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Nõmme Kalju vs. F91 Dudelange: Geplatzter estnischer Europapokaltraum

Die Qualifikationsrunden für die europäischen Wettbewerbe bürgen ja immer eine Menge Highlight-Potenzial, wenn zum Beispiel eine georgische Spitzenmannschaft den Meister der Färöer Inseln empfängt oder der finnische Meisterschaftsdritte auf den Vierten der weißrussischen Premier League trifft. Und wenn man sich gerade sowieso aus anderen Gründen in der Hauptstadt Estlands befindet, lohnt ein Blick auf die Spielpläne der heimischen Mannschaften, um kein solches Highlight zu verpassen.

Kürzlich hatte Flora Tallinn, der letztjährige Drittplatzierte der estnischen Meistriliga, Eintracht Frankfurt in der Europa League-Qualifikation zu Gast. Und Nõmme Kalju, der letzte estnische Meister, traf in der Champions League-Qualifikation auf Celtic Glasgow. Da muss dieser Tage doch auch was gehen in Tallinn. 

Und es geht tatsächlich was. Europa League-Qualifikation. Nõmme Kalju empfängt den luxemburgischen Meister der Vorsaison. F91 Dudelange ist nach einem 3:1-Sieg im Hinspiel zu Gast. Wenn das mal nicht nach Hexenkessel und Spannung pur schreit. 

 

Immerhin hatte man in der letzten Saison öfter mal von Dudelange gehört, denn es war die erste luxemburgische Mannschaft, die die Gruppenphase in der Europa League erreichte und nach Mailand, Sevilla und Athen fahren konnte. 

Am Tag vor dem Spiel wollen wir am Stadion Eintrittskarten kaufen, weil diese im Vorverkauf ein paar Euro günstiger sein sollen als an der Abendkasse. Zwar gibt es keinen offenen Ticketschalter - eigentlich gibt es gar keinen Ticketschalter - aber ein netter Herr im blauen Pullover des Eesti Jalgpalli Liit, dem estnischen Fußballverband, kann weiterhelfen. Im Einkaufszentrum nebenan gibt es einen großen Supermarkt. Dort sollen wir mal am Infoschalter nachfragen. 

Aus diesem Supermarkt kommen wir gerade, aber einen Hinweis auf einen Kartenverkauf oder darauf, dass Nõmme Kalju überhaupt existiert, haben wir nicht gesehen. Stattdessen: ausschließlich Werbung für den Stadtrivalen Flora Tallinn. 

 

Eine Nachfrage beim zuständigen Mitarbeiter ergibt tatsächlich ein positives Ergebnis und wir bekommen unsere Eintrittskarten für ziemlich zentrale Plätze in der dritten Reihe für einen schlappen Zehner. 

Am nächsten Abend geht es also mit dem Fahrrad zum Stadion, das den Namen einer großen estnischen Brauerei trägt, ansonsten aber auch unter dem Namen Lilleküla staadion bekannt ist, 15.000 Zuschauer fasst und damit das größte Stadion Estlands ist. Im Grunde ist es für beide Mannschaften ein Auswärtsspiel, denn Nõmme Kalju trägt seine Heimspiele für gewöhnlich im Hiiu Stadion aus, wo es 500 Plätze gibt.

 

Mit 1.202 Zuschauern finden heute fast zweieinhalb mal so viele Zuschauer zum Spiel wie in Nõmme Kaljus Heimspielstätte passen. Im Stadion wirkt diese Zuschauerzahl dennoch sehr verloren: auf der Haupttribüne sind nur die Presse und die Inhaber einer Loge zu finden, die Gegentribüne ist für das gemeine Volk geöffnet, auf der einen Hintertortribüne findet sich der Nõmme Kalju-Fanblock ein, die andere bleibt komplett leer.

Als die Akteure aus dem Spielertunnel unter der besetzten Hintertortribüne kommen, macht der dreißig Mann starke Kern gut Krach - eine Trommel kommt zum Einsatz, ein Megafon ist dabei und die Singstimmen sind geölt. Außerhalb des harten Kerns belässt man es beim Klatschen, ansonsten hört man immer mal wieder jemanden “Dawai!” schreien, wenn Nõmme Kalju im Angriff ist. 

Die Ausgangslage ist wie erwähnt, unangenehm für die Gastgeber. Dudelange hat sein Heimspiel 3:1 gewonnen, Nõmme Kalju muss heute also am besten 2:0 gewinnen, um in die nächste Runde zu kommen.

 

Beim Einlaufen der Mannschaften ist sehr schön zu sehen, dass die Luxemburger durch die Bank weg einen Kopf kleiner sind als ihre Gegenspieler. Nach wenigen Spielminuten wird aber schon deutlich, dass sie ihnen körperlich und technisch überlegen sind und hier eigentlich nicht allzu viel schief gehen sollte.

Die Tallinner spielen im 4 - 5 - 1, wobei die ersten beiden Reihen so tief und eng beieinander stehen, dass es nach vorne nicht viel mehr Mittel als den langen Ball auf den einzigen Stürmer gibt, der an der Mittellinie wartet und den Angriff in der Regel allein spielen muss. Hin und wieder kommt mal jemand über rechts durch, aber die Flanken in die Mitte gehen meist direkt in die Arme des Torhüters. Eine Ecke kommt mal direkt auf den Kopf des Stürmers, aber der Kopfball kommt nicht platziert genug aufs Tor.

Bereits nach einer halben Stunde sieht Vladyslav Khumotiv, der Spieler mit der Nummer Acht von Nõmme Kalju, die gelb-rote Karte für ein eher unnötiges Foul in der Nähe der Mittellinie. Insgesamt gibt es relativ viele gelbe Karten für die Gastgeber, was nicht darauf zurückzuführen ist, dass sie besonders aggressiv spielen. Sie kommen im Zweikampf aber meist so viel zu spät, dass es halt einfach ein Foul ist.

 

Die Luxemburger machen unterdessen auch nicht viel mehr fürs Spiel, wahrscheinlich weil sie es nicht müssen und relativ schnell merken, dass Nõmme Kalju keine offensive Idee hat. Daher geht es mit 0:0 und einem sehr leichten Chancenplus für die Gastgeber in die Halbzeitpause.

Zehn Minuten nach Wiederanpfiff geht ein Abspiel des Nõmme-Torwarts direkt in den Fuß von Danel Sinani von Dudelange, der noch ein paar Meter mit dem Ball geht und diesen dann locker am Torwart vorbei schiebt.

Nach dem Rückstand gehen die Esten defensiv nun etwas mehr Risiko ein, sodass Torchancen auf beiden Seiten entstehen, was der Stimmung im Stadion zugute kommt, denn das Publikum fiebert durchaus noch mit seiner Mannschaft mit. Obwohl die Luxemburger das Spiel nun dominieren und die deutlich zwingenderen Chancen haben, soll kein weiteres Tor mehr gelingen. Stattdessen geht mehr als ein Torabschluss über das Netz hinter dem Tor oder direkt in den Oberrang.

 

F91 Dudelange zieht verdient in die nächste Runde ein, ohne sich heute überarbeitet zu haben. Nõmme Kalju war in der Offensive deutlich engagierter als in der Defensive, in der sie sich leider den Großteil der 90 Minuten befanden. Am Ende ist aber niemand traurig, dass das Spiel vorbei ist.

Fotos: Anika

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Estland 

 

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
15 August 2019
Spielergebnis:
0:1
Zuschauerzahl:
1.202

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5 Kommentare
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G
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Auf weitere gute Fußballspiele während eurer Reise! :-*
L
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Ist schon ein Trauerspiel mit dem baltischen Fußball. Ob die das Lilleküla jemals voll kriegen?
G
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Schatzi, schick mir ein Fotos. :-)
G
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G
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