Nachbetrachtung Elversberg vs. Rostock: Unmögliche Kommunikation der Polizei

Nachbetrachtung Elversberg vs. Rostock: Unmögliche Kommunikation der Polizei

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Es war mal wieder eines dieser Spiele, an das sich die, die dabei waren, wohl noch lange und vor allem gern erinnern werden. Da es von einigen regelrecht gefordert wurde, möchte ich mich nach Ewigkeiten auch mal wieder etwas ausführlicher zum Spiel und dem ganzen Drumherum äußern. Dass das nicht jedem gefallen wird, ist mir auch klar, aber was soll's...

Vorgeschichte Nummer 1 – Ein Umzug

Nach fünf Jahren in Berlin hat es mich nun wieder in Richtung Heimat verschlagen. Das verkürzt zwar den Weg zur Familie enorm, macht aber die Fahrten zu unserem großen F.C. Hansa wieder etwas länger und komplizierter. In meiner neu bezogenen Wohnung herrscht zudem noch absolutes Chaos, sodass ich die Zeit am Wochenende eigentlich gut gebrauchen könnte. Für ein “Auslassen” des Spiels spricht auch, dass sich nicht wirklich abzeichnet, dass ich irgendwo mitfahren kann, sodass es absolut Sinn machen würde, sich das Spiel daheim anzuschauen. Das Problem ist nur, dass Sachen, die bezogen auf Hansa Sinn machen und was ich letztendlich tue, teilweise eine erstaunlich kleine Schnittmenge haben.

Vorgeschichte Nummer 2 – Ein Neuzugang aus Stuttgart

Als sich am Donnerstag bereits abzeichnet, dass ein gewisser Juan Jose Perea unseren Verein verstärken soll, suche ich direkt den Kontakt zu Kollegen aus Stuttgart, die dort regelmäßig zum VfB gehen. Die Nachricht “Ist ein richtiger Kämpfer, aber Toreschießen ist nicht so sein Ding” ist dann nicht unbedingt das, was ich hören will. Nur gut, dass wir eigentlich genau so einen bräuchten. Aber egal. Lasst den Jungen erstmal ankommen. Das tut er dann Freitag auch und aufgrund der Kürze der Zeit steht er doch etwas überraschend schon am Samstag im Kader. Der Rest der Geschichte ist bekannt…

Der Spieltag

Aufgrund eines kleinen Tricks gab es trotz der späten Buchung sogar noch recht günstige Zugtickets. Um kurz nach vier geht es in Richtung Geraer Hauptbahnhof, den ich in den letzten Jahren zugegebenermaßen etwas vernachlässigt habe. Erstaunlicherweise fährt der dort bereits 30 Minuten vor Abfahrt bereitgestellte Zug mit Verspätung ab, was mich dazu nötigt, morgens kurz nach 6 Uhr bereits einen taktischen Zwischensprint in Erfurt einzulegen, um meinen ICE in Richtung Mannheim zu erwischen. Da ich aber meine Hausaufgaben in der Saisonvorbereitung gemacht habe, ist das zum Glück kein Problem. 

Die restliche Fahrt verläuft bis Mannheim ziemlich entspannt. Ab da treffen gefühlt alle Zugfahrer, die es mit dem F.C. Hansa halten, aufeinander. Das sorgt dafür, dass die Sicherheitskräfte bei unserem Eintreffen in Saarbrücken einen völlig überforderten Eindruck machen. Eine völlig entspannte Gäste-Meute wird von vermummten Einheiten und mit den Worten “Sammelt euch bitte vorne, wir gehen dann gemeinsam runter, wo ihr zu den Schließfächern und nochmal auf Toilette könnt, bevor wir dann zum Stadion gehen” empfangen. Und es ist alles eine einzige Scheisse, die da erzählt wird. Wir können jetzt schon mal festhalten: Es wird das einzige Mal an diesem Tag sein, dass eine Kommunikation von Seiten der Polizei stattfindet und es ist einfach alles nur die reinste Verarsche. 

Auf die Frage, wo man denn auf Toilette gehen könnte, nachdem man um den Bahnhof herum geführt und sich plötzlich eingekesselt vor dem Bahnhof wiederfindet, bekommt man nur die Antwort “Im Stadion”. Alles klar, vielen Dank. Auf die Gelegenheit, meinen Rucksack ins Schließfach zu bringen, warte ich übrigens immer noch. Dennoch bewegt sich der Haufen relativ entspannt in Richtung Stadion, auch wenn der Plan, den doch recht starken Haufen ohne Verkehrsbehinderung nur auf den Gehwegen zu eskortieren, völlig überraschend nicht aufgeht. 

Am Stadion gibt es, gemessen an der Aufregung, die irgendwie dort herrscht, die entspanntesten “Kontrollen”, die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Gefühlt könnte man alles mit rein nehmen, solang es nicht nach Aufkleber aussieht. Doch auch diese Suche scheint nicht von Erfolg gekrönt, sodass der Block schon kurz nach Öffnung gut geschmückt ist. 

Das Spiel selbst wäre schnell erzählt, wenn nach der 90. Minute Schluss gewesen wäre. Hansa erwischt keinen guten Tag. Hinten rutschen ungewöhnlich viele Bälle durch und vorne kommt meistens schon der vorvorletzte Pass nicht an. Die wenigen überzeugenden Chancen sind entweder Zufallsprodukte oder reichen nicht mal annähernd, um die Großchancen der Elversberger aufzuwiegen. Es scheint sich insgesamt einfach nicht abzuzeichnen, dass Hansa hier und heute was Zählbares zustande bringt. Als dann kurz vor Schluss beim Stand von 1:0 für die anderen noch ein (aus Sicht des Gästeblocks glasklarer) Elfer gegen uns gepfiffen wird, ist normalerweise wirklich Feierabend. “Normal” ist bei unserem Verein aber nicht der Standard und dazu haben wir ja einen Torwart, der auch ab und zu mal einen Elfer halten kann. Dass das trotz verwandeltem Nachschuss noch entscheidend sein soll, ahnt zu diesem Zeitpunkt keiner. 

Mit der Verkündung der Rücknahme des vermeintlichen 2:0 entwickelt sich eine überragende Lautstärke im Gästeblock und was so oft im bisherigen Spiel nicht geklappt hat, versucht jetzt jeder einzelne: Der Mannschaft die entscheidenden Prozente für den späten Ausgleich mit auf den Weg zu geben. Und es klappt. In einer für die unteren Reihen recht unübersichtlichen Situation im Strafraum der Gastgeber, fangen auf einmal einige das Jubeln an. Andere jubeln einfach mal auf Verdacht mit und rasten dann erst so richtig aus, als der Schiedsrichter in Richtung Mittelpunkt zeigt. Dass wirklich ein Tor für uns gefallen ist, erfahren manche, trotz dass sie im Block sind, erst durch den Liveticker auf dem Handy.

Der Jubel wandelt sich gerade in ein kleines “Pfeif ab!”, als Hansa nochmal einen Freistoß auf Höhe der Mittellinie bekommt. Im Anschluss daran regen sich einige, mir inklusive, noch über ein vermeintliches Foul auf, als der Ball noch einmal in Richtung des gegnerischen Tores segelt, von einem Gegenspieler vor die Füße unseres Neuzugangs prallt und der den irgendwie mit der Pike ins Tor spitzelt. Der bis dahin starke Torwart der Elversberger fällt wie eine Bahnschranke und kann nicht verhindern, was gleich für den absoluten Abriss im Gästeblock hinter dem Tor sorgen wird. Es sind Szenen, die an das 3:4 auf Schalke erinnern. Neben der puren Freude über den sehr späten Sieg sieht man aber auch ganz viele ungläubige Blicke im Block. 

Viele müssen sich erstmal kneifen, stehen kopfschüttelnd im Block oder wechseln fragende Blicke mit ihrem Nebenmann. Auch, wenn alle einfach feiern und durchdrehen, kann in dem Moment keiner so wirklich verarbeiten, was da gerade passiert ist. Die Mannschaft und besonders Markus Kolke, der dieses Wunder erst möglich gemacht hat, werden gebührend verabschiedet und mit dem Gedanken “wenn wir uns beeilen, bekommen wir noch den früheren Zug” setzen sich insbesondere die Zugfahrer recht zügig in Bewegung Richtung Ausgang. 

Das Nachspiel

Beim geplanten Weg Richtung Bahnhof hat man die Rechnung aber ohne die bereits oben erwähnten Sicherheitskräfte gemacht, die scheinbar genau das verhindern wollen. Wie bereits in der letzten Saison in Kaiserslautern (waren übrigens, welch Überraschung, dieselben Kräfte) lässt man, ohne irgendeine Kommunikation der Gründe oder Hintergründe des Vorgehens, die Leute warten, die noch 850 Kilometer Strecke vor sich haben. Der mit dem Mikrofon hat dann mehr damit zu tun, die Leute vom Tor wegzusprechen oder sich darüber zu echauffieren, dass ihn jemand auf sein nicht vorhandenes Hochdeutsch anspricht, als mal die wirklich wichtigen Ansagen zu machen. Es wäre eine einzige Ansage gewesen, die so viel Feuer aus der ganzen Geschichte genommen hätte: “Wir gehen gleich gemeinsam los und ihr werdet euren Zug nach Mannheim und damit den Zug nach Hamburg noch erreichen. Beide Züge warten auf euch!”. Ende. 

Es wäre so einfach gewesen. Ob man dem angesichts der Ansagen bei der Ankunft Glauben geschenkt hätte, steht auf einem anderen Blatt, aber das Thema hatten wir ja schon. Ich warte zu dem Zeitpunkt übrigens immer noch darauf, dass ich zum Schließfach darf. Stattdessen kommt wieder die Durchsage “Lasst bitte das Tor in Ruhe, wir gehen in zwei Minuten los”. Als sich dann weitere zehn Minuten später nix tut und es darauf hinausläuft, dass wir den Zug nicht bekommen und einige es nicht mehr nach Hause schaffen, werden die ersten endgültig ungeduldig und wie von Geisterhand öffnet sich das erste Tor. Mit dem Einsatz von Pfefferspray wird die ganze Meute dann zurückgedrängt. Das Schauspiel ereignet sich dann weitere zwei Male, bis es endlich losgeht. Was der Sinn dieser ganzen Aktion war und warum das nicht schon 20 Minuten vorher möglich war, wird wohl für immer ein Geheimnis der eingesetzten Kräfte bleiben. 

Und jetzt kommt mir bitte keiner mit Fantrennung. Wir reden hier immerhin von Elversberg. Zudem würde es aus rein logischen Gesichtspunkten mehr Sinn machen, die Leute warten zu lassen, die 13 Kilometer Fahrt vor sich haben. Und da braucht man nicht mit Menge kommen, denn Hansafans, Elversberger und Neutrale Zuschauer werden sich dort in etwa die Waage gehalten haben. Also alles kompletter Bullshit was dort abgezogen und im Nachhinein kommuniziert wurde. 

Wie bereits beim Spiel in Kaiserslautern hat man uns da einfach stehen lassen, was (diesmal) nicht dazu geführt hat, dass wir unseren Zug nicht bekommen haben, aber für sehr viel vermeidbare Unruhe gesorgt hat. Und da wir ja auch bei den Behörden gerne Ansätze zum Sparen suchen: Wenn man nicht vor hat, ernsthaft mit den Fans zu kommunizieren, kann man sich die krassen Lautsprecherwagen, Anzeigetafeln und Einsatzleiter mit Mikrofonen auch sparen. Was man sich übrigens auch sparen kann, sind Pressemitteilungen, die nicht ansatzweise der Wahrheit entsprechen. Dann irgendeinen Schwachsinn von vorzeitigem Verlassen des Gästeblocks zu schreiben, entbehrt angesichts des oben geschilderten Spielverlaufs, einer Nachspielzeit von letztendlich 14 Minuten und der anschließenden Feierei einfach jeglicher Grundlage. 

Aber vielleicht war man von Seiten der Einsatzleitung, wie vor ein paar Monaten in Kaiserslautern ja wieder der Meinung, dass das Spiel erst 14 Uhr angepfiffen wurde. Ich bleibe bei der Aussage von oben, dass ich selten so schlecht informierte, so schlecht vorbereitete und so verdammt überforderte Kräfte, die auch noch jegliche Form der Kommunikation vermissen lassen (die beiden Male, in denen man von vorne bis hinten verarscht wurde, lasse ich hier bewusst weg), erlebt habe. Da können wir uns in Kaiserslautern schon mal auf ganz viel Spaß einstellen und froh sein, dass wir für den Rest der Saison diese Ecke der Republik abgehakt haben. 

Es ist eigentlich schade, dass man sich nach solch einem Spiel mit so einer Scheiße beschäftigen muss. Beschäftigen muss man sich sicher auch mit dem einen oder anderen Höhenflug. Fakt ist aber, dass es aktuell einfach nur sechs Punkte für den Klassenerhalt sind. Und wir wären nicht Hansa, wenn wir bei dieser aufkommenden Euphorie nicht im Pokal gegen Frankfurt verkacken würden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass auch diesmal jeder den Weg dorthin findet, um der Mannschaft, wie am vergangenen Samstag, die letzten Prozente mit auf den Weg zu geben. Wir sehen uns.

Bericht: Mia B.

Fotos: Matthias, Ulf Lange (Fußballfotografie), Sachseninformer

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

> Weitere ältere Beiträge der Autorin im privaten Blog

Stadionname:
  • Ludwigsparkstadion
Artikel wurde veröffentlicht am
08 August 2023
Spielergebnis:
1:2

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Inhalt über Liga
2. Bundesliga

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Ja mit den Herren von der Polizei am Ludwigsparkstadion hatten wir auch so unsere Problemchen. Aber die bei unserem Spiel (FCS - RWE) kamen nicht aus dem Saarland, sondern aus Rheinland-Pfalz
G
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Es gilt großer Dank an die Verfasserin dieses Textes! Der Mut zur Wahrheit ist nicht jedermann bzw jederfrau Sache!!!
J
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Sorry
Kommunikation und korrekte Darstellung der Geschehnisse gehören nicht gerade zu den Stärken der Saarländischen Polizei. Spüren wir selbst oft zur Genüge. Sportlicher Gruss eines Fans des 1.FC Saarbrücken
MZ
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Vielen Dank für diese Klarstellung! Weiter so!

VG
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