Auf Traktor, auf! Noch 12 Runden für Boxhagen bis zum Europapokal!

Im Herbst 2025 könnte es soweit sein! Der SV Traktor Boxhagen könnte in der Gruppenphase der Europa League antreten und die Erfolgsstory beenden, die nun im Sommer 2023 begonnen wurde. Noch 12 Runden bis zum Europapokal! Noch sechs Runden im laufenden Betrieb des Berliner Landespokals, dann sechs Runden inklusive Pokalfinale im DFB-Pokal 2024/25. Je nach Konstellation könnte sogar die reine Teilnahme am DFB-Pokalfinale genügen. Traumhaft! Als Freizeitligist plötzlich durch Europa tingeln und den Namen Boxhagen über die Bezirks-, Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt machen! Auf Traktor, auf! Ein paar Etappenziele bis zum großen Ziel wurden immerhin bereits erreicht.

Gehen wir gedanklich jedoch erst einmal etwas zurück. „Fußball ist Freiheit: Entspanntes Stelldichein beim SV Traktor Boxhagen“ titelte ich im September 2012, nachdem ich in der Lichtenberger Hauffstraße beim Freizeitliga-Klassiker SV Traktor Boxhagen vs. Roter Stern Nordost Berlin II vorbeigeschaut hatte. Nach dem Spiel Hertha BSC vs. SG Dynamo Dresden schneite ich abends beim bereits begonnenen Spiel vorbei. Es stand bereits 3:0 für die Hausherren, die sich über ihre weinroten Trikots grüne Leibchen streifen mussten. Der Grund: Auch die Gäste von Roter Stern traten in Weinrot an. Traktor mit schwarzen Hosen, Roter Stern mit weißen Hosen – dieser Unterschied genügte dem Schiedsrichter nicht. Es sollte alles seine Ordnung haben. Zumal ein Kamerateam und eine Handvoll stadtbekannte Fotografen und Autoren vor Ort waren. Eine internationale Mischung aus Schotten, Australiern, Mecklenburgern und Berlinern war es, die dort am Rande des Kunstrasenplatzes zusammenfand.

Ein 0,5er Bier gab es damals für 1,20 Euro, und ein paar Würste wurden auch aufgelegt. Traktor Boxhagen hatte vor der Saison 2012/13 von Kleinfeld auf Großfeld umgestellt und spielte in der Staffel 1 der Berliner Freizeit Kreisliga A unter anderen gegen Rapid Rummelsburg, Biber Sport Club Spandau II, BSC Comet und Fortschritt. Inzwischen stieg Traktor Boxhagen zweimal auf, ist in der Freizeit-Verbandsliga angesiedelt und wurde in der zurückliegenden Spielzeit vor dem FC Britische Löwen und dem 1. FC PV Nord Berliner Meister im Freizeitfußball.

Während der 1999 ins Leben gerufene SV Traktor Boxhagen lieber weiterhin im Freizeitfußball den Ball rollen lässt, wagte der FC Britische Löwen den Sprung in den Spielbetrieb des Berliner Fußballverbands und ist nun als Berlin Lions FC in der Staffel 8 der Kreisliga C anzutreffen. Was den SV Traktor Boxhagen betrifft, so hatte sich dieser für die Qualifikation des Berliner Landespokals 2023/24 qualifiziert. Und nun haltet Euch fest: In dieser war mit dem Kreisligisten Berlin Lions FC ein alter Bekannter der Gegner. Beide taten sich am Abend des 4. August ziemlich schwer - Chancen waren auf beiden Seiten Mangelware -, doch sollte ein knapper 1:0-Sieg für den Einzug in die erste Hauptrunde genügen.

Also nix wie hin nach der Arbeit zur Hauffstraße! Gestriger Gegner war der Bezirksligist FC Amed, der kurdische Wurzeln hat, doch laut Medienberichten lieber unpolitisch bleiben möchte. Zur Erklärung: Amed ist die kurdische Bezeichnung für die südostanatolische Stadt Diyarbakır. Was einen am gestrigen Abend sportlich erwarten würde? Gute Frage. Die meisten Zuschauer dürften wohl mit einer Niederlage gerechnet haben, und ein guter Kumpel, der den Auftritt in der Qualifikationsrunde gesehen hatte, meinte vor dem Spiel zu mir, dass ein Bezirksligist wohl oder übel eine Nummer zu groß sei für Traktor.

Bei herrlicher Abendsonne wurde sich erst einmal mit einer Bowu - auch Bocki genannt - und einem Bier verpflegt. Die lässigen Preise von 2012 sind natürlich auch bei Traktor Boxhagen passé, aber ging der Preis für das 0,3er Flaschenbier schon klar. Schon bald bildete sich eine kleine Schlange, und zufrieden zeigten sich die Zuschauer über das sportliche Geschehen auf dem Kunstrasen. Die ersten Aktionen deuteten sofort an: Hey, hier könnte doch tatsächlich etwas gehen für den Freizeitligisten! Mit Biss ging es in die Partie, manch eine Kombination konnte sich wahrlich sehen lassen.

Der FC Amed fand nicht recht in die Partie, der klare Außenseiter bestimmte das Geschehen und ging bereits in der ersten Halbzeit mit 1:0 in Führung. Großer Jubel bei den Anwesenden - da durfte es in der Pause gleich noch ein Bier sein. Und noch eins! Dazu ein paar Fachgespräche über Dessau 05 und Luton Town. Hinter den anliegenden Lichtenberger Altbauten ging langsam die Sonne unter und das Flutlicht wurde schon mal eingeschaltet.

Auch in der zweiten Halbzeit dominierte der Freizeitligist den Bezirksligisten, allerdings gab der Schiedsrichter - gefühlt nach vehementer Forderung - einen Elfmeter für den FC Amed. Der Traktor-Torwart im bunten Trikot machte eine gute Figur und ich hatte ein gutes Gefühl. Video an - und tatsächlich, der Keeper hielt den Strafstoß und groß war der Jubel. Nun war richtig Würze im Spiel, und nach einer geilen Kombination über die rechte Seite hieß es fast 2:0, doch klatschte der Ball an den linken Pfosten.

In Erinnerung blieb noch eine grandiose Boxhagener Grätsche, die sogar zum Einwurf für den Gastgeber führte. Na, geht doch! Nur noch wenige Minuten! Am Ende brachte der krasse Außenseiter die knappe Führung über die Zeit, und ausgiebig wurde der Einzug in die zweite Hauptrunde des Berliner Pokals gefeiert. Auf Traktor, auf! Die erste Ernte wurde eingefahren. Wir sind mächtig gespannt auf den Gegner in der kommenden Runde! Eins dürfte nun klar sein: Nach Möglichkeit werden wir wieder vor Ort sein! Ist doch klar, dass diese Erfolgsstory nicht verpasst werden darf!

Fotos: Marco Bertram