Sich perfekt in Szene setzen - dass das österreichische Unternehmen dies drauf hat, wurde in den letzten Jahren unter Beweis gestellt. Zuerst bei den verschiedensten Extremsportarten, und nun auch beim Fußball. Jemand hatte das Konzept / Ziel des Unternehmens mal sehr gut auf den Punkt gebracht. Es geht nicht allein um den Verkauf von taurinhaltiger Limonade - es geht um die Stärkung / die Positionierung der Marke „Red Bull“. Weltweit soll Red Bull in einem Atemzug mit den anderen Mega-Marken „apple“ und „google“ genannt werden. Um das zu erreichen, wurde seit Beginn der 1990er Jahre eine Werbekampagne nach der anderen aufgezogen. Im Prinzip ist es abstrakt. Man lässt Extremsportler Klippen, Gebäude und Abhänge hinunterspringen oder auf gigantischen Wellen reiten, nicht allein um des Sportes Willen, und auch nicht allein, um den Verkauf der Getränke anzukurbeln, sondern um eine der bekanntesten Marken der Welt zu festigen. Aber ja, das war bereits im Alten Rom verinnerlicht worden. Nicht allein das Geld, welches haufenweise in Tresoren und Schatztruhen lagert, macht glücklich. Und auch nicht das exzessive Ausgeben des Geldes in Form von etwaigen bezahlten Sexorgien, gigantischen ausufernden Partys und des sonstigen Lebens in Saus und Braus. Luxus wird schnell zur Gewohnheit. Luxus und Reichtum können langweilig und öde werden. Macht und Ruhm - das kann die Krönung sein. Die größte Bereicherung, die größte Befriedigung schlechthin. Und um auf die Marke zurückzukommen: Bei welcher Sportart könnten weltweit Millionen - und wenn es in der Champions League gut läuft sogar Milliarden - Menschen erreicht werden? Beim Fußball! Und bei diesem steht die deutsche Bundesliga gemeinsam mit der englischen Premier League und der spanischen Primera División ganz vorn.
Aufstieg von RB Leipzig: Perfekte Werbekampagnen von Red Bull - nicht mehr, nicht weniger
HotAlso ran an den Speck! Es war nur eine Frage der Zeit bis Red Bull in der deutschen Fußball-Landschaft einen Klub - der Begriff „Verein“ ist wohl fehl am Platze - oder besser gesagt eine Kapitalgesellschaft positioniert. Über den Werdegang von RasenBallsport Leipzig muss nicht noch einmal seitenlang geschrieben werden, auch wenn manche Dinge immer noch extrem ärgern. Verdammt noch mal, es geht nicht darum, dass Red Bull zig Millionen in eine Fußballmannschaft steckt und diese nach oben katapultieren möchte. Das machen andere Unternehmen auch. Anders funktioniert das Geschäft schließlich nicht. Bei einem Drittligisten mag ein aus regionalen Firmen bestehender Pool das Budget noch abdecken können, bei einem Spitzenclub wird indes bekanntlich mit anderen Summen hantiert, so dass Weltunternehmen wie VW und Allianz schon mal tief in die Schatullen greifen müssen. Der Punkt, der verdammt ärgerlich ist, ist jener, dass im Fall RasenBallsport Leipzig von Beginn an ganz dreist einfach nur die Marke Red Bull positioniert wurde. Dass das Logo anfangs beim sächsischen Verband und später auch beim DFB durchging, ist eine Farce. Die geforderten Änderungen waren wohl eher ein Witz. Ob die gelbe Kugel / Sonne nun ein Fußball ist, dürfte dem Unternehmen nicht weiter stören. Wichtig ist: Die beiden roten Bullen sind gut platziert. Und darum geht es schließlich, die „Roten Bullen“ sollen auch beim Fußball in aller Munde und in aller Auge sein.
Es ist das Quentchen, mit dem über das Ziel hinausgeschossen wurde, das mich ganz persönlich ärgert. Mit dem „RB = RasenBallsport (in Gedanken Red Bull)“ hätte man noch leben können. Mit den Vereinsfarben - nun ja. Wohl notgedrungen auch. Mit dem in Red Bull Arena umbenannten Leipziger Zentralstadion auch. Hätte keine Krähe nach gekräht. Dafür gibt es in Deutschland einfach zu viele Arenen und Stadien, die einen Firmennamen tragen. Bei der fragwürdigen Mitglieder-Struktur und dem Logo hätte man den Riegel vorschieben müssen. Bis hierhin und nicht weiter. Ein Zeichen setzen. Und das nicht allein für Red Bull, sondern ganz allgemein. So wie es in Deutschland auf absehbare Zeit keine Werbung auf dem Hintern eines Fußballprofis geben wird, so soll es auch nicht solch ein Logo geben. (Den Sonderfall Bayer 04 Leverkusen müssen wir hier nicht weiter besprechen.)
Nun ist RasenBallsport Leipzig aufgestiegen. Der Stadt ist Erstligafußball zu gönnen, und grundsätzlich ist es eine feine Sache, dass nun wieder Vereine wie Borussia Dortmund und der 1. FC Köln in der Messestadt vorbeischauen. Klar ist, dass die Diskussionen in den sozialen Netzwerken wieder mächtig anliefen. Die einen winken sowieso gleich ab und gehen auf keine Gespräche ein und meinen einfach nur: „Red Bull ist scheiße!“ Die anderen jammern, dass wieder „die ganzen Hater antrollen“. Ach Mensch, die Jungs haben sich doch den Aufstieg verdient, meinen vielen. Ja, haben sie auch. Die "Jungs" sind Profis, werden gut bezahlt und haben ihren Job gemacht. Daran kann man nichts aussetzen. Spieler kommen und gehen, und manch ein Fußballprofi wird in den kommenden Jahren am gut gefüllten süßen Napf naschen. Immer wieder wird vom „Neid“ gesprochen. Neid?! Auf was? Dass Leipzig nun einen Erstligisten hat? Es geht hier nicht um Neid.
Es geht um die Tatsache, dass in diesem Fall der Fußball zum Instrument wird, auch wenn die einzelnen Spieler ihre eigenen sportlichen Anreize haben. Im Ganzen geht es jedoch, wie eingangs angesprochen, einzig und allein um die Positionierung und Stärkung der Marke. Jeder Extremsportler ist austauschbar. Jeder Fußballprofi ist austauschbar. Und notfalls ist auch der einzelne Fan austauschbar. Und im Härtefall wäre auch der Standort austauschbar gewesen. Hätte sich der sächsische Verband in den Anfangstagen quergestellt, wäre Red Bull in eine andere Stadt gezogen. Davon ganz abgesehen ist die Stadt der perfekte Standort. Kein Wunder, dass man vor der Markranstädter Zeit ganz energisch am FC Sachsen Leipzig dran war.
Himmel sei Dank blieben die Fans damals in Leipzig-Leutzsch konsequent und ließen die Übernahme nicht zu. Als BSG Chemie Leipzig gibt es in unteren Gefilden nun eine hübsche Nische, bei der Leipziger Freunde eine andere Fußballwelt erleben dürfen. Wenn sie denn wollen. Und ja, glücklicherweise gibt es auch den 1. FC Lokomotive Leipzig, der diverse Rückschläge verkraftet hat und nun auf dem Weg in die Regionalliga ist. Die Loksche im Bruno-Plache-Stadion gegen den FC Carl Zeiss Jena und den BFC Dynamo. Die Ränge werden gut gefüllt sein. Auch hier darf eine andere Fußballluft eingeatmet werden.
Wem allein das Geschehen auf dem Rasen interessiert und sich im Fernsehen jede Konferenz reinzieht, der kann auch ganz kuschelig in der Red Bull Arena konsumieren gehen. Es steht doch außer Frage, dass der Bedarf an Unterhaltung groß ist. Ohne diesen Bedarf würden Fernsehen (wir sprechen jetzt mal nicht von den Dokus auf arte und zdf info) und die Kino-Industrie doch nicht funktionieren. Seien wir doch ehrlich, in der 1. Bundesliga wird doch seit Jahren im großen Maße konsumiert. Die Pfiffe von der Haupttribüne beim zurückliegenden Heimspiel des Bundesligaaufsteigers SC Freiburg sprechen doch Bände. Bleibt die Unterhaltung mal für 30 Minuten aus, wird der Kunde schon mal murrig. Aber bei RasenBallsport Leipzig wird man schon wissen, wie man das Publikum bei Laune hält. Und dass Red Bull Kampagnen großartig (aus Sicht von ganz außen) aufziehen kann, durfte zuletzt bestaunt werden, als der Aufstieg in trockenen Tüchern war. „Wir sind eins!“ Der Leipziger Hauptbahnhof und zahlreiche andere große Gebäude der Stadt wurden angestrahlt. Leuchteten in den Farben Rot und Weiß. Und überall zu sehen die beiden Roten Bullen. Von dieser Inszenierung würde manch ein anderes Weltunternehmen wirklich träumen. Wenn Red Bull eine Sache wirklich perfektioniert hat, dann ist es genau dieser Punkt.
Was bleibt? Eine gewisse Neugier, wie sich RasenBallsport im Fußballoberhaus schlagen wird. Welche Fanszenen werden Aktionen starten, welche Fanszenen werden die Auswärtsspiele in Leipzig boykottieren? Wie wird sich die Anhängerschaft der „Roten Bullen“ verändern / entwickeln? Wann wird auswärts die erste Fackel brennen? Wie wird Red Bull mit unliebsamen Strömungen in der eigenen Kurve umgehen? Was wird passieren, wenn das sportliche Gefüge mal nicht stimmen sollte? Wenn es - wie im Fall TSG 1899 Hoffenheim - mit dem Angriff auf die CL-Plätze doch nicht klappen sollte? Denn eins ist klar, die Bundesliga soll das Sprungbrett sein. Was mit Red Bull Salzburg in all den letzten Jahren auf äußerst kuriose Art und Weise einfach nicht klappen wollte (da konnte nur der Fußballgott im Spiel gewesen sein), soll nun mit Leipzig in naher Zukunft gelingen. Rein in die Champions League! Und zwar nicht allein des Geldes wegen, sondern um mit Hilfe des Spitzenfußballs die Marke auch über die Grenzen Europa hinaus noch bekannter zu machen. O meu Deus. ist das surreal, wenn man bedenkt, was das Unternehmen Red Bull eigentlich produziert …
Fotos: Felix, Marco Bertram, Claude Rapp, Glenn Dawson
Ligen
- 1. Bundesliga
- 2. Bundesliga
Benutzer-Kommentare
Dennoch steuere ich mal ein paar Anregungen zum Nachdenken bei:
Was macht wohl mehr Spaß, ein langfristig angelegtes Projekt (z.B. inklusive Jugendleistungszentrum für 30 Mlionen Euro) zu realisieren oder als Vorstand/Geschäftsführer/Trainer als Spielzeug für einen Scheich (z.B. München 1860) oder Oligarchen (z.B. Chelsea) zu dienen?
Wo ist der gravierende Unterschied zum Beispiel zu VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen, abgesehen vom Alter des Klubs?
Was macht Herr Kind eigentlich mit Hannover 96?
Zum Thema Klubfinanzierung: Ob sich die Fans des FC Kaiserslautern wohl sicher sind, dass sie ihr Geld aus der Fananleihe jemals wiederbekommen? Insgesamt 6 Millionen hat der Verein mit einem Versprechen von fünf Prozent Zinsen eingesammelt, wo sie geblieben sind, ist selbst dem neuen Finanzvorstand noch ein Rätsel. Tradition und Seriosität?
Und gleich noch zum Thema Tradition: Kann man einem neugeborenen Kind vorwerfen, es habe keine Tradition?
Und zum Thema "Auch hier darf eine andere Fußballluft eingeatmet werden" empfehle ich unter anderem die Lektüre der Leipziger Volkszeitung: Die Loksche sagt aus Angst vor Ausschreitungen ein Lokalderby lieber vorher ab und das Sachsenpokalfinale der Traditionsklubs aus Aue und Zwickau endet mit einem Polizeieinsatz. Auf diese Fußballluft lässt sich gut verzichten.
Und natürlich Angst, dass das West-Fußball-Kartell zerrissen wird und es auf einmal eng am Honigtopf wird...
Profifußball ist Business und Business ist Geld. Sehr viel Geld. Ist seit 1990 so und das mussten auch die Ossis in schmerzhaften Anpassungsprozessen lernen. Und das dürfen jetzt auch die Platzhirsche erleben.