SSV Ulm 1846 vs. Dynamo Dresden: Erinnerungen an den „Skandal“ von Rostock

SSV Ulm 1846 vs. Dynamo Dresden: Erinnerungen an den „Skandal“ von Rostock

„Skandal!“ Voller Wut brüllte Janusz Góra, Abwehrspieler des SSV Ulm 1846, dieses Wort in Richtung Fernsehkamera und schob dabei einen Ordner zur Seite. Man schrieb den 10. September 1999, als der frisch gebackene Bundesligist aus Ulm beim F.C. Hansa Rostock antrat und das Spiel im Ostseestadion mit sage und schreibe sieben Spielern beendete. Zudem musste der Trainer Martin Andermatt in der 77. Minute auf die Tribüne. In der 45. Minute ging Hans van de Haar mit Gelb-Rot vom Platz, ihm folgten Uwe Grauer (Gelb-Rot) in der 60., Evans Wise (Rot) in der 77. und Janos Radoki (Rot) in der 90. Spielminute. Der damalige Schiedsrichter Herbert Fandel sprach von ungewöhnlicher Härte, und trotz klarer Überzahl tat sich der F.C. Hansa Rostock verdammt schwer.

In der vierten Minute hatte Kai Oswald die Rostocker mit 1:0 in Führung gebracht, in der 79. Minute konnte Janusz Góra, der nach Abpfiff vom Skandal sprach, einen Freistoß zum 1:1 unterbringen. Zu jenem Zeitpunkt waren die Ulmer bereits zu acht! Mein lieber Herr Gesangsverein - wenn Mannschaften in Unterzahl über sich hinaus wachsen! Aber Victor Agali bewahrte die Jungs mit der Kogge auf der Brust vor der totalen Blamage und machte in der 90. Minute doch noch das 2:1 für den FCH. Schaut man auf die Abschlusstabelle der Erstligasaison 1999/2000, so ergibt sich folgendes Bild: Der SSV Ulm 1846 stieg mit 35 Punkten wieder ab, der F.C. Hansa Rostock konnte mit 38 Punkten die Klasse halten. 

Für den SSV Ulm 1846, der 1993/94 noch in der Oberliga Baden-Württemberg gespielt hatte und dann ab 1997/98 nach oben durchmarschiert ist, war die Saison 1999/2000 ein echter Knackpunkt. Nach dem Abstieg war auch die 2. Bundesliga sportlich eine Nummer zu groß, am Ende der Spielzeit 2000/01 fand man sich auf Rang 16 wieder und musste gemeinsam mit dem VfL Osnabrück, den Stuttgarter Kickers und dem Chemnitzer FC runter. Aus wirtschaftlichen Gründen gab es keine Lizenz für die Regionalliga, und somit musste in der folgenden Saison in der Oberliga gespielt werden. Da ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, stand der SSV Ulm 1846 als Absteiger fest, die vormalige zweite Mannschaft trat demzufolge 2001/02 in der Verbandsliga Württemberg an. 

Der Weg zurück nach oben war mühsam. Zwar war Ulm 2002/03 wieder immerhin in der Oberliga am Start, doch musste bis 2008 gewartet werden, bis der Sprung zurück in die Regionalliga klappte. 2011 folgte eine weitere Insolvenz und der Verein spielte 2011/12 wieder in der Oberliga Baden-Württemberg. Was folgte waren eine Rückkehr in die Regionalliga und eine dritte Insolvenz im Frühjahr 2014. Ab 2016 konnte schließlich nonstop in der Regionalliga Südwest gespielt werden, und nach einem zweiten Platz im Frühjahr 2022 glückte am Ende der Spielzeit 2022/23 der lang ersehnte Sprung in die 3. Liga. Der SSV Ulm 1846 ist zurück im Profifußball - und im Zuge dessen zurück sind auch die Zuschauer! Volle Ränge im Donaustadion wie seit der legendären Erstligasaison 1999/2000 nicht mehr.

Am vergangenen Wochenende zu Gast war die SG Dynamo Dresden, die in den vergangenen 30 Jahren auch einiges durchgemacht hatte. Von 1991 bis 1995 hielt man in der 1. Bundesliga im Osten das Fähnchen hoch, nach dem Desaster mit Präsident Otto & Co. ging es 1995 direkt runter in die Regionalliga Nordost. Von 2000 bis 2002 wurde nur noch in der NOFV-Oberliga Süd gekickt, jedoch war dieser Zeitraum in fantechnischer Sicht recht unterhaltsam. Nachdem man sich 2002 in der legendären Aufstiegsrunde gegen Hertha BSC II knapp durchsetzen konnte, ließ man wieder in der Regionalliga den Ball rollen. 2004/05 wurde das erste Mal in der 2. Bundesliga gespielt, ab 2008 wurde zwischen 3. Liga und 2. Bundesliga gependelt. Sieben Spielzeiten in der 3. Liga stehen seit 2008 den acht Spielzeiten in der zweiten Liga gegenüber.

In der achten Drittliga-Saison seit 2008 soll nun wieder der Sprung in die 2. Bundesliga gepackt werden. Und da der Aufsteiger SSV Ulm 1846 eine bislang beeindruckende Saison spielt, war das Duell Ulm vs. Dresden ein echtes Spitzenspiel. Hierbei handelte sich es sich um das allererste Aufeinandertreffen beider Vereine überhaupt. 

Volle Ränge im Donaustadion, im Heimbereich gab es eine Choreo in Anspielung an den Vorfall mit Janusz Góra in Rostock vor 24 Jahren. In der prallen Gästekurve verzichtete man indes dieses Mal auf Choreos oder andere Hingucker. Zu feiern gab es für die rund 3.000 Dynamo-Fans jedoch einiges. Nachdem Lamar Yarbrough in der 28. Minute mit dem Kopf das 1:0 für Ulm besorgte, konnte fünf Minuten später Stefan Kutschke ebenso mit Köpfchen zum 1:1 ausgleichen.

Nur drei Minuten später machte Claudio Kammerknecht die 2:1-Führung für die SG Dynamo klar. Nachdem Lucas Röser in der 45. Minute die Heimfans zum Jubeln brachte, erzielte Kammerknecht nach knapp einer Stunde das 3:2 für Dynamo Dresden. Mit 25 Punkten konnte Dresden Rang eins festigen, der SSV Ulm 1846 ist weiterhin auf einem beeindruckenden dritten Platz zu finden.

Fotos: Unterwegs in Sachen Fußball (UiSF), Wochenendpöbler

> zur turus-Fotostrecke: SSV Ulm 1846

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Stadionname:
  • Donaustadion
Artikel wurde veröffentlicht am
17 Oktober 2023
Spielergebnis:
2:3
Zuschauerzahl:
17.000
Gästefans
3000

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Inhalt über Liga
3. Liga

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3 Kommentare
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Kommentare
Cool: SSV 1846
Es gibt keinen verrückteren Club als den SSV Ulm 1846!
DL
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G
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G
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