Energie Cottbus vs. Unterhaching: Emotional und intensiv wie immer - aber es bedarf noch mehr!

Energie Cottbus vs. Unterhaching: Emotional und intensiv wie immer - aber es bedarf noch mehr!

Resignation in der ersten Reihe des flotten Sportwagens, der durch die nächtlichen Brandenburgischen Landschaften von Cottbus nach Frankfurt (Oder) brauste. Neben mir war die Laune indes etwas besser. Der Zufall wollte es, dass zwei eingefleischte Werder-Fans, die auch dem FC Energie die Daumen drücken, neben mir saßen. Nach acht frisch Gezapften war die Laune der beiden nicht kleinzukriegen. Während die beiden vorne schweigend über das soeben gesehene Spiel im Stadion der Freundschaft sinnierten und nicht allzu optimistisch auf das Rückspiel in Unterhaching blickten, plauderten die beiden neben mir fröhlich über Aufkleber-Kämpfe mit örtlichen Hertha-Fans, stießen mich immer wieder an und quetschten mich neugierig über meine beruflichen Tätigkeiten aus. 

Ob ich im August 2022 beim DFB-Pokalspiel Energie Cottbus vs. Werder Bremen gewesen sei, wurde ich gefragt. Nee, war ich nicht. Aber in den Jahren zuvor hatte ich so manch eine Schlacht im Stadion der Freundschaft gesehen. Unvergessen die ersten Erstligaduelle gegen Hertha BSC, als man in den vollgestopften flachen Kurven quasi nix vom Spiel gesehen hatte. Ebenso unvergessen die Pokalspiele gegen den Hamburger SV und den VfB Stuttgart und natürlich auch das Aufstiegsspiel gegen Weiche Flensburg. Wie früher in der Pokalsaison 1996/97 und bei der Aufstiegs-Relegation gegen Hannover 96 brennt die Luft m Stadion der Freundschaft, wenn es drauf ankommt. Wahrlich kenne ich einige Stadien mit toller Atmosphäre - und ganz klar gehört die Heimstätte des FC Energie Cottbus dazu. Wie gesagt, bei den besonderen Spielen, wenn es drauf ankommt!

Aber gut, eine geniale Stimmung allein sorgt nicht dafür, dass Bälle in die gegnerischen Maschen fliegen. Das Heimspiel gegen Weiche Flensburg in der Aufstiegsrunde im Mai 2018 (0:0) zeigte es allzu gut. Zittern bis zum Ende - dann aber Dank des 3:2-Auswärtssieges im Hinspiel die große Aufstiegsparty. Dieses Mal erfolgte das Hinspiel daheim - und nun muss auswärts geschaut werden, dass die Sache rund und der Aufstieg eingesackt wird. Ganz klar, gestern lief es noch nicht ganz rund. Zwar stimmte der Einsatz definitiv, doch war die Offensive einfach viel zu harmlos. Insbesondere im zweiten Spielabschnitt - dann wurde auf die heimische Nordwand gespielt - hätte mehr kommen müssen.

Apropos, ganz rund lief es am gestrigen Nachmittag auch nicht beim Regionalverkehr. Nur zu gut, dass ich überpünktlich in Berlin losfuhr und mit der S-Bahn bis Königs Wusterhausen düste, um dort den nächsten Regio in die Lausitz zu nehmen. Wat denn hier los? Großes Getümmel auf dem Bahnsteig - der RE2 nach Cottbus hatte eine satte Verspätung. Erst 20 Minuten, dann eine halbe Stunde, am Ende fast eine ganze Stunde. Die Berufspendler wurden muffig, die Energie-Fans blieben entspannter und tranken ein Bierchen. Bis zum Anpfiff war es ja noch hin.

In Cottbus angekommen, ging es für mich zu Fuß direkt zum großen Parkplatz in Cottbus-Sandow, wo mich Molli - einige kennen ihn aus meinem Fußballroman über Vorwärts Berlin / Frankfurt (Oder) - und seine Kumpels an den Autos erwarteten. Noch ein kühles Blondes aus der Büchse - dann ging es bereits zum Stadion. Anderthalb Stunden vor Anpfiff - und das Getümmel war bereits enorm. Allgemeine Aufregung und Vorfreude. Das Ligaspiel gegen Rot-Weiß Erfurt vor vollen Rängen hatte Lust auf mehr gemacht. Schnell ist stets die Lausitz aus dem Dornröschenschlaf erwacht und die Energie-Fans strömen wieder zu tausenden ins Stadion. Wobei gesagt werden muss, dass mit 4.000 bis 6.000 auch im teils drögen Regionalliga-Alltag stets zu rechnen ist.

Kaffee und Kekse im Presseraum ließen mich an meine Zeiten beim Film als Komparse und Kleindarsteller erinnern, als der frisch gebrühte Filterkaffee in den großen Kannen stets für Freude in der weiten Runde gesorgt hatte. Für weniger Freude sorgte gestern bei den Zugfahrern die Tatsache, dass der letzte Zug nach Fürstenwalde und Berlin bereits 30 Minuten nach Abpfiff fahren würde. Ne knappe Kiste. Ich setzte daher sogleich auf die Autofahrt mit Freunden nach Frankfurt (Oder). Dort den letzten Nacht-Regio bekommen oder halt noch rüber nach Slubice, um dort paar Piwo zu zischen und die Zeit zu überbrücken.

Aber wer wollte schon an die Rückfahrt denken? Ab auf die Ränge! Ab in den Innenraum! Die Fans stimmten beim Warmmachen der Spieler die ersten Gesänge an. Wenig später hallte das Brandenburglied durch das Stadion. Auch nach inzwischen 14 Jahren Innenraum-Erfahrung (turus.net wurde 2008/09 ins Leben gerufen) ist es immer wieder wunderschön, solch eine Atmosphäre aufsaugen zu dürfen. Wobei Abendspiele sowieso häufig das Salz in der Suppe sind. 

Mal ne Zwischenfrage: Wer könnte aus dem Kopf heraus sagen, wann Energie Cottbus zuletzt gegen die SpVgg Unterhaching gespielt hatte? Richtig! Es ist gar nicht so lange her. In der Drittliga-Spielzeit 2018/19 gab es auswärts ein 0:0 vor 1.500 und daheim ein 2:2 vor 8.041 Zuschauern zu sehen. Aufeinandertreffen gab es sogar in der 1. Bundesliga-Saison 2000/01. Damals konnte Haching daheim vor 10.500 Fußballfreunden mit 2:1 gewinnen, beim Rückspiel hatte Energie vor 17.500 Zuschauern mit 1:0 die Nase vorn. Den Treffer des Tages erzielte Franklin Bittencourt nach knapp einer halben Stunde.

Die damaligen Spielernamen flutschen noch immer wie aus dem EffEff. Tomislav Piplica, Bruno Akrapović, Laurentiu Reghecampf, Rudi Vata und natürlich allen voran Trainer Ede Geyer. Und ach ja, die gestrige Kulisse war fast exakt genauso groß wie damals am 30. Spieltag der Erstliga-Spielzeit 2000/01. Dass gestern das Spiel nicht komplett ausverkauft war, lag an zwei Dingen. Zum einen an der doch recht späten Anstoßzeit (wie erwähnt, kam man schlecht mit dem Zug wieder weg), zum anderen war der Gästebereich nun wahrlich nicht mega gefüllt. Respekt an die anwesenden Gästefans, die für solide Stimmung gesorgt hatten, doch war nun mal die Anzahl der Haching-Fans überschaubar.

Auf Heimseite gab es zu Beginn eine klassische Zettel-Choreo zu sehen. Auf den Einsatz von Pyrotechnik wartete man auf die zweite Halbzeit. In jener brannte es jedoch in einer Tour. Nach der ersten größeren Aktion brannten immer wieder einzelne Fackeln und Blinker. Wie Leuchtfeuer an der Mole sollten sie den Weg weisen. Hier hinein bitte! Aber wie gesagt - daraus wurde im zweiten Spielabschnitt leider nix. Den einzigen Energie-Treffer des Abends gab es in der ersten Halbzeit zu sehen. Genauer gesagt, nach einer Viertelstunde. 

Zuvor war es Niclas Anspach, der bereits nach fünf Minuten die erste richtige Möglichkeit der Gäste nutzen und Unterhaching mit 1:0 in Führung bringen konnte. Nach einem langen Pass nach vorn war die Energie-Abwehr komplett umsortiert und Anspach schaltete am schnellsten. Was für eine kalte Dusche für Cottbus! In der Folgezeit machten die Lausitzer Alarm, kamen zu Möglichkeiten - und in der 14. Minute ertönte der Pfiff. Handelfmeter für den Gastgeber! Jonas Hildebrandt zeigte Verantwortung und machte den Ausgleich vom Elfmeterpunkt aus. Was für ein Jubel auf den Rängen!

Munter ging es weiter. Haching traf einmal die Latte - und in der 37. Minute nochmals ins Tor. Von der Strafraumgrenze zog Simon Skarlatidis ab und sein von Fetsch abgefälschter Schuss traf ins Schwarze. 2:1 für Unterhaching. Die Gästespieler feierten vor der Gegengerade die Führung und zahlreiche Becher flogen gen Spielfeld. Und es kam fast noch arger. Nach knapp einer Stunde konnte Energie-Keeper Elias Bethke den Ball kurz vor der Linie festhalten. In der Folgezeit stimmte durchaus der Einsatz beim FC Energie, was sich auch beim Ballbesitz widerspiegelte, doch fehlte nach vorn die Durchschlagskraft.

In der 84. Minute lag den Heimfans allerdings bereits der Jubel auf den Lippen. Energie kam über die rechte Seite, stramm wurde abgezogen, doch René Vollath konnte den satten Schuss abwehren. Zwar gab es sieben Minuten Nachspielzeit, doch wollte der Ausgleichstreffer nicht fallen. Somit muss das Ganze im Rückspiel in Unterhaching nach Möglichkeit gedreht werden. Mit Gesängen und Anfeuerungsrufen wurde die eigne Mannschaft aufgebaut. Zwar war das 1:2 nicht allzu erfreulich, doch ist das Ganze durchaus aufholbar, zumal Cottbus in der zurückliegenden Regionalliga-Saison gezeigt hat, dass auch auswärts stets mit ihnen zu rechnen war. Wir sind gespannt!

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FC Energie Cottbus

Stadionname:
  • Stadion der Freundschaft
Artikel wurde veröffentlicht am
08 Juni 2023
Spielergebnis:
1:2
Zuschauerzahl:
17.580

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Kommentare
Vielen Dank
Toller Artikel !!!
Fast alles was Sie erzählten hat meine eigenen tollen Erinnerungen zum Leben erweckt - leider auch die lange Fahrt zurück aus Unterhachingen, gefühlt wie vor paar Jahren aus Braunschweig, obwohl man Meister und Pokalsieger war …
N
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G
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Solide wie immer.
U
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G
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G
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Richtig gut!
G
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G
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Klasse Artikel
Super geschrieben. Zu Cottbus passt du ohnehin besser als zu den Fischköpfen, Marco!
H
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G
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