MILZ aus Rostock Lichtenhagen: Rap, Fußballbegeisterung und eine Hommage an die Bomber

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MILZWenn das nicht perfekte Maßarbeit ist! Heute kommt „Lichtenhagen EP“ auf den Markt, zum Herunterladen für einen fairen Preis. Neben „Alien (feat. Manuellsen), „Bring sie um“, „Alien (Capo Beatz) und „Lichtenhagen“ ist der Song „Bomber auf Orange“ mit dabei. Letztgenannter Song war ursprünglich der Aufhänger für das Interview mit dem gebürtigen Rostocker Rapper MILZ, der bereits 2007 in Eigenproduktion „Vergeltungsrap - …der Sound vom Kiosk“ unter die Leute brachte, zu führen. Das Hingucker-Video mit der auf orange gedrehten Bomber wurde anlässlich des Klassenerhalts des F.C. Hansa Rostock onlinegestellt, und beim Betrachten des knackigen Filmchens dürfte sehr schnell klar sein, dass MILZ dem FCH ziemlich nahe steht. Und wie das so ist, mit etwas Vorlauf wurden schließlich die Fragen mit dem nötigen Fußballbezug (schließlich sind wir ein Fußballmagazin) gen Ostseeküste geschickt. Pünktlich zur besten Mittagszeit trafen heute die Antworten ein. Voilà! Viel Spaß beim Lesen!

turus: Ein sportliches Hallo gen Ostseeküste und vielen Dank erst einmal, dass du für ein Interview bereit stehst. Ende April dieses Jahres ging ja das Video „Bomber auf Orange“ exklusiv zum Klassenerhalt des F.C. Hansa Rostock online. Dieser Song ist Bestandteil des Werkes „Lichtenhagen EP“, das am 17. Juni 2016 erscheint und fünf Titel hat. Da du in Mecklenburg-Vorpommern sicherlich einen hohen Bekanntheitsgrad genießt, aber eventuell in anderen Ecken unseres Landes noch eher unbekannt bist, gleich die erste Frage: Bist du ein echter Rostocker Junge? Und wenn ja, kommst du wirklich aus Rostock Lichtenhagen? (Falls nicht, auf welchem Wege hat es dich dort hinverschlagen?)

MILZ: Hi von der Küste! Ich bin Rostocker wie Fischbrötchen und Möwenschiss :) In Lichtenhagen habe ich als Kind gewohnt, bevor wir in die Innenstadt gezogen sind. Die Idee zu der EP kam aber aus einem anderen Grund. Viele Deutsche machen Urlaub an der Ostsee, auf Rügen oder in Warnemünde, denken aber wenn sie Rostock hören an die Ausschreitungen in Lichtenhagen und Nazis. Ich wollte dieses Bild, was die Leute in ihren Köpfen haben aufgreifen und zeigen, was hier heute so passiert. Es ist natürlich Ironie des Schicksals, dass ich als halb Deutscher, halb Iraker eine Lichtenhagen EP mache. Alltag ist, dass in Lichtenhagen noch lange nicht auch wenn sich vieles verändert hat.

turus: Ich muss gestehen, ich (zwar ein Fußball- aber kein Musik-Experte) kannte dich bislang auch noch nicht wirklich. Erst mit „Bomber auf Orange“ fing ich an, im Netz mal konkret recherchieren. Und siehe da, ich war überrascht zu lesen, dass bereits 2007 das Werk „Vergeltungsrap - …der Sound vom Kiosk“ in Eigenproduktion erschien. Von daher gleich die Frage, wie kamst du zur Musik und was waren seit 2007 die wichtigsten Meilensteine?

MILZ: Genau, das war mein erstes Werk, es war eine schwierige Zeit damals, meine Mutter und mein Vater sind verstorben, Oma musste sich auf einmal um mich kümmern und ich musste ein Mann sein. In dieser Zeit bin ich zum Rappen gekommen. So richtig voran geht es seit etwa 2 Jahren. Der Auftritt in Kreuzberg zum 1. Mai, mein Besuch bei Radio Fritz oder mein aktueller Song Alien feat. Manuellsen sind schon Meilensteine für mich. 

turus: Bereits 2008 wurde dein „vielseitiger Flow" und deine „raue Stimme mit hohem Wiedererkennungswert“ gelobt. Wie schaut es eigentlich in der Gegenwart aus? Wie sieht der Alltag eines Rostocker Rappers aus? Kann man von der Musik leben? Wie verdient man seine Brötchen? Ist man viel auf Achse? Wo trinkt man abends (abgesehen vom zitierten Kiosk) sein Bier?

MILZ: Im Moment pendeln wir viel zwischen Rostock und Berlin. Von der Musik leben kann ich nicht, das wäre natürlich mein Traum, von dem was ich liebe auch leben zu können. Wenn du in Rostock ein Bier trinken willst, kann ich Dir das „Iss was“ empfehlen, (eine Legende!) oder du holst dir ein paar Kaltgetränke von der Tanke und setzt dich an den Stadthafen, so machen wir das gern. Am Fähranleger ist es sehr cool, da kann ich mich echt runterfahren und man hat eine Wahnsinns Aussicht. 

turus: Und klar, da wir ein Fußballmagazin sind, muss der Bogen zum F.C. Hansa gespannt werden. Seit wann besuchst du die Spiele? Wie nah dran bist du beim Fangeschehen? Wie intensiv hast du die letzten Jahre (2007/08 ja immerhin noch 1. Bundesliga) miterlebt? 

MILZ: Ich glaube mein erstes Spiel habe ich als Knirps so 97/98 besucht. Ich weiß Roy Robsen war damals Sponsor. Ich versuche es auf jedenfall zu den Heimspielen, wenns nicht klappt, dann verfolge ich das Spiel im Livestream oder Fanradio. 

turus: Auf dem Cover von „Vergeltungsrap - …der Sound vom Kiosk“ ist die Faust ja mächtig geballt. Gab / gibt es im Alltag auch mal ernsthafte Probleme? Mit Behörden, Neidern und womöglich politisch Motivierten?

MILZ: Ich bin im Rostock der Nachwendezeit aufgewachsen, rassistische Anfeindungen gab es da eine Menge. Die größten Konflikte in meinem Leben haben mir aber die familiären Dinge bereitet. Mein Vater, der eigentlich nie da war, oder der Tod meiner Eltern. Vieles von diesen Dingen begleitet mich bis heute. Die Faust steht also eher dafür sich im Leben durchzubeißen und standhaft zu bleiben. Ich bin jetzt kein Gangster, der mit dem Gesetz Probleme hat. (lacht)

MILZturus: Apropos geballte Faust. Mächtig Pfeffer war stets in den Partien zwischen dem F.C. Hansa Rostock und FC. St. Pauli. So auch 1995, als eine Rauchbombe für Augenreizungen sorgte. Ein cooles Interview mit dem damaligen Hansa-Trainer Frank Pagelsdorf bildet das Intro zum Video von „Bomber auf Orange“. Danach geht es gleich weiter mit „Dreh die Bomber auf Orange …“. Weißt du was kurios ist? Auf Anhieb musste ich eher an die SG Dynamo Dresden denken als an die Rostocker. Gedrehte Bomber? Beim letzten Auswärtsspiel der Dynamo-Jungs im Ostseestadion war dies das Motto. Wie kamst du auf die Idee, ein Song der guten alten Bomberjacke, die ja die Nachwendezeit mit geprägt hatte, zu widmen?

MILZ: Wenn ich bei diesem Interview schon Beckmanns Frage an Pagel höre, in diesem typischen Beckmann Ton… Na egal. Ja du sagst es, die Bomberjacke hat die 90er geprägt. Die halbe Schule, vor allem die älteren haben Bomberjacke getragen, leider auch oft Springerstiefel dazu. Du kannst wahrscheinlich besser erklären, wie sie ihren Weg in den Fußball gefunden hat, für mich ist sie ein krasses Symbol „Alarmzustand“. Diesem Kleidungsstück wollte ich eine Hommage setzen.

turus: Und ja, wer dich bislang noch nicht kannte, exakt nach einer Minute kommt im Video das Bekenntnis: „Stadion, Kickoff, F.C. Hansa - mein Verein“. Passend dazu im Video das eingeblendete Spruchband „LEGAL ILLEGAL SCHEISSEGAL“. Im späteren Verlauf ein paar Sequenzen von den Feierlichkeiten der Fans am 50. Geburtstag am Ende vergangenen Jahres. Wie war das Feedback von der aktiven Fanszene?

MILZ: Ich bin selbst ja nicht aktiv, sondern ein Hansafan wie Tausende andere auch, finde aber krass was die Jungs mit ihren Choreos und anderweitig immer wieder auf die Beine stellen. Der Song soll für alle Hansa-Begeisterten sein und einfach ein Song, den man sich gerne mal vor dem Spiel gibt. Zum 50. Geburtstag war ich natürlich auch, Wahnsinns Stimmung.

turus: Und generell? Gibt es auch Stimmen, die meinen, ja okay, geiler Song, aber der Einsatz von Pyrotechnik wird zu sehr glorifiziert?

MILZ: Habe ich jetzt nicht gehört ;)

turus: Interessant auch der Satz „Ich hab eigentlich kein Bock auf Sport, doch Hansa find ich gut.“ Was heißt das konkret? Eigentlich kein Bock auf das ganze kommerzielle Fußballgeschäft, doch der Trubel inmitten der Hansa-Gemeinschaft fasziniert von Woche zu Woche aufs Neue?

MILZ: Der Satz drückt eigentlich genau das aus, was ich meine. Ich bin nicht so sehr sportbegeistert, aber Hansa ist eben eine Herzenssache für mich.

turus: Und ja, eine Frage schreit danach gestellt zu werden. Von außen betrachtet: Rostock. Lichtenhagen. Im Video schmokelt es. Und dazu: „Komm dreh die Bomber um!“ Sicherlich eine bewusste Provokation. Der eine oder andere wird denken, oh Gott, was ist das? Lichtenhagen? Oh Graus! Wütete dort nicht 1992 der rechte Mob? Und dann schaut derjenige weiter und ist irritiert. Könnte der Rapper im Video nicht eher aus Frankfurt am Main stammen? Stellen sich so viele im tiefen Westen einen Ossi vor? Wie sind diesbezüglich deine Erfahrungen im Alltag?

MILZ: Ja genau darauf kommen viele nicht klar, der hat braune Augen, schwarze Haare und kommt aus dem Osten? Der macht `ne Lichtenhagen EP? Vielleicht denken sie das einzige was im Osten braun sein kann, ist die politische Einstellung. (lacht) Der "Schwarzkopf" in Lichtenhagen ist für die meisten pure Provokation. Aber ehrlich, in Berlin oder Köln interessiert es keinen, im Osten sind Fragen wie „Was bist du für`n Lanzmann“ noch harmlosere Sachen. Das sind meine eigenen Erfahrungen. Ich denke, durch die türkischen Gastarbeiter und die Reisefreiheit ist es im Westen ganz anders gewachsen.

turus: Meine persönliche Meinung: Ein gelungenes Video! Am Ende mit dem klaren Statement „Respekt an jeden, der egal wo er ist alles für den Verein gib!“ Und ja, da die Mucke wirklich cool ist („Bring sie um“ gefällt mir u.a. auch sehr gut), biete ich an dieser Stelle mal gleich einen Tausch an: Mein neues Buch „F.C. Hansa Rostock Fußballfibel“, das Ende Juni aus der Druckerei kommt, gegen „Lichtenhagen EP“. An dieser Stelle noch einmal ein fettes Dankeschön für das Beantworten der Fragen und viel Erfolg weiterhin beim musikalischen Werdegang!

MILZ: Deal! Danke, auch für die guten Fragen.

Fotos: MILZ @milzoffiziell

> zur offiziellen FB-Seite von MILZ

MILZ - Bomber auf Orange: 

https://www.youtube.com/watch?v=iEpSmdaVDAQ 

{youtube}https://www.youtube.com/watch?v=iEpSmdaVDAQ{/youtube} 

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
17 Juni 2016

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Wer ist eigentlich dieser Milz...?

http://www.suptras.de/files/suptras/galerie/1516-38-halleheim/FCHHFC21.jpg
R
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Cooles Interview.
N
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