ESV Lok Potsdam an der Glienicker Brücke: Wasser, Idylle und Dolce Vita

Bereits zu DDR-Zeiten war der 1953 ins Leben gerufene Eisenbahner-Sportverein Lokomotive Potsdam über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt, und auch nach der Wende wurden in den verschiedensten Sportarten zahlreiche Titel eingefahren. 41-mal Gold bei Weltmeisterschaften, 46-mal Gold bei Deutschen Meisterschaften und sage und schreibe 141-mal Gold bei DDR-Meisterschaften - vor allem die Leichtathletikabteilung räumte stets gut ab. Etwas überschaubarer sieht die Auflistung bei der Fußballabteilung aus. Im Jahre 1962 wurde der Georg-Linke-Pokal geholt, in den 1970er Jahren wurde Lok Potsdam mehrmals Stadtmeister und 1998 erspielte sich Lok Potsdam den dritten Platz bei den Eisenbahner-Bezirks-Meisterschaften.

Bemerkenswert: Eine lange Freundschaft wurde / wird mit dem TSV Uesen (südöstlich von Bremen) gepflegt. 1956 nahmen Sportsfreunde aus dem Ortsteil Achim Kontakt auf zu Lok Potsdam. In der Folge gab es zwei Freundschaftsspiele in Potsdam und auch einen Gegenbesuch in Niedersachsen. Noch vor dem Mauerbau fror der Kontakt allerdings ein. Im Januar 1990 nahm Günter Fehsenfeld aus Uesen auf dem Postweg wieder Kontakt auf zu den Eisenbahnern vom Lok-Platz an der Glienicker Brücke. Mit Erfolg, die Freundschaft wurde tatsächlich wiederbelebt. Allerdings war es vor allem in Uesen schwer, die jüngeren Vereinsmitglieder für die drei Jahrzehnte ruhende Freundschaft zu begeistern. In einem war der TSV Uesen in jedem Fall behilflich - und zwar beim Aufbau neuer Vereinsstrukturen nach dem Mauerfall.

In der Gegenwart ist die erste Mannschaft des ESV Lokomotive Potsdam in der Landesklasse West zu finden, die zurückliegende Saison wurde mit Rang 10 abgeschlossen. In der aktuellen Spielzeit sind unter anderen Hansa Wittstock, Veritas Wittenberge/Breese, Chemie Premnitz und der SV Babelsberg 03 II die Gegner. Als ich im Winter 2020 ein paar Aufnahmen vom Lok-Platz für mein damals in Arbeit befindliches Buch „Fußballheimat Brandenburg“ (Link zum Buch) anfertigen wollte, war das Wetter grau und Corona stand bereits vor der Tür. 

Nun schaffte ich es endlich mal, dem überaus idyllisch gelegenen Lok-Platz an der Glienicker Brücke einen Besuch bei bestem Sommerwetter abzustatten. Am gestrigen Vormittag bot das Spiel der zweiten Mannschaft gegen den FC Borussia Belzig im Kreispokal Havelland eine prima Gelegenheit. Ab in den mit Fahrrädern vollgestopften Regio bis Wannsee und dann mit dem Bus ganz entspannt weiter bis kurz hinter die Glienicker Brücke. 

Wow! Was für eine klasse Sportanlage, die sich nicht im Besitz der Kommune / Stadt, sondern des Vereins befindet. Der Sportplatz befindet sich am Ufer des Tiefen See und der Blick geht rüber zum Park Babelsberg. Etliche Boote liegen an den Steganlagen und aufgebaute Sitzgruppen lassen in Gedanken ausmalen, wie idyllisch es an einem lauen Sommerabend sein kann. Prächtig anzusehen ist auch das helle Gebäude mit Türmchen, in dem sich das Restaurant LOKalität befindet. Fast fühlt man sich nach Italien versetzt.

Welch ein genialer Blick von der Terrasse auf den Sportplatz und das dahinter befindliche Gewässer. Gibt es bereits ein Bierchen? Eigentlich würde erst in anderthalb Stunden geöffnet werden, doch ein frisch Gezapftes sei möglich. Ich ließ es mir gut gehen und betrachtete auf dem Handy die mir zugeschickten Fotos aus Leipzig. Dort empfing die andere Lokomotive die Frankfurter Eintracht, und in einem Biergarten tranken wohl zwei Gruppen Lok- und SGE-Fans - kritisch beobachtet und getrennt von einigen Polizisten. 

Hier bei Lok Potsdam war es sicherlich entspannter, und siehe an, kurz vor Anpfiff erschienen auch vier Gästefans aus Belzig mit Zaunfahne, Trommel und Megafon. Na dann man tau! Die Mannschaften liefen auf und von der Terrasse aus beobachtete ich das Treiben auf dem grünen Rasen. Während die zweite Mannschaft von Lok Potsdam in der 2. Kreisklasse C spielt, ist der FC Borussia Belzig in der Kreisliga B anzutreffen. Da zwischen beiden Ligen noch die 1. Kreisklasse liegt, war Belzig am gestrigen Vormittag ziemlich eindeutig der Favorit.

Und dieser ging Dank des Treffers von Tobias Paul in der 22. Minute mit 1:0 in Führung. Allerdings hatten die Gastgeber aus Potsdam nur zwei Minuten später die passende Antwort parat. Christopher Grund machte das 1:1. Würde es doch einen spannenden Pokalkrimi geben? Angefeuert von den vier Fans, die wenig später auch ein Bierchen holten, wurde der FC Borussia Belzig seiner Favoritenrolle gerecht. Nach einer halben Stunde erzielte Robert Heise das 2:1, in der zweiten Halbzeit konnten die Gäste noch vier Treffer nachlegen. 1:6 der Endstand aus Sicht des ESV Lok Potsdam. Mir hatte es so oder so bestens gefallen, und nach zwei, drei Fotorunden zog ich weiter in die Potsdamer Innenstadt, um dort mit meinem größeren Söhnchen im Holländischen Viertel und im Park Sanssouci einen schönen Nachmittag zu verbringen. Ohne Sorge - keine Sorge - ich komme gern wieder!

Fotos: Marco Bertram

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