Sparta Lichtenberg vs. Lichtenberg 47: Das Derby in Vergangenheit und Gegenwart

Sparta Lichtenberg vs. Lichtenberg 47: Das Derby in Vergangenheit und Gegenwart

Die WM 2006 war bereits in Sichtweite, als am 14. Mai 2006 in der Verbandsliga Berlin der SV Lichtenberg 47 auf den SV Sparta Lichtenberg 1911 traf. Etwas überraschend konnte Sparta die Partie im Zoschke-Stadion mit 3:1 für sich entscheiden, das Hinspiel auf dem legendären Sportplatz Kynaststraße am Ostkreuz ging am 20. November 2005 1:1 aus. Am Ende jener Spielzeit trennten sich vorerst die Wege der beiden Lichtenberger Rivalen. Sparta stieg in die Landesliga ab, und als im Frühjahr 2013 die zwischenzeitliche Rückkehr in die Berlin-Liga geglückt war, spielte der SV Lichtenberg 47 bereits eine Saison in der NOFV-Oberliga Nord.

Nachdem Sparta von 2015 bis 2017 nochmals mit der Landesliga vorlieb nehmen musste, glückte am Ende der Saison 2016/17 der Sprung in die Berlin-Liga, in der sich nun fortan etabliert wurde. Während die 47er von 2019 bis 2023 sogar in der Regionalliga Nordost das runde Leder rollen ließen, peilte Sparta den Aufstieg in die Oberliga an. Mit sechs Punkten Vorsprung vor dem Berliner SC und Stern 1900 glückte in der zurückliegenden Spielzeit endlich der lang ersehnte Sprung nach oben. Pech hatte indes Lichtenberg 47, das denkbar knapp - am Ende war der Nicht-Aufstieg von Energie Cottbus gegen Unterhaching mit entscheidend - in die NOFV-Oberliga abstieg.

Nun also spielen Sparta und Lichtenberg 47 wieder gemeinsam in einer Liga - und am vergangenen Sonntag kam es auf dem Sportplatz Fischerstraße zu einem ersten mit großer Spannung erwarteten Stelldichein in der Nord-Staffel der NOFV-Oberliga. Bevor wir uns jedoch der Gegenwart widmen, werfen wir einen Blick zurück auf vergangene Zeiten. Folgend ein paar Auszüge aus der von mir verfassten „SV Sparta Lichtenberg 1911 Fußballfibel“, die im vergangenen Jahr anlässlich des 111. Geburtstages des einstigen Arbeitersport-Vereins herauskam.

Zunächst ein Blick auf die frühen 50er:

Zu Beginn der Saison 1952/53 wurde aus der Landesklasse die Bezirksliga Berlin, in welcher auch der spätere Meister BSG Chemie Rüdersdorf spielen durfte. Mit dabei war auch der Lokalrivale SG Lichtenberg 47. Richtig krachen ließen es beide Lichtenberger Vereine am 26. Oktober 1952 im Stadion in der Normannenstraße. Die Idee, dort eine Doppelveranstaltung stattfinden zu lassen, war brillant. Rund 6.000 Zuschauer strömten auf die Ränge und bekamen zwei Heimsiege zu sehen. Zuerst schlug Sparta Lichtenberg den ASV Weißensee mit 4:0, danach putzte Lichtenberg 47 die BSG Chemie Rüdersdorf mit 7:1 weg. Eine ähnlich große Kulisse gab es an gleicher Stelle am 30. November 1952, als es dort zum Spitzenspiel zwischen den 47ern und Sparta kam. Wolf Hempel von der Fußballwoche berichtete über das Bezirksduell, das nach der 2:0-Führung von Sparta noch 4:2 für Lichtenberg 47 ausging, sehr ausführlich: 

Seit Wochen erwartet die Lichtenberger Fußballgemeinde das Aufeinandertreffen der beiden Spitzenreiter in der Bezirksliga. Den 6.000 Zuschauern stellten sich am 4. Geburtstag unseres Magistrats von Groß-Berlin in dem schönen Stadion an der Normannenstraße beide Vertretungen in bester körperlicher und technischer Verfassung vor.  … Die gefährliche rechte Angriffsseite Glaubitz – Klepsch zu halten, gelang den Spartanern in der ersten Halbzeit vortrefflich. Somit war das größte Gefahrenmoment beseitigt und, von dem rechten Läufer Penkuhn gut in Szene gesetzt, legten sie ein trickreiches und ideenvolles Sturmspiel hin. Ohne Stockung rollte der Ball durch die rot-weißen Reihen. Wie umgewandelt erschien der Gastgeber zur zweiten Halbzeit. Alle Tändeleien abstreifend, schnürten sie die Gäste im Strafraum ein. Kämpferischer Einsatz, Kraft und Ausdauer zeichnete alle fünf Stürmer aus. Sie waren kaum noch zu halten und schossen aus allen Lagen. Eindeutig ließ Sparta sich das Spiel aufdiktieren und löste sich erst Mitte der zweiten Halbzeit aus der Umklammerung. Aber den Angriffen fehlte der Schwung. Hinzu kam die klaffende Lücke zwischen dem Sturm und der Läuferreihe, die in der Verteidigungsarbeit aufging. Das Stopperduell Wauge gegen Becker fiel zu Spartas Gunsten aus. … Alles in allem hatte die schnellere, taktisch bessere Mannschaft das Spiel gewonnen, nicht zuletzt auf Grund des guten Stürmerquintetts. 

Auch das Rückspiel wurde – sicherlich aus Kapazitätsgründen – am 23. Juli 1953 auf dem grünen Rasen von Lichtenberg 47 ausgetragen. Dieses Mal konnte Sparta Lichtenberg mit 3:2 die Nase vorn behalten, und in der FuWo waren folgende Zeilen zu lesen: 

Lokalderby. Welcher Reiz liegt in diesem einem Wort. Und doch schien es bei der Begegnung 47 – Sparta ob des unterschiedlichen Tabellenstandes an Anziehungskraft eingebüßt zu haben, wie es die Besucherzahl besagt. Die Sparta-Anhänger, die schon von vornherein zwei Minuspunkte notiert hatten und am warmen Ofen blieben, werden wohl nur sehr selten eine so großartige kämpferische Leistung von ihrer Mannschaft gesehen haben. Obwohl sie auf den erkrankten Mittelläufer Dollhardt verzichten mußten, war gerade die Abwehr der stärkste Mannschaftsteil, wobei gerade Langhanke und Torwart Thiele vielleicht ihr bestes Spiel in diesem Jahr bestritten. 

Die folgende Saison 1953/54 wurde Sparta Lichtenberg nur Elfter und musste gemeinsam mit der SG Blau-Weiß Weißensee und der SG Grün-Weiß Baumschulenweg in die Bezirksklasse absteigen. Am 4. Juli 1954 standen sich im Hans-Zoschke-Stadion in der Normannenstraße die SG Lichtenberg 47 und Sparta Lichtenberg im Endspiel des Lichtenberger Fußballpokals gegenüber. Vor rund 2.000 Zuschauern behielten die 47er mit 2:0 die Oberhand, und die Stürmer von Lichtenberg 47 hätten noch mehr Treffer erzielen können, wenn sie sich nicht „offenbar noch in Urlaubsstimmung“ befunden hätten. 

Die zweite Zeitreise führt zurück in die 1980er Jahre:

Zwar konnte 1980/81 nicht an die gute Leistung der Vorsaison angeknüpft werden, doch konnte mit 29:35 Punkten und Rang neun locker die Klasse gehalten werden. Meister wurde EAB Lichtenberg 47, das somit in die DDR-Liga aufstieg. Umso überraschender erscheint es, dass am 1. Dezember 1980 die BSG Sparta Berlin mal eben das Duell bei Lichtenberg 47 mit sage und schreibe 5:0 gewinnen konnte! Wenig später wurde auch der andere Lokalrivale SG Dynamo Lichtenberg an der Kynaststraße auf Schneematsch mit 3:1 verputzt. Am Ende der Saison erhielt Horst Krzyszka für die langjährigen Verdienste um den Berliner Fußballsport die silberne Ehrennadel des DFV der DDR überreicht. 

Spektakulär begann die Spielzeit 1981/82, indem zuerst gegen die BSG Luftfahrt 3:3 und anschließend bei Dynamo Lichtenberg 5:5 gespielt wurde. Mit 30:30 Punkten wurde Sparta am Ende der Saison Tabellensiebter. In der folgenden Saison hatte es Sparta mal wieder mit dem Lokalrivalen EAB Lichtenberg 47 zu tun, der aus der DDR-Liga abgestiegen war. Am 2. Oktober 1982 strömten immerhin 600 Zuschauer auf den Sportplatz Kynaststraße, und mit einem 3:1-Sieg unterstrichen die 47er den Willen, am Ende der Saison gleich wieder aufsteigen zu wollen. Auch das Rückspiel am 26. Februar 1983 verlor die BSG Sparta Berlin bei den nördlichen Nachbarn, dieses Mal mit 1:2. Lichtenberg 47 stieg wieder in die DDR-Liga auf, Sparta wurde mit wieder ausgeglichener Bilanz Tabellenachter. 

Kommen wir nun auf die Gegenwart zu sprechen. 24. September 2023. Im Vorfeld rechnete man bei Sparta mit rund 800 bis 900 Zuschauern, und am Ende sollten es tatsächlich so viele Fußballfreunde sein, die bei schönstem Sonnenschein Ihr Stelldichein auf der 2007 gebauten Sportanlage Fischerstraße gaben. Zu den 726 zahlenden Zuschauern kamen rund 150 Sparta-Mitglieder, die freien Eintritt bekamen. Zudem kam noch das eine oder andere wuselnde Kind hinzu, das an jenem Tage seinen Spaß hatte. Mein kleinerer Sohn war ebenso mit von der Partie und sicherte sich sogleich die Holzbank unter der Überdachung direkt hinter dem Tor.

Kritisch beäugte er das Warmschießen der jeweiligen Torhüter und kam zum Entschluss, dass die 47er in Schwarz einen besseren Eindruck machten. Abwarten, erklärte, ich. Beide Mannschaften kamen prima in die Saison - immerhin war dies ein Duell zwischen dem Tabellendritten und dem Tabellenzweiten. Jut, Felix machte es sich bei einer Cola gemütlich, während ich eine Runde drehte und Fotos anfertigte. Zwischendurch musste ich allerdings auf eine Runde Uno auf der Bank vorbeischauen.

Nach dem Einlaufen der beiden Mannschaften hatten noch gar nicht alle Zuschauer den Blick auf den Rasen gerichtet, da zappelte bereits der Ball im Sparta-Gehäuse. Nach nicht einmal einer Minute konnte Gabriel Figurski Vieira zum 1:0 für Lichtenberg 47 vollenden, und der Gästeanhang samt Fahnen und Banner jubelte lautstark. Aus gehöriger Distanz hatte Gabriel Figurski Vieira in den rechten Winkel geschlenzt. Im direkten Gegenzug hatte Sparta fast die passende Antwort parat, doch 47-Torwart Niklas Wollert war zur Stelle.

In siebten Minute folgte bereits das 2:0 für Lichtenberg 47! Sebastian Reiniger war zur Stelle und brachte den Ball im leeren Gehäuse - Sparta-Keeper Martin Gromotka musste zuvor versuchen allein auf weiter Flur zu retten - unter. Es roch nach einer deutlichen Klatsche für Sparta. Ein 6:0 oder 7:0 für Lichtenberg 47? Aus neutraler Sicht wünschte man sich ein spannendes Duell. Und dieses sollten die rund 900 Zuschauer auch bekommen! Ich saß gerade bei meinem Söhnchen und hatte den passenden Riecher. Videofunktion auf dem Handy an - in der 18. Minute konnte Milos Dujkovic einen Freistoß unter. Großer Jubel an der Fischerstraße - 1:2 für den SV Sparta Lichtenberg 1911! Links unten schlug der Ball neben dem Pfosten ein. Ein feines Ding!

In der Folge kamen die favorisierten 47 zu teils hochkarätigen Möglichkeiten, doch Sparta schlug sich wacker und legten vollen Einsatz in die Waagschale. Ruppiger zu ging es im zweiten Spielabschnitt, nach Gelb-Rot für Dujkovic musste Sparta die letzte Viertelstunde in Unterzahl über die Bühne bringen. Am Ende warf Sparta noch einmal alles nach vorn, doch das passende Rezept für den Ausgleich gab es nicht. Am Ende verdient ging Lichtenberg 47 vom Platz, doch ganz gewiss konnte auch Sparta mit erhobenem Haupt aus der Partie gehen.

Tolles Wetter, eine klasse Kulisse, viel Gastfreundlichkeit und ein spannendes Duell - dieses Lichtenberger Derby hat in jedem Fall sehr viel Freude bereitet und hatte beste Werbung für den Lichtenberger Fußball gemacht!

Info zum Autor: Marco Bertram wurde 1973 in Berlin-Lichtenberg geboren und geht seit 33 Jahren Woche für Woche zum Fußball. Seit 2008 betreibt er gemeinsam mit Karsten das Onlinemagazin turus.net. Er veröffentlichte zahlreiche Fußballbücher- und Fibeln, zuletzt „Kaperfahrten – Mit der Kogge durch stürmische See“ die „Vorwärts Berlin/Frankfurt (Oder) Fußballfibel“ und die „SV Sparta Lichtenberg 1911 Fußballfibel. Zum Stadtbezirk Lichtenberg hat er eine enge Beziehung, seine Großeltern lebten in Berlin-Friedrichsfelde. Das legendäre Freundschaftsspiel gegen Hansa Rostock im Sommer 2015 rückte den SV Sparta erstmals in seinen persönlichen Fokus. 

Bestellmöglichkeiten der Bücher: www.marco-bertram.de

Fotos: Marco Bertram

> weitere Impressionen in der turus-Fotostrecke

Stadionname:
  • Sportplatz Fischerstraße
Artikel wurde veröffentlicht am
26 September 2023
Spielergebnis:
1:2
Zuschauerzahl:
900

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Oberliga

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GEGEN HEINEKEN!!
R
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O
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G
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G
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