RB Leipzig vs. Roter Stern Belgrad: Die Sache mit der geilen Momentaufnahme

RB Leipzig vs. Roter Stern Belgrad: Die Sache mit der geilen Momentaufnahme

Auch 24 Stunden nach Beendigung der gestrigen Champions-League-Partie zwischen RB Leipzig und Roter Stern Belgrad schweben noch einige imaginäre Fragezeichen über meinem leicht mit Haar bedeckten Kopf. So richtig weiß ich persönlich noch nicht so richtig einzuschätzen, wie ich den gestrigen Auftritt der Gäste einschätzen soll. Während auf Social Media schon wieder die Jubelstürme Hand in Hand gehen und der Auftritt der Serben in Leipzig komplett abgefeiert wird, stelle ich mir die Frage, ob man nach all den Jahren im Fußballgeschäft auch einfach zu viel erwartet. 

Man wird regelmäßig mit den geilsten Ausschnitten einzelner Fanszenen zugeschüttet, so geschehen auch gestern auf meinem Instagram-Kanal. Ein stabiler Mob zieht in Reih und Glied die Straßen entlang, klatscht sich gemeinsam ein, und ab und zu erhellt ein rotes Lichtlein den Leipziger Abendhimmel. Der Like-Button glüht heißer als "Leitung 10" im "Sport1 SportQuiz". Eine coole Momentaufnahme für alle, die nicht dabei waren. Auch ich genoss diesen Moment. Dennoch füllen diese 20 Sekunden aber nicht den ganzen Abend.

Der Reihe nach. Die Uhr zeigt 16 Uhr an. Wir folgen der Idee der meisten Gästefans und nehmen am Leipziger Markt ein paar Bierchen zu uns. Mehrere hunderte weitere Artgenossen besetzten die Freisitze oder flanierten durch die anliegenden Kleidungsgeschäfte. Anders als gegen die Rangers oder Celtic ist die Stimmung eher kühl. Nur selten schwappt Euphorie über. Man hat das Gefühl, die Belgrader genießen die Ruhe, die sie bei den meisten ihrer internationalen Reisen kaum zu spüren bekommen. Denn wenn Belgrad kommt, herrscht Bürgerkrieg - so einer der vielen vielen Aufkleber im Stadtkern. In Leipzig fehlt der Gegner. Mit wem willst du dich messen? Die zwanzig "Ultra-Leute" von RB? Die unfassbar vielen Polizisten? Eher weniger. Und so trudelte die Veranstaltung ein wenig vor sich hin. Cornern in gehobenem Ausmaße.

Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten? Dass der harte Kern noch gar nicht präsent war. Zwar saßen in jeder Ecke "potentielle Massenmörder", aber der Mob mit Trommel und diversen Vermummungen zog erst später über den Marktplatz zur Blechbüchse, dem offiziellen Treffpunkt der Serben. Schon im Vorfeld wurde gemunkelt, ob und wie Roter Stern zum Stadion gelangen wird. Der Verein gab zwei Optionen an - Anmeldung eines Fanmarsches, der zwingend genehmigt werden muss oder Anmeldung einer politischen Demo, die in Deutschland nicht genehmigt, sondern nur angemeldet werden muss. Die Polizei sprach schlussendlich von einem Fanmarsch, der gegen 18 Uhr starten sollte.

Für uns bedeute dies nun wieder mal die Kontakte spielen zu lassen, um in der Pfaffendorfer Straße die beste Sicht auf den anstampfenden "Horrormob" zu erhaschen. Vielleicht bekommt man ja "Ivan den Schrecklichen" vor die Linse. Der Mann, vor dem angeblich ganz Leipzig zittern sollte (Liebe Grüße an die Bild).

Mit erheblicher Verspätung setzte sich der Haufen dann endlich in Bewegung. Die Polizei gab das Tempo vor, der Regen setzte ein und beim Einmarsch in eben jene Pfaffendorfer Straße wurde schnell ersichtlich, dass nicht nur die angekündigten 2.500 Serben den Weg nach Leipzig antraten, sondern vermutlich die doppelte Anzahl. In der Dunkelheit von Leipzig ein epischer Anblick.

Die Kameras gezückt. Anspannung kam durch und auch eine gewisse Neugier auf das Folgende. Doch die Leute aus dem Ostblock hatten es offenbar ziemlich eilig und marschierten recht zügig und wenig spektakulär durch die Straßen Leipzigs. Da die Fanmärsche in Leipzigs Gästeblock aber locker mal eine Stunde in Anspruch nehmen, auch wenig verwunderlich. Kurz vor der Kreuzung zum Zoo hielt der Mob doch nochmal inne und positionierte sich zum gemeinsamen Einklatschen. Direkt vor unseren Augen. Besser hätte es kaum laufen können. Das angesprochene Instagram-Video entstand. Die Mitmachquote war extrem hoch und mehrere Gruppierungen flanierten noch Minuten später lautstark an uns vorbei. Meiner Meinung nach der beste internationale Auftritt den diese Straße jemals gesehen und gehört hat.

Und dann ging es auch schon zum Stadion. Wir wählten natürlich den kürzeren Weg und begegneten zwischendurch immer mehr bekannten Gesichtern. Dieses Gesamtbild bestätigte sich auch im Stadioninneren. Enorm viele freie Plätze und gefühlt noch mehr Hopper-Gruppen. Man möchte meinen, dass jeder ostdeutsche Verein mindestens mal zehn Leute nach Leipzig geschickt hat. Ohne die Hopper und die unzähligen Serben im Heimbereich, hätte dies ein absoluter Reinfall für den Konzern werden können. Wussten die Gastgeber vermutlich auch selber, denn nachdem man wochenlang zögerte einen freien Verkauf für diese Partie anzubieten, wurde knapp eine Woche vor Spielbeginn dann doch das "Go" für jedermann gegeben.

Mit Handbrot (mit Abstand das beste Stadion-Essen weltweit) und Bier zum Block begeben und pünktlich zur fremdfinanzierten Choreo der Leipziger die Plätze eingenommen. Der externe Geldgeber waren die "Rasenballisten" und nicht der Verein selber. Dieses Geld reichte wohl offenbar nur für tausende Ponchos und ein goldenes Spruchband, welches billiger nicht hätte ausschauen können. Im Zusammenspiel mit den weinrot-weiß-roten Farben darunter und dem grell einleuchtenden Flutlicht ergab sich wahrlich ein bescheidenes Bild, welches nicht mal meine Kamera so richtig einzufangen wusste. Nachdem man sich choreotechnisch bei RB in den vergangenen Monaten echt steigern konnte, verlief der gestrige optische Anstrich eher bescheiden.

Für weitere potentiell bessere Choreos wurden an sämtliche Ecken des Stadions fleißig Spenden gesammelt, und ja, was soll ich sagen? Die jungen Kerle taten mir beinahe ein wenig leid. Nur die Wenigsten zeigten nur den klitzekleinen Hauch von Interesse und liefen wortlos an den "Marktschreiern" vorbei. Natürlich lag dies auch an der hohen Anzahl von Leuten, denen RB grundlegend egal ist, aber selbst die offensichtlichen Fans dieses Vereines ignorierten die Spendenboxen größtenteils. Ein Zustand, den ich bisher noch nirgendwo in diesem Ausmaß erlebt habe.

Roter Stern bewahrheitete die Vermutung lokaler Medien, dass eventuell auch Pyrotechnik in den Gästeblock geschmuggelt werden könne. Sag bloß! Mit einer Schalparade und ein paar roten Fackeln begann die Partie pünktlich um 21 Uhr. Das Spiel verlief erwartet einseitig. Leipzig tat das Nötigste, erzielte durch Xavi eine richtig geile Bude zum 2:0 und ließ sich auch vom zwischenzeitlichen Anschlusstreffer durch Marko Stamenic nicht beunruhigen.

Leider führten die wenigen gelungen Aktionen der Serben auch für ein Abflachen der Stimmung im weiten Rund. Zwar wurde schübchenweise immer wieder gezeigt, welches Potential in der Fanszene von Crvena zvezda steckt, aber so richtig geil war's dann halt doch nicht. Lag's am Wetter? Lag's am unattraktiven Gegner? Lag's an der eigenen sportlichen Misere? Man wird es wohl nie erfahren...

Bericht & Fotos: "schwarze_natascha" (externer Link zu Instagram)

> weitere Fotos vom Auftritt von Roter Stern Belgrad

> Video vom Fanmarsch auf YouTube

 

Stadionname:
  • Red Bull Arena
Artikel wurde veröffentlicht am
26 Oktober 2023
Spielergebnis:
3:1
Zuschauerzahl:
42.209

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3 Kommentare
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Wie immer ein geiler Artikel. Musste paarmal schmunzeln.

Danke dafür
G
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G
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G
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