball nicht zu packen. Und ja, Jens Redlich sieht es kommen, dass in Deutschland auch die 50+1-Regel fallen wird. 

Zum Thema Aufstiegsregelung ist auch Jens Redlich ganz klar der Meinung: Meister müssen aufsteigen. Der DFB habe es komplett verpennt, schon früher eine vernünftige Regelung zu finden. Vier Staffeln - vier Aufsteiger. Da führe kein Weg dran vorbei. Und ja, da müsse halt der Nordosten geteilt werden. Mein Einwand: In den 1990ern gab es bereits einmal vier Regionalliga-Staffeln, und der Nordosten hatte eine eigene Staffel. Allerdings gab es damals nur drei Aufsteiger in die 2. Bundesliga und die Meister der Staffeln Nord und Nordost mussten ein arg nervenaufreibende Aufstiegsrunde austragen. Weitere Vorschläge von Jens Redlich: Raus mit den zweiten Mannschaften aus der 3. Liga und den Regionalligen (da dürften wir wohl alle mit konform gehen) und eine Aufstockung der beiden Bundesligen auf 20 Vereine. Schließlich sei dies in England, Italien, Spanien und Frankreich auch möglich. 

„Okay, eine andere Frage. Was ist dran an den Gerüchten mit der Fusion mit dem Berliner AK?“, fragte ich mal eben aus der Kalten, um eine spontane Reaktion an seinem Gesicht ablesen zu können. Schmunzelnd drehte er sich zu Andreas Voigt, der sich bewusst zurückhielt und nur aufmerksam zuhörte, und meinte: „Längst alles in trockenen Tüchern!“ Gelächter am Tisch. Nein, im Ernst, eine Fusion wird es nicht geben, so Redlich. Er kam mit Ali Han allgemein ins Gespräch, doch eine Fusion könne es nur unter dem Namen Tennis Borussia Berlin geben, und dem würde Herr Han wohl kaum zustimmen. Zudem gingen wir bei Tisch mal einige Fälle des „Kräfte bündelns“ im Nordosten durch und fanden nicht allzu viele positive Beispiele. 1. FC Frankfurt, FC Eisenhüttenstadt, der traurige Fall in Stralsund - auf dem Weg nach oben ist derzeit keiner dieser Vereine. 

„Noch was anderes. Warum kamen Sie nie auf die Idee, ein Teil des Geldes in den SV Falkensee-Finkenkrug zu stecken?“, wollte ich nach dem zweiten Bier wissen. Echte Verwunderung bei Jens Redlich. Nein, da bestand in der Vergangenheit keinerlei Kontakt, auch wenn er seit rund zehn Jahren in der Gartenstadt wohne. Er habe eben ganz einfach den Berliner Fußball auf dem Schirm. Und es müsse schon ein Oberligist sein, der das Zeug dazu hat, nach oben zu gehen. Derzeit konzentriere er sich voll auf TeBe. „Und was waren die schönsten und negativsten Erlebnisse im Laufe der vergangenen drei Jahre bei den Veilchen?“, hakte ich nach. Einzelne Spiele könne und wolle er nicht hervorheben. Am Ende der Saison stehe das Ergebnis - und das allein zählt. Und klar, negativer Höhepunkt war die Versammlung, aber da lasse er sich nicht beirren. Aber er müsse doch auch mal Fehler gemacht haben, fragte ich ihn. Ja, einen großen Fehler habe er gemacht, so Redlich. Die Sache mit der Regenbogenfahne habe er völlig unterschätzt. Das lag zu lange auf dem Schreibtisch und er habe das Thema zu stiefmütterlich behandelt. Davon ganz abgesehen ging es aus seiner Sicht nie um die Regenbogenfahne allein, sondern um das Vereinsemblem auf der Regenbogenfahne. Er hatte immer nur die Brand-Thematik (Marke) im Kopf. Das sei ein Fehler gewesen, den er ganz klar eingesteht. 

Auf ein letztes Bier! „Du siehst eine brennende Kurve! Der erste Gedanke?“, wollte ich wissen. „Eine brennende Autobahnkurve? Löschen! Löschen! Aber im Ernst. Sieht doch gut aus! Wenn ordentlich was abgebrannt wird. Wenn mit allen Kräften die Mannschaft unterstützt wird, kann es nur gut sein. Ich mag es aber nicht, wenn zehn Leute 50 Fackeln anzünden und diese auf die Tartanbahn werfen, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen“, erklärte Jens Redlich. Die Situation sei aber leider völlig verfahren. Der DFB habe es völlig verpasst, die Gespräche weiter zu führen. Nun gebe es nur noch satte Strafen - und das könne einfach nicht sein. Ich wollte wissen, bei welchen Fanszenen er denkt, Mensch ja, das möchte man auch haben im eigenen Stadion. Die Antwort war zu erwarten gewesen. Hansa Rostock, 1. FC Magdeburg, Dynamo Dresden. Größten Respekt habe er vor allem vor dem 1. FC Union Berlin. Wie ein gallisches Dorf würden sie im Südosten Berlins bestehen. Er ziehe einfach nur den Hut, denn dort wird wirklich gehandelt. 

Zum Abschluss kam ich noch einmal auf die außerordentliche Mitgliederversammlung zu sprechen. Jetzt, nach dem dritten Bierchen, muss doch vielleicht doch was kommen. In der Tat zeigte er nun mehr Emotionen. Die MV habe ihn bestärkt weiter zu machen. Das Ganze, was dort abgelaufen sei, war abstrus. Bei manchen sei kein Verständnis von Demokratie vorhanden gewesen zu sein. Und davon ganz abgesehen, gehe es bei TeBe nicht nur um Redlich. Den Verein leiten derzeit viel mehr Leute, und er könne es beim besten Willen nicht verstehen, wie man nun den gesamten Verein boykottiere. Stattdessen mache man Trubel auf dem Metro-Dach. Das müsse man sich mal vorstellen! Was solche Menschen denken?! Er sei jederzeit zu Gesprächen bereit gewesen. Zudem wolle er noch mal betonen, die MV war für den Gesamtverein, und es gebe noch andere Abteilungen bei TeBe. Boxen zum Beispiel, um nur eine zu nennen. Und wenn Fans der Meinung sind, einen Verein selbst zu führen: Das sei in Oberliga und Regionalliga einfach nicht möglich. Wie solle das gehen, so Redlich. Zahlreiche Fans haben große Verdienste im Verein, doch eine erfolgreiche sportliche Zukunft sei nun mal nur mit Partnern möglich. Und man sei auf der Suche nach weiteren Partnern. Und wer nicht mehr ins Mommsenstadion kommen will, nun denn, er kann keinen dazu zwingen. Logisch wünsche auch er sich eine volle Fankurve, doch wird dies noch lange dauern…

Nach drei Stunden riefen die nächsten Termine. Bei Jens Redlich und Andreas Voigt - und auch bei mir. Wen ich als Staffelfavoriten sehe, wollte Jens Redlich noch wissen. Während ich überlegte, kam er mir zuvor: „Ach, ich sehe das doch schon an deinem Blick. Lichtenberg 47! Oder nicht?“ Nö, ich sehe da keine Tendenz. Und solch ein plötzlicher zwischenzeitlicher Einbruch wie bei der BSG Chemie Leipzig könne schließlich jedem passieren. Auch dem SV Lichtenberg 47. „Ach weeßte wat, wir sehen uns einfach beim Berliner Pokalfinale!“, beendete ich das Ganze und schritt in Richtung Bahnhof Falkensee-Finkenkrug.

Im Zug sitzend studierte ich die handschriftlichen Notizen. Das meiste klang plausibel. Was es mit der Mobilmachung vor der Mitgliederversammlung auf sich hatte, kann ich nur vermuten: Beide Seiten wussten, es ging um die Wurst, doch Jens Redlich hatte im Verein einfach die längeren Hebel. Allein die Eltern der ganzen Nachwuchsspieler - für wen würden sie wohl stimmen? Mehr Klarheit ins Ganze kann ich nicht bringen. Ich wollte einfach Jens Redlich kennenlernen und seine Meinungen hören. Dies soll dieser Bericht auch rüber bringen. Nicht mehr, nicht weniger. Manche mögen nun auf gut Deutsch gesagt eine „Wutlatte“ bekommen und wild schimpfen, andere werden sich einfach ein Bild machen können und mal einen etwas anderen Blick auf das Ganze bekommen…

Und eines noch: Tennis Borussia Berlin war nie mein Verein und wird nie mein Verein sein. Ich stand auf keiner Seite und werde auch in Zukunft auf keiner Seite stehen. Einst in den 90ern und zu Beginn des Jahrtausends konnte ich mich wunderbar an TeBe reiben. In jüngerer Vergangenheit betrachtete ich diesen Verein und seine Fans völlig neutral und ohne Vorbehalte. Punkt. 

Fotos: Marco Bertram, Felix, Jean Falkner

> zur turus-Fotostrecke: Tennis Borussia Berlin

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Artikel wurde veröffentlicht am
01 März 2019

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Kavenzmann
G
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schade
schade, dass du dich von redlich um den finger wickeln lässt und es noch nicht mal realisierst. bisher mochte ich deine artikel sehr, aber der hier ist ein griff ins klo.
T
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G
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Hashtag Team Melone, komm mit, wir haben gute Laune! :-D
¥M
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Nur mal so
L47 verlor heute, TEBE gewann. Gut so.
G
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C
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Irgendwie Ja, irgendwie Nein...
Hallo Marco Bertram,
danke erst einmal für die Mühe, die du auf dich genommen hast, um ein Interview zu führen und diesen Artikel zu schreiben. Eigentlich zeigt der Artikel auf, was sich hier gegenüber steht: Auf der einen Seite Jens Redlich, der vor allem gewinnen will, dem es um die Etablierung der Marke TeBe geht, der von Demokratie redet und darunter das Gewinnen von Wahlen versteht. Auf der anderen Seite die Aktiven Fans, die sich einen Verein ohne Rassismus, Homophobie usw. wünschen und die das wichtiger finden, als sportlichen Erfolg. Damit geraten sie in Konflikt mit einem Teil der anderen Fans von Tebe, die sich nicht politisch engagieren und natürlich mit einem Investor wie Jens Redlich. Was ich nicht gut finde: Dass du dich immer wieder als neutral positionierst, aber gleichzeitig das Anliegen der TBAF nicht wirklich den Aussagen von Jens Redlich gegenüberstellst. So bleibt der Eindruck eines sympathischen, offenen Gesprächs. Es bleibt der Eindruck, als ob die TBAF jetzt etwas gegen ihren Verein haben. Das ist so kaum richtig. Es geht darum, dass hier ein Investor einmal mehr die Träume von vielen beerdigt, Gentrifizierung im Fußball eben. Dass schmerzt und es ist auch nicht mit Hannover zu vergleichen: Die TBAF wollte spürbar anders sein, als jede andere Fanszene: ohne Kapo, bunt, gegen alles, was andere Menschen herabwürdigt. Und noch etwas: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung finde ich es als Ossi mittlerweile peinlich, noch von Ost und West zu sprechen und sich darauf zu berufen. Ich bin mittlerweile Fan von mehr als einem Verein in Ost und West. Und ich fühle mich nicht als "Ossi", zumal die meisten, die sich darauf berufen, fast keine Ahnung mehr haben, wie die DDR denn so war.
S
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Gut gemacht!!!
K
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