„Taurin is da drinne? Ey sach ma, macht dat den Pimmel noch härter?“ - „Weeß ick doch nicht. Probier doch einfach mal, du Ölmel, und sach an, wenn die Hose platzt!“ Was hatten wir uns damals beeiert vor Lachen, als im Kino auf der Leinwand die Werbung von Red Bull lief, dann plötzlich das Licht anging und mehrere Ladys mit Körbchen in den Saal hereinspazierten. Ein Döschen für alle! Es muss 1993 oder 1994 gewesen sein, als damals in einem Kölner Kino das Publikum das erste Mal an dieses Produkt herangeführt wurde. Quasi jeder öffnete sein gratis-Döschen und goss den süßen Inhalt in den Rachen. WAS ist das? Karsten und ich lasen die Angaben auf der Dose durch und schauten uns lachend an. „Alter, war das Zeug nicht mal verboten?“ - „War wohl, aber muss man sagen, der Werbespot war geil gemacht!“
Das große Duell der Bullen? Interessiert kein Schwein?! Europapokal und Hodensalben!
„Red Bull verleiht Flügel.“ Ich kann mir nicht helfen, die Wortkombination „Taurin & Bullen“ ließ mich immer an Sexshops denken. Bulleneier, dicke Eier, die Potenz eines notgeilen Bullens. Nun denn, ich lag da gar nicht mal so falsch. Heute kann man fleißig googeln. „Extra strong“. Es gibt in der Tat diverse Penis- und Hodensalben mit Taurin. Hätten Karsten und ich das damals in den 90ern im Kölner Kino gewusst - wir hätten 100pro vor Lachen in die dunkelroten Sitze genässt! Diese Limonade getrunken hatten wir später bei Partys, bei Fußball-Auswärtsfahrten und bei gemeinsamen Video-Abenden nie. Eher ging es aus Gag in einen einschlägigen Sexshop, um mal beim gemeinsamen Porno-Kieken die „Spanische Fliege“ auszuprobieren. Man wollte ja wissen, wie das so läuft und ob das Not tut. „Und spürste wat?“
Um den Bogen zum Fußball zu schlagen: Hätte uns damals jemand erklärt, dass im Europapokal eines Tages zwei Vereine mit dem (abgewandelten) Logo von Red Bull aufeinandertreffen würden - wir wären ins Essen gefallen. Vom Glauben abgefallen. Wir hätten ihn für total bescheuert erklärt. Manches war bereits Anfang / Mitte der 1990er Jahre absehbar. Das stete Steigen der Ablösegelder und Gehälter der Millionäre auf dem Rasen. Die Zunahme der Werbemaßnahmen rund um den Fußball, die mediale Ausschlachtung, das Eingrenzen des totalen Auslebens in den Fankurven. Das Einführen von Familienblöcken (Stichwort „family street“), um das Erlebnis Bundesligafußball familienfreundlicher zu gestalten. Weniger Suff und Proll, mehr Entertainment und Wohlfühlatmosphäre. Quasi auch Red Bull statt Pilsette.
Ach herrlich, ich muss mir erst mal nen Kaffee machen! Das Browserfenster ist noch offen - und ich muss lachen wie damals vor 24 Jahren im Kölner Kino. Schade dass es damals noch kein Internet in dem Sinne gab! „Pflegeanleitung für Ihr bestes Stück“, Taurin für meine Katze“, „Aminosäuren und ihre Bedeutung für die Potenz“, „Taurin Stierhoden im Vergleich“, „Stiersperma in Red Bull“, „Tod aus der Dose“ - amüsant und zugleich erschreckend, was die google-Suche alles hergibt. Immerhin konnten aufgrund des Milliarden-Umsatzes mit einem süßen Getränk letztendlich die Fußballklubs in Salzburg und Leipzig auf die europäische Bühne gehievt werden. Wie gesagt, manches hätte ich damals vor einem Vierteljahrhundert für möglich gehalten - aber nicht das! Okay, warte, erst mal den Kaffee aufsetzen. Ich setze auf Koffein!
So! Heute um 21 Uhr ist es also soweit. In der Gruppe B steigt das Duell RasenBallsport Leipzig vs. FC Red Bull Salzburg. Wobei genau genommen, die Salzburger auf europäischem Parket als „FC Salzburg“ antreten. Oder ist auch diese Regelung inzwischen abgeschafft worden? Na, wir werden ja heute Abend sehen. Wo eigentlich sehen? Ich bin da einfach nicht mehr up to date. Damals lümmelten wir uns einfach in den muffig, süßlich riechenden Gemeinschaftsraum des Ausbildungswohnheims, schalteten die Glotze an und schauten die Europapokalspiele. Vorher auf Videotext oder im „Kicker“ informiert - und gut war´s. Gut, das www macht es ja nun noch einfacher. Und schau an, diese Partie gibt es live im Free-TV zu sehen. Und zwar beim RTL-Spartensender „Nitro“. Noch nie von gehört. Moderatorin ist Laura Wontorra und als Experte ist Roman Weidenfeller am Start. Das erinnert ja glatt ein wenig an die alten Zeiten.
Verrückt, bei der Suche nach dem heutigen Spiel fiel mir auf einem Foto auf, dass die Salzburger eine Logo-Variante für den Europapokal haben. Okay, ja, dies ist bereits seit Sommer 2017 der Fall, wie ich gerade lese. Es sollte sich auf europäischem Parkett von RB Leipzig abgrenzt werden. Das „Red Bull“ fett auf der Brust, im Logo pikst nur noch ein Bulle den Ball mit den Hörnern auf. Das hatte der UEFA also genügt. Nun war die Fußballwelt wieder in Ordnung. Oh Mann, oh Mann, was für eine Entwicklung. Aber gut, normalerweise schaue ich kaum noch EC-Duelle, heute Abend werde ich dann doch mal kurz reinschnuppern. Mich interessiert schon ein wenig, wie viele Gästefans nach Leipzig anreisen werden und was für Schlachtrufe und Gesänge diese anstimmen werden.
Schmökert man im Netz, so winken die meisten User mit Fußballbezug nur noch müde ab. Die Mühlen mahlten langsam, aber stetig. Es braucht halt alles nur seine Zeit. Die Kritik an den Red Bull-Vereinen nimmt immer mehr ab. RB Leipzig ist angekommen im Fußballalltag. Von Tradition mag der 0815-Fußballkonsument kaum noch was hören. Was könne man sich von Tradition kaufen? Wie viele Zuschauer gehen denn zum 1. FC Lokomotive? Okay, denke ich und schlürfe den Kaffee. Jedem das seine. Der eine konsumiert ungefragt jeglichen Fußball, andere gehen Old School mit der Pilsette zum nächsten Sportplatz, und wiederum andere schmieren sich statt an einer Limo zu nuckeln lieber gleich Taurin pur auf ihre Fleischpeitsche. Wohl bekomm´s!
Fotos: Marco Bertram, Daniel Scanlon, Claude Rapp
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Nicht sinnreich, aber lustig. ;.)