FC Remscheid gegen Wuppertaler SV: Einmal geile Nostalgie und zurück

Leute wie die Zeit vergeht. Gestern am 30. August 2023 wieder einmal nach langen elf Jahren Wartezeit ein „geiles“ Bergisches Derby zwischen dem FC Remscheid und dem Wuppertaler SV im altehrwürdigen Röntgen-Stadion in Remscheid Lennep. Wie 2012 bescherte das Los in der ersten Runde des Niederrheinpokals den Anhängern beider Klubs ihr „Traumlos“. Obwohl wenn die Wuppertaler an die letzte Begegnung denken, dann eher an einen Albtraum. In einem knackigen Derby schlugen die „Röntgenstädter“ am 21. August 2012 die „Jungs aus dem Tal“ mit 1:0 und auf den Tribünen ging es wild zu und die Emotionen kochten hoch.

Keine Frage, dass ich mir den Termin direkt nach der Auslosung fest im Kalender markierte, trotz der frühen Anstoßzeit um 17:30 Uhr. Die Frage, die ich mir aber stellte: Wie groß ist überhaupt noch das Interesse an dem Spiel? Bekommt das Röntgenstadion eine würdige Kulisse zum baldigen Abschied? Berechtige Frage, pilgerten früher manchmal mehrere tausend Fans nach Lennep um den FCR gegen Hertha BSC, Hansa Rostock, Fortuna Düsseldorf oder den MSV Duisburg in der 2. Bundesliga zu sehen, kommen nun nach 30 Jahren im deutschen Fußballunterhaus nur noch etwa 250 Besucher im Schnitt zu den Heimspielen.

Nein, eigentlich keine Frage: Denn wenn das „Bergische Derby“ ruft, dann sind sie alle wieder da und sogar noch mehr als 2012. Schon bei der Anreise zum Stadion durch den historischen Stadtkern von Remscheid Lennep merkte man: Es lag was ganz besonderes in der Luft. Böller die detonierten, Schlachtgesänge aus der Ferne von den ankommenden Wuppertalern und ebenso von der aktiven Fanszene aus Remscheid. Alle waren sie wieder da, nur um elf Jahre gealtert. Es soll ja Ultragruppierungen von manchen Vereinen geben, die nix vom Support in den ersten Runden im Landespokal halten. Aber genau diese ersten Pokalrunden haben doch ihren besonderen Reiz an Fußball-Nostalgie und machen diesen Wettbewerb aus. Manchmal auf irgendwelchen Dorf-Sportplätzen supporten und manchmal wie gestern in einem Stadion, das immer noch den wunderbaren Charme der 1990er Jahre versprüht. Da ging bestimmt nicht nur mir das Herz auf.

Da machte auch nix der Dauerregen Stunden vor dem Spiel. Der Himmel öffnete brachial seine Schleusen, als ob auch er mit einem weinenden Auge Abschied vom Röntgenstadion nehmen würde. Die Spielstätte soll nun jetzt doch schon bald einem „Outlet Center“ weichen. Wat? Ja richtig gelesen. Am Rande des historischen Stadtkerns statt nostalgischen Amateur-Fußball lieber eine Shopping Mall. Da fällt einem nix mehr zu ein, außer das WhatsApp Emoticon mit den zugehaltenen Augen. Also nochmal Vollgas dachten sich die aktiven Fans unter den insgesamt (offiziell) 2.300 Zuschauern und ließen es von Beginn an ordentlich krachen. Ein starkes Bild: Auf der einen Seite auf der Haupttribüne an der „Wupperstraße“ die Remscheider Fans die mit einem blauen Rauch Intro in das Match einstiegen. Auf der Gegengerade die Wuppertal Anhänger, die hinter einem Motto Banner „Das Bergische Land in Wuppertaler Hand“ blaue und rote Rauchtöpfe zündeten und auch die eine oder andere Rakete mit Knallkörper im Gepäck hatten. Ein würdiges Intro von beiden Seiten, dem ein würdiges Spiel bei großartiger Stimmung folgte. Nicht nur der Ball war gestern bundesligareif.





Als ob der farbige Rauch aus den Fanblöcken den Himmel besänftigte, hörte es pünktlich zum Anpfiff auf zu regnen und sogar die Sonne kam zwischendurch raus. Sportlich war vom Papier her die Sache eigentlich klar: Der FC Remscheid spielt immer noch in der Landesliga (Liga 6), obwohl zwischenzeitlich schon einmal in Liga 7 abgerutscht und der Wuppertaler SV immer noch in der Regionalliga West (Liga 4), aktuell aber mit einem guten Lauf. Nach fünf Spieltagen rangiert der WSV auf Platz 1 der Liga.

Entsprechend selbstbewusst starteten die Rot-Blauen ins Spiel und waren in der ersten Hälfte spielerisch überlegen, konnten sich aber nur wenige Chancen erarbeiten. Der FC Remscheid stand tief, verteidigte gut und lauerte auf Konter auf dem tiefen Boden. Als die Fans schon den Halbzeitpfiff erwarteten zeigte der souverän agierende Schiedsrichter Cedric Gottschalk nach kurzem Zögern auf den Punkt. Semir Saric wurde im Strafraum von einem Remscheider gelegt und es gab Elfmeter. Diesen verwandelte Damjan Marceta zur 1:0 Führung für den Wuppertaler SV.

Wer nun dachte, okay in der zweiten Hälfte wird Remscheid dann vom WSV überrollt, der traute seinen Augen nicht. Der FCR wurde mutiger und es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch mit sehr guten Chancen auf beiden Seiten. Wuppertal bekam die Remscheider nicht im Griff, die dann ganz in WSV Last-Minute-Manier in der zweiten Minute der Nachspielzeit den hochverdienten Ausgleich erzielten. Toni Zupo stand nach einer Flanke goldrichtig, köpfte den Ball ins Netz und ließ die Haupttribüne mit den Remscheider Fans ausrasten: „1908, die Mannschaft aus der Röntgenstadt, wird siegen. 1908 […].

 

Es ging in die Verlängerung und nun wurde auch die Frage nach der Anstoßzeit geklärt: Das Röntgen-Stadion verfügt nicht über Flutlicht und hat bisher nur wenige Spiele unter mobilem Scheinwerferlicht ausgetragen. Es dämmerte schon als es weiter ging. In der Verlängerung zeigte sich dann auch der Klassenunterschied. Remscheid versuchte zwar alles, aber die Kräfte schwanden. In der 97. Spielminute erzielte dann Charlison Benschop die 2:1 Führung und er hätte kurz vor Abpfiff sogar noch per Elfmeter erhöhen können, aber der Remscheider Keeper Maurice Horn hielt den Strafstoß. Dann war Schluss.

Am Ende ein tolles Derby mit starkem Support und großartiger kämpferischer Leistung auf dem Platz von beiden Seiten. Der Wuppertaler SV zieht in die nächste Pokalrunde gegen Schwarz-Weiß Alstaden (Bezirksliga) aus Oberhausen ein, während der FC Remscheid zurück in den Alltag der Landesliga geht. Bleibt zu hoffen, dass man nicht erst wieder elf Jahre auf eine erneute Begegnung zwischen den beiden Traditionsklubs warten muss. Wenn doch, ich bin auch dann wieder dabei.

=> Stimmungsvideo zum Spiel

Fotos: Alle Bilder Sportfotoagentur frontalvision.com

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