Erneut stattete ich dem Fußballverband Äthiopiens einen Besuch ab. An diesem Tag waren deutlich mehr Leute zugegen, darunter auch eine Dame mit der für mich besonders interessanten Spielübersicht des kommenden Wochenendes. Alles in amharischer Schrift, sodass die gute Frau mir alles übersetzte. Top Service. Von den Zweitligapartien riet sie mir ab, da es keine guten Stadien wären. Die Frau wusste einfach was ich will.
Hawassa Kenema FC vs. Mekele Kenema FC: Erdstufen erinnern an alte Cottbuser Zeiten
Da ich noch einige Tage raus aus der Hauptstadt wollte, sollte Hawassa mein Ziel werden. 280 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, berühmt für den angrenzenden See mit darin lebenden Nilpferden und dem Panorama verschaffenden, kleinen Stadtberg. Vom Meskel Square ging es mit einem der zahlreichen Reisebusse für umgerechnet 5 Euro auf die fünfstündige Reise. Da es im Internet keine wirkliche Auswahl hinsichtlich Hotels gab, sollte das Glück live vor Ort versucht werden. Es gibt dermaßen viele Hotels vor Ort, unfassbar. Das stellte somit gar kein Problem dar und so landete ich mit meinem temporären Mitreisenden in einem zentral gelegenen Hotel im Stile der 70er Jahre für etwa 10 Euro. Ringsum überall Bars, Cafés und Kneipen. Das gefiel mir sehr.
Dafür blieb aber vorerst keine Zeit, denn das Erstligaspiel sollte natürlich nicht ohne uns stattfinden und so richtig sicher über den Austragungsort war ich mir noch nicht. Die Dame vom Verband sagte zwar es sei das Stadion mit Kunstrasen, aber das wollte ich erst einmal abprüfen. Die Stadt gönnt sich ja immerhin den Luxus von drei recht großen Stadien. Das Hawassa University Stadium mit etwa 20.000 Plätzen, das Hawassa International Stadium mit 60.000 Plätzen und das Hawassa City Stadium mit etwa 10.000 Plätzen und Kunstrasen. Ganz schön viel Auswahl. Gespielt wurde tatsächlich im kleinsten Stadion, welches aber auch seinen Reiz hat. Nach erster Sichtung über Google Maps dachte ich noch, es würde lediglich eine kleine Tribüne geben, aber vor Ort tauchten dann auch fünf von Bäumen gesäumte Erdstufen auf den anderen Seiten auf. Das erinnerte mich ein wenig an das Stadion der Freundschaft in Cottbus, als es noch die herrlichen Eichen und die Erdstufen gab.
Tickets sollten wir uns nicht erst kaufen, wir waren nun quasi Gäste der Polizei, welche uns einlud. Eigentlich schade, da ich doch immer gern eine Eintrittskarte mein Eigen nenne. Aber das Angebot ablehnen wäre sicherlich auch nicht nett gewesen. Die Wartezeit wurde mit einer gut gewürzten Portion getrockneter Erbsen und Getreide überbrückt, was hier also die hauseigene Nervennahrung darstellt.
Das Stadion füllte sich auch hier sehr gut. Der Zenit wurde aber erst zur Halbzeit erreicht. Mit etwa 6.500 Zuschauern ein würdiger Rahmen und aus dem etwa 1.100km entfernten Mekele, unweit der Landesgrenze zu Eritrea, hatten ebenfalls 200 Leute den Weg ins Stadion gefunden. Ob nun angereist oder in der Region lebend, bleibt allerdings ungewiss. Die Gesänge und Rhythmen der Fans gingen wieder gut ins Ohr und machten echt Spaß. Ich hatte zum äthiopischen Fandasein im Vorfeld überhaupt keine Erwartungen, aber ich kann nur meine Begeisterung ausdrücken. Das macht schon echt Spaß, den Fans zuzusehen und zuzuhören. In Hawassa wirkte es auch etwas weniger organisiert als bei den Fans von Saint George bei meinem ersten Spielbesuch. Lediglich die sportliche Qualität ist etwas mager, aber immerhin fiel auch hier noch ein Tor. Die Heimfans hatten daran zwar wenig Freude und waren am Ende auch etwas sauer, was man deren provokanten Gestiken den Gästen gegenüber entnehmen konnte.
Der Abend wurde dann in den Bars und Clubs der Stadt bei jeder Menge Bier verlebt, was auch ein Erlebnis ist. Insbesondere die kleinen Clubs haben ihren speziellen und ehrlichen Charme. In den hippen und exklusiv wirkenden Bars fühlten wir uns nicht ganz so wohl, was auch daran lag, dass man uns nicht wirklich bedienen wollte. Vielleicht war es aus Angst vor der Kommunikation, aber ich sag mal so, zum Bier bestellen braucht man eigentlich keine verbale Kommunikation.
Fußball in Äthiopien? Ich bleibe dabei, absolut empfehlenswert!
Fotos: Marcel Hartmann