Ein Tag mit Polonia Berlin: Stress bei NNW und Entspannung bei Tur Abdin

Ein Tag mit Polonia Berlin: Stress bei NNW und Entspannung bei Tur Abdin

9 Uhr an der Behmstraße in Berlin-Gesundbrunnen. Gleich gegenüber des Wohnblocks, wo sich einst die berühmte Plumpe befand, lud am vergangenen Sonntagmorgen das Kreisliga-Duell SV Norden-Nordwest vs. FC Polonia Berlin II zum Stelldichein. 9 Uhr! Das ist noch ein Eckchen früher als die berühmten 10:15 Uhr Partien in Tschechien. Welcher Hopper hatte es sich noch nicht in Prag beim FK Viktoria Žižkov bei Wurst und Bier am Sonntagvormittag gut gehen lassen? Und sieh einer an! In Vereinsheim und an den Ständen zwischen NNW-Platz und Kokswiese gab es bereits zu früher Stunde Speisen und Getränke.

Seitdem der SV Rot-Weiß Viktoria Mitte 08 das Vereinsheim vom SV Norden-Nordwest übernommen hatte, ist dieses wieder für die breite Öffentlichkeit da und bietet Frühstück, kleine Speisen und wirklich leckeres Craft-Bier aus dem Hause Brlo an. So viel Schleichwerbung darf mal sein. Schade ist indes, dass inzwischen viele Spuren von Norden-Nordwest verschwunden sind. Traditionspflege scheint derzeit bei NNW nicht allzu groß geschrieben.

Und dabei war der SV Norden-Nordwest 1898 einst eine echte Fußballgröße, die Viktoria 1889, Tennis Borussia und Hertha BSC voll Paroli bieten konnte. So nahm NNW in den Spielzeiten 1905/06, 1921/22 und 1925/26 an der Endrunde der deutschen Meisterschaft teil. Als Meister des Märkischen Fußball-Bundes hatte es NNW am 22. April 1906 im Wackerstadion Debrahof mit keinem Geringeren als dem VfB Leipzig zu tun. 1:9 der Endstand aus Sicht der Berliner. Besser lief es am 21. Mai 1922, als im Viertelfinale auf dem Berliner Viktoria-Platz der FC Viktoria Forst mit 1:0 geschlagen wurde. Im Halbfinale unterlag NNW in Fürth dem 1. FC Nürnberg mit 0:1. Als Vizemeister Berlin-Brandenburg ging es nochmals im Mai 1926 ins Rennen. Im Müngersdorfer Stadion gewann NNW beim VfR Köln 04 mit 2:1. Im Viertelfinale war jedoch im Deutschen Stadion nach einem 0:4 gegen Holstein Kiel Endstation. 

In der Gegenwart ist der SV Norden-Nordwest in der Kreisliga B zu finden und er hatte es am vergangenen Sonntagmorgen wie eingangs erwähnt mit der zweiten Mannschaft des FC Polonia Berlin zu tun. Und sagen wir es mal so, langweilig wurde es definitiv nicht! Zum einen fand sich mit einem bekannten Pin-Sammler aus dem Umfeld des BFC Dynamo ein überaus munterer Gesprächspartner, zum anderen ging es vor allem im ersten Spielabschnitt arg erhitzt zur Sache.

Die Gäste der anliegenden Hotels werden gestaunt haben, was für ein Trubel gleich nebenan auf dem Sportplatz zu solch unchristlicher Zeit bereits herrschte. Schon bald wurde geschimpft, geflucht und diskutiert, und auch der eine freiwillige Linienrichter befand sich bei den NNW-Spielern schon bald im Fokus. „Halt doch mal Fresse!“, „Wer bist du eigentlich?“ Immer wieder hallten die Flüche über den Platz, nach einer hitzigen Diskussion wurde die Fahne kurzerhand abgelegt. Wie meist in den Kreisligen üblich, leitete der Schiedsrichter eh allein die Partie.

Zu tun hatte er reichlich. Nachdem Polonia Dank des Treffers von Metin Dedek in der 23. Minute in Führung ging, drohte die Sache vollends zu eskalieren. Der Spielabbruch drohte, und in der Pause munkelte man bereits, dass die Mannschaften nicht auf den Kunstrasen zurückkehren würden. Das taten sie aber, und in der zweiten Halbzeit rissen sich beide Mannschaften halbwegs am Riemen. 

Spanndend blieb es in jedem Fall. In der 50. Minute machte Ömer Temel den Ausgleich klar. Nachdem Tomasz Piotr Rozycki die 2:1-Führung für Polonia II hergestellt hatte, machte Ömer Temel vom Elfmeterpunkt aus in der 78. Minute das 2:2. Auf der Gegengerade drohte bereits eine erneute Konfrontation, nachdem zwei, drei Zuschauer mit der Polonia-Bank Kontakt gesucht hatten. Alter Schwede - und das alles zu solch früher Stunde! In der 86. Minute gelang Tomasz Piotr Rozycki dann sogar noch der 3:2-Siegtreffer in feiner Manier. Großer Jubel bei den Gästen - so richtig Frust bei den Gastgebern. Ich hatte schon Bange, dass es nach Abpfiff richtig knallen könnte, doch war es auch Polonia zu verdanken, dass es ruhig blieb. Nach Abpfiff verzichtete man fairerweise auf einen weiteren brachialen Jubel. Man musste ja schließlich auch noch heil die Sportanlage verlassen.

Ein paar Polonia-Spieler aus der zweiten Mannschaft waren zwei Stunden später auch beim Spiel der ersten Mannschaft beim BFC Tur Abdin am Start. Tur Abdin?! War da nicht mal was? Richtig! Am 20. Oktober 2019 wurde mit den Kindern nach dem Spiel des FC Polonia Berlin bei SF Johannisthal II noch das Landesliga-Spiel SF Johannisthal vs. BFC Tur Abdin geschaut. Bierseelig wurde kurzerhand Tur Abdin mit einem lauten „BFC! BFC!“ supportet, das zum einen die Heimzuschauer ein wenig nervte und zum anderen den damaligen Geldgeber von Tur Abdin dazu veranlasste 20 Euro für ein, zwei weitere Runden Bier zu spendieren.

In der Saison 2021/22 stieg jedoch der BFC Tur Abdin mit nur 17 Punkten aus der Landesliga ab, und in der zurückliegenden Spielzeit setzte sich die brachiale Talfahrt fort. Gemeinsam mit meinem Heimatverein FSV Blau-Weiß Mahlsdorf/Waldesruh musste Tur Abdin in der Staffel 3 der Bezirksliga den bitteren Weg in die Kreisliga A antreten. 

Beim Warmmachen - auf dem anderen Platz in der Lüderitzstraße endete soeben die Partie Hertha BSC III vs. 1. FC Lübars II (4:2) - durfte jedoch festgestellt werden, dass der BFC Tur Abdin wohl eine gute junge Mannschaft zusammengestellt hat. Und in der Tat war an diesem Nachmittag Tur Abdin für die ambitionierte erste Mannschaft des FC Polonia Berlin eine Nummer zu groß.

Bei schönstem Sonnenschein - das Flaschenbier kostete am dortigen Imbiss schlappe zwei Euro, ach ja, es wurde Eintritt in Höhe von drei Euro genommen - legte der BFC Tur Abdin auf dem gewässerten Kunstrasenplatz sogar gleich gut los. In der achten Minute brachte Tiberius Jakob einen Freistoß unter, bei den kommenden zwei Treffern der Gastgeber stand der Polonia-Torwart Karol Koziol ein Tick zu weit draußen. Nachdem es zur Pause 4:1 für Tur Abdin stand - zwischenzeitlich machte Dawid Ireneusz Wrona in der 26. Minute den 1:2-Anschlusstreffer klar - gab der Polonia-Keeper das Zeichen zum Auswechseln.

Im zweiten Spielabschnitt stand Mateusz Bartlomiej Komas, der bereits morgens bei NNW mit am Start war, zwischen den Pfosten. Bereits in der 11. und 17. Minute wurden zudem mit Sebastian Mach und Tomasz Piotr Rozycki zwei Spieler eingewechselt, die bereits zuvor bei der zweiten Mannschaft aufliefen. Respekt! Ein strammes Programm! Tur Abdin blieb indes in der zweiten Halbzeit am Drücker und legte vier weitere Treffer nach. Wrona betrieb in der 82. Minute immerhin Ergebniskosmetik - 8:2 der Endstand aus Sicht des BFC Tur Abdin, der in der gezeigten Form ganz oben mitspielen dürfte.

Polonia Berlin muss nun am kommenden Sonntag gegen den SV Stern Britz 1889 II unter Beweis stellen, dass die Mannschaft zu besseren Ergebnissen fähig ist. In jedem Fall war das Spiel bei Tur Abdin eine völlig entspannte Angelegenheit. Welch ein Kontrast zum Spiel der Zwooten bei NNW.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FC Polonia Berlin

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Artikel wurde veröffentlicht am
19 September 2023

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