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Gegen das neue SOG! Demonstration in Schwerin mit eigenem Hansa-Block

Schwerin! Wie das Leben so spielt… Mitte der 1990er Jahre war ich häufig in der Landeshauptstadt und verliebte mich dort gleich doppelt. In eine Frau und in die Stadt. In der Folgezeit wurden es jedoch wieder weniger Besuche. Zumindest eine Liebe zerfloss, und fußballtechnisch boten sich nicht sooo viele Gelegenheiten, um in Schwerin regelmäßig vorbeizuschnuppern. In jüngerer Vergangenheit waren es die SG Dynamo Schwerin und der Kampf um die Paulshöhe, die mich in den Regionalexpress in Richtung Wismar setzen ließen. Vor fast exakt zwei Jahren wurde in Schwerin die Demonstration „Paulshöhe erhalten!“ durchgeführt, die ein kraftvolles Zeichen setzen konnte.

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Am gestrigen Sonntag war es wieder eine Demo, die Grund für eine Reise nach Schwerin war. Wieder wurde auf dem Bahnhofsvorplatz gestartet, auf fast exakt der gleichen Route ging es in Richtung Schweriner Schloss. Dieses Mal ging es jedoch nicht um die schützenswerte Paulshöhe, sondern um das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG), das in Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet werden soll. Neue „Polizeigesetze“ kommen bundesweit in Mode, vor allem in Bayern wurde dagegen gekämpft. Am Ende leider erfolglos. „noPAG - NEIN! Zum neuen Polizeiaufgabengesetz in Bayern!“, hieß es im Mai 2018 in München auf einer Demo, an der immerhin 30.000 Personen teilnahmen.

Ganz so viele sollten es am gestrigen Nachmittag in Schwerin nicht werden. Die Polizei zählte auf dem Bahnhofsvorplatz etwa 530 Teilnehmer. Wie genau diese Zahl zustande kam, dürfte ein Rätsel bleiben, denn vor Abmarsch standen die Teilnehmer an sämtlichen Ecken des Platzes. Schnell war klar, dass die ebenso anwesenden Fans des F.C. Hansa Rostock hinten einen eigenen Block bilden wollten. Die Fanszene des FCH hatte im Vorfeld mobil gemacht. Diese Demo sei ganz klar ein Pflichttermin, und so gab es für die aus Rostock kommenden Hansa-Fans eine gemeinsame Zugfahrt nach Schwerin.

Was soll man sagen? Gut, dass die rund 200 Hansa-Fans mit vor Ort waren, denn somit konnte akustisch ein wenig Dampf gemacht werden. Im vorderen Bereich gab es eine bunte Mischung aus Bündnissen und Parteien aus dem eher linken Spektrum. Mit etwas Abstand liefen hinten die Hansa-Fans hinter dem blau-weißen Banner „NEIN ZUM SOG“. Während es vorn ein wenig ruhiger zuging, wurde es hinten richtig laut, wenn das „ACAB“ und andere Schlachtrufe angestimmt wurden. 

Worum es eigentlich genau geht beim neuen SOG? Glücklicherweise verteilten Teilnehmer von „Sogenannte Sicherheit - Bündnis gegen die Verschärfung des SOG in MV“ zahlreiche Flyer. In den meisten Redebeiträgen wurde indes leider meist nicht ganz klar, worum es ging / geht. Kurz zusammengefasst ist das Ganze auf dem besagten Flyer und auf der Webseite des Bündnisses. Derzeit im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern verhandelt wird eine Novellierung des Polizeigesetzes. Das SOG MV soll die Befugnisse der Polizei zur präventiven Gefahrenabwehr regeln. Im aktuellen Entwurf werden die Befugnisse massiv ausgeweitet.

„Drohende Gefahr“? Erscheint das Verhalten einer Person als allgemein gefährlich, so können schwerwiegende Maßnahmen wie Wohnraumüberwachung, Meldeauflagen und der Einsatz des „Staatstrojaners“ (Onlinedurchsuchung) zum Tragen kommen. Klingt gruselig? Ist es auch! Man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, wie viele aktive Fußballfans betroffen sein können. Aber was heißt „aktiv“? Allein der Kontakt mit solchen aktiven Fans könnte ausreichen, um in den Fokus der Polizei zu geraten. Was die Überwachung des persönlichen Umfeldes der Zielperson bedeuten kann, muss nicht groß erläutert werden. In wieweit da noch die Pressefreiheit zum Tragen kommt, dürfte ebenso offen sein. Bei einer fannahen Berichterstattung dürfte auch der eine oder andere Berichterstatter ganz schnell ins Fadenkreuz geraten. Machen wir uns nichts vor - die Zeiten werden nicht besser werden.

Auch wenn der Kampf gegen das neue SOG-MV nicht erfolgreich sein dürfte, so wird dieser niemals umsonst sein. Wichtig wird es sein, den Bürgern klarzumachen, was solch ein Gesetz bedeuten kann. Arglose Eltern könnten von einer Überwachung betroffen sein, nur weil ihr Sohn (oder auch Tochter) auf der Rostocker Südtribüne oder auswärts im Gästeblock anzutreffen ist. Gleiches gilt selbstverständlich auch für andere Lebensbereiche wie die politische Tätigkeit oder der Besuch von Konzerten von Bands, die aus Sicht der Behörden kritisch erscheinen. 

Wie die gestrige Demonstration zum Schweriner Schloss verlief? Friedlich. Im vorderen Bereich wurden zwei blaue Rauchtöpfe auf die Straße gelegt. Das war´s dann auch schon. Ein nettes Fotomotiv für den mitgenommenen Sohn, der schnell die Kamerafunktion seiner „Switch“ nutzte. Früh übt sich, mein Jung! Kurz vor dem Schloss sorgten noch Personen für Gesprächsstoff, die sich auf einen Baum und eine Laterne hochseilten und eine Botschaft befestigten: „Not our friends - Polizei auflösen“. Nach der Abschlusskundgebung durften die Teilnehmer schubweise über die Brücke in Richtung Schloss gehen, wo der „Tag der offenen Tür“ stattfand. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. 

Fußball-Sommerpause, Urlaubszeit - und genau in dieser dürfte das umstrittene neue Gesetz in Schwerin durchgewunken werden und 95 Prozente der Bürger von MV werden davon kaum oder keine Notiz nehmen. Alles andere wäre wahrlich eine positive Überraschung…

Fotos: Marco Bertram, Tobi

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
17 Juni 2019

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