FC Strausberg vs. Hansa Rostock II: Fragwürdiger Polizeieinsatz sorgt für Gesprächsstoff

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Hansa FotosDie Spatzen zwitscherten es von den Dächern, doch in Strausberg schien man überrascht gewesen zu sein. Die zweite Mannschaft des F.C. Hansa Rostock wurde am letzten Spieltag von zirka 250 Fans unterstützt. Neben etlichen Anhängern aus der Region Berlin-Brandenburg hatte sich auch ein Bus aus Mecklenburg-Vorpommern auf den Weg gemacht. Auch wenn der Meistertitel in der NOFV Oberliga Nord am vorletzten Spieltag gegen Lichtenberg 47 mit einem 0:2 quasi verspielt wurde (man durfte von ausgehen, dass Union Fürstenwalde am letzten Spieltag gewinnen wird), so sollten die Amateure des F.C. Hansa gebührend in die Sommerpause verabschiedet werden. Für zahlreiche Hansa-Spieler war es zudem das letzte Pflichtspiel im Trikot mit der Kogge auf der Brust. Also hieß es: Alle Mann nach Strausberg!

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PyroDa ein Gästeblock nicht aufgebaut war - u.a. beim Heimspiel gegen den BFC Dynamo war aus Bauzäunen ein Gästekäfig errichtet worden -, spazierten einige zeitig angereiste Hansa-Fans auf die Gegenseite des Stadions, wo ein Grashang eine gute Sicht bietet. Kurz vor Spielbeginn verhinderten Polizisten (ein Polizeirevier befindet sich gleich auf der anderen Straßenseite), dass weitere Fans auf die Gegenseite pilgern. Als um 14 Uhr beide Mannschaft aufliefen, wurde auf dem Hang ein Spruchband mit der Aufschrift „Wir kosten mehr als Onkos Jahresgehalt. Pro Onko.“ hochgehalten. Gemeint ist Zeugwart Alexander „Onko“ Kodera, der kürzlich verabschiedet wurde. Nachdem das Spruchband gut sichtbar präsentiert wurde, gab es eine beachtliche Pyro-Show mit eine Menge Rauch und Fackeln. Diese wurden zum Teil anschließend im Innenraum entsorgt, glücklicherweise besteht die Rundlaufbahn allerdings nicht aus Tartan, sondern aus Asche. Auf dem Hang blieben indes einige Stellen mit verbranntem Gras zurück. Neutral betrachtet erwies es sich jedoch von Vorteil, den Rauch auf der Gegenseite zu zünden, und nicht zwischen den Heimzuschauern, wo auch ein paar Familien mit Kleinkindern anwesend waren.

Ganz klar: In der Folgezeit hätten die Hansa-Fans auf der Gegengerade gesungen oder sich bierseelig auf dem Hang lang gelegt. Ganz so entspannt sahen dies jedoch nicht der Verein, das Schiedsrichtergespann und die Beamten. Das Spiel sollte nicht angepfiffen werden, bevor die Fans von der Gegengerade die Seite wechseln und auf der Haupttribüne ihre Plätze einnehmen. Nach ein paar Gesprächen an der Bande entschlossen sich die Fans den Weg zur Haupttribüne anzutreten. Begleitet von zwei, drei Böllern trotteten sie die halbe Runde und ließen sich anschließend im äußeren Bereich (wo bei Problemspielen der Gästeblock eingerichtet wird) nieder. 

HansaNun hätte man meinen können, das Spiel könnte locker über die Runden gebracht werden. Probleme zwischen Strausberger Fußballfreunden und Hansa-Fans? Klare Fehlanzeige! Entspannt wurde sich Bier bestellt und das Spiel verfolgt. Da wie eingangs erwähnt der Meistertitel wohl nicht mehr drin war, ließ man es etwas ruhiger angehen. Beim locker flockigen Fußballnachmittag blieb es jedoch nicht. In der Ferne ertönendes Blaulicht ließ einiges vermuten. Aufgrund der desaströsen Personallage in Brandenburg (Polizeidienststellen in Angermünde und Neuenhagen sind beispielsweise abends und nachts in der Regel nicht mehr besetzt, stattdessen soll eine „Internetwache“ Abhilfe schaffen) schien in Strausberg nicht genügend Polizei im Dienst gewesen zu sein, um ein Fünftligaspiel mit knapp 400 Zuschauern abzusichern. Krasse Nummer. So wurden fix Berliner Beamte mit dem Bären am Ärmel herangefahren. 

HansaGegen Ende der ersten Halbzeit nahmen die Berliner Beamten Aufstellung an einigen Punkten. Da die Hansa-Fans nach und nach quasi komplett umringt wurden, ließ das Ganze nichts Gutes erwarten. Provokationen von Seiten der Hansa-Fans blieben bislang aus. Jedem war schließlich klar, dass Berliner Beamte nicht nur aus Spaß an der Freude von Berlin ins benachbarte Bundesland gekarrt werden, um dort Diensthilfe zu leisten. In der Halbzeitpause kam es schließlich zur klassischen Situation. Während einige Fans in Richtung Bierwagen spazierten und die eingespielte Musik im Stadion dudelte, rückten Polizeibeamte in den Block vor und nahmen eine Person fest. Nach kurzer Ansage wurde dieser nach oben gezerrt. Keine taktische Meisterleistung (schließlich hätte man ihn auch nach dem Spiel festnehmen können) - außer, man möchte, dass es richtig eskaliert. 

HansaNur zu klar, dass fix andere Hansa-Fans dem Festgenommenen zur Seite standen. Bier segelte durch die Luft. Etwaige Gesprächsversuche wurden forsch abgewiesen. Ein Fan bestand darauf, den Festgenommenen zu begleiten, schließlich sei dies rechtlich verankert. Davon wollte man von Seiten der Polizei jedoch nichts wissen. Da man bei Hansa jedoch einiges aus dem Drittligaalltag gewohnt ist, wurden Dienstnummern verlangt und Handyfotos angefertigt. Als wenig später die Helme aufgesetzt und die Pfefferspray-Pullen schon mal ordentlich durchgeschüttelt wurden und es zu einzelnen Rangeleien kam, drohte kurzzeitig die Eskalation. Nur zu klar, dass im Ernstfall die Hansa-Fans geschlossen zueinander stehen und erbittert Gegenwehr leisten würden. Umso fragwürdiger war der gesamte Einsatz. Da sich alles im gemischten Heimbereich abspielen würde, stellt sich die Frage umso mehr, was das Ganze sollte.

HansaLogisch, dass sich über Pyrotechnik streiten lässt, allerdings ist das Abbrennen fern abseits des Heimbereichs nun wahrlich keinen Polizeieinsatz wert, bei dem es unter Umständen zum Verletzen von Unbeteiligten kommen könnte. Das beherzte Schütteln der Pfefferspray-Pullen sprach Bände. Manch ein Blick ebenfalls. Man kann von Glück sprechen, dass beide Seiten Vernunft walten ließen. Zum einen hatten die Polizeibeamten gespürt, dass auch bei diesem Spiel der Amateure mit erbitterter Gegengewehr zu rechnen sei, zum anderen wollte kein Fan unnötig Stress riskieren. So beruhigte sich das Ganze wieder, und das sportliche Geschehen auf dem Rasen konnte nun verfolgt werden. Nachdem Brusch die Strausberger in der 55. Minute in Führung gebracht hatte, konnte Grube nur vier Minuten später zum 1:1 ausgleichen. Groß war der Jubel beim Gästeanhang, als in der 78. Minute Gesien das 2:1 für Hansa II klarmachte. Allerdings waren es nun die Strausberger, die eine rasche Antwort geben konnten. 2:2 durch Marveggio. Bei diesem Spielstand blieb es auch. Für mächtig Grummeln in der Magengrube sorgte jedoch eine weitere Aktion kurz vor Anpfiff. Mit Kamera und gezückter Pfefferpulle wurde noch einmal vor den gesamten Block entlangmarschiert.

HansaEs blieb jedoch ruhig. Die Mannschaft wurde abgeklatscht, die mit dem Bus angereisten Fans sollten sich zügig zum Ausgang begeben. Die mit der S-Bahn angereisten Hansa-Fans wurden von den Berliner Beamten begleitet, bis diese schließlich in Friedrichsfelde ausstiegen. Was bleibt? Ein paar Fragezeichen. Wie katastrophal muss die Personalsituation in Brandenburg sein, dass man nicht mal solch ein Spiel (ohne wirkliche Brisanz zwischen etwaigen Fangruppen) absichern kann? Dass eine Polizeikaserne sich gleich gegenüber des Stadions befindet, lässt tief blicken. Allerdings ist die Situation allseits bekannt. Beim Radsport ist es in Brandenburg fast unmöglich noch Straßenrennen problemlos durchzuführen, da befugtes Personal zum Absperren öffentlicher Straßen Mangelware ist. Die „Tour de Berlin“, die „Kids Tour“ und vor allem „Rund um Buckow“ können ein Liedchen von trällern. Wenn man jedoch sieht, wie problemlos Berliner Polizisten wegen etwas Rauch und ein paar angebrannter Fackeln spontan von A nach B gebracht werden können - da kommt man doch glatt auf ein paar Ideen. Der Radsport-Nachwuchs sollte schließlich nicht vernachlässigt werden… Davon ganz abgesehen: Im "Görli" und in der Hasenheide gibt es auch genug zu tun ...

Update 16:15 Uhr: Im Bericht auf der offiziellen Webseite des FC Strausberg wird davon gesprochen, dass sich 50 Hansa-Fans ohne Eintritt zu zahlen ins Stadion gedrückt haben. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht vor Ort. Mein Augenzeugenbericht beginnt kurz vor 14 Uhr. Zudem liest es sich so, als wenn die Pyro-Aktion eine gezielte Aktion gewesen sei, um die Verabschiedung der FCS-Spieler zu stören. Vielmehr ist annehmbar, dass die Hansa-Fans keine Notiz von Strausberg nahmen und einfach ihre "eigene Show abzogen". Um es noch mal zu betonen: Wäre es besser gewesen, die Pyro-Aktion inmitten des Heimbereichs durchzuführen? Im Text ist auch zu lesen, dass die "enthemmten Jungs" sich eine Schlägerei mit der Polizei lieferten. Hierbei wurde jedoch die Ursache komplett weggelassen. Die eigentliche Ursache: Die Festnahme, das forsche Auftreten der Berliner Polizisten und die massive Präsenz in allen Bereichen der Zuschauerränge. Ich bleibe dabei: Hätten beide Seiten ab einem bestimmten Punkt nicht "runtergefahren", hätte das Ganze äußerst heikel enden können! Und ein wichtiger Punkt: Wäre es in diesem Fall nicht besser gewesen, die "gewaltbereiten enthemmten Hansa-Fans" auf der Gegengerade zu lassen? Überraschenderweise gab es jedoch nach Anpfiff eine gewisse Picknick-Atmosphäre. Bis, ja bis es zur Festnahme kam...

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
13 Juni 2016
Spielergebnis:
2:2
Zuschauerzahl:
377
Gästefans
250

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Inhalt über Liga
Oberliga

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