Klassenfahrt des Rostocker Jugendclub nach Franken

In früheren Schulzeiten gab es die schönen Klassenfahrten. Zur Jugendweihefahrt fuhren wir nach Berlin oder Weimar (inclusive dem Besuch der KZ-Gedenkstätte) oder in andere Städte der DDR. Warum eigentlich nicht eine Klassenfahrt zu einem Auswärtsspiel von Hansa machen? Dazu bot sich doch das schöne „Bierland“ Franken und Hansas letzte Auswärtsspiel an.

Für mich ist Hansa und das Ostseestadion der größte Jugendclub in Rostock geworden. Hier trifft sich die Jugend und verlässt die Ödnis ihrer Stadtteile, Dörfer und Kleinstädte. Die Kneipe ist schon lange zu, Disko ist langweilig und nur Busbude ist auch nicht schön. Hansa ist ein wichtiger sozialer Faktor und für viele der Mittelpunkt im Leben. Als Jugendlicher probiert man sich aus und darf auch mal über das Ziel hinausschießen.  

Neben vielen jungen Hansafans gibt es auch viele „Oldtras“ bei Hansa. Viele Oberligafahrer, welche Hansa früher mit 100 Leuten nach Aue oder Erfurt begleitet haben. Schlachtenbummler! Und die sind immer noch da. Eine große Anzahl machte wieder mal ihre Abschluss Fahrt nach Franken. Im schönen Forchheimer Kellerwald wurde in verschiedenen Biergärten gefeiert. Am Sonntag war dann unser 5. Endspiel in Nürnberg. 

Ich mag diese extreme Spannung beim Fußball, wenn es richtig um etwas geht. Daher heute unser Pokalfinale! Knapp 40.000 bildeten den passenden Rahmen, darunter auch mindestens 4.000 Hansafans von überall her. Vor dem Spiel inszenierte der 1.FCN Karneval im Stadion. Auf dem Rasen wurden Riesen große Fahnen geschwenkt, hunderte Kinder liefen Ehrenrunden wie zum 1. Mai. Ich brauche diesen ablenkenden Kram nicht. Da fehlten noch eine Blaskapelle, Konfetti und Popcorn. Mir reichen Bockwurst, Brause und Musik von Horst Köbbert im Ostseestadion vollkommen aus. Ich hoffe das wir niemals so ein großer Eventverein werden. 

Bitte behaltet immer unser kleines und gemütliches Wohnzimmer für 29.000 Zuschauer im Hansaviertel, als eine seelenlose 40.000 Zuschauer fassende Arena am Rande der Stadt!  „Hurra, Hurra, die Rostocker sind da“ schallte es aus dem Gästeblock. Zumindestens ein Teil davon, so kam mein Nachbar aus Ansbach, aber ist Hansafan weil seine Mutter aus Bad Sülze stammt. So gibt es tausende Geschichten. Hier noch zwei Beispiele. Mein Freund Oli wohnt als Schweriner im Erzgebirge und sein dort geborener Sohn Louis wurde kein Fan von Aue oder gar Bayern, der ist Hansafan und war auch heute mit in Nürnberg. 

Oder Ralf - auch ein“ Oldtras“ - war 1989 über Ungarn in München gelandet und seine beiden Kinder sind natürlich auch in Bayern Hansafans geworden. Die alle sahen gleich zwei gelbe Karten gegen Hansa in den ersten 10 Minuten. Für nichts! Nürnberg spielte genauso wie Hansa noch vor wenigen Wochen. Vollkommen ohne Plan und gefällig bis zum Strafraum. Ab da ohne wirkliche Torgefahr. 

Ganz anders Hansa, nach unseren vier Siegen strotzten wir vor Selbstbewusstsein. So gelang auch unsere für mich logische und völlig verdiente 1:0-Führung. Was für ein Ostjubel im Gästeblock! Doch Helmuts Tor wurde durch den VAR aberkannt. Jubel des Heimpublikums und die 15-minütige Pause war dann für uns sehr passend. Der Club war nach der Pause um die 1:0-Führung bemüht, aber eine Abwehrschlacht wie beim Auswärtssieg in Kaiserslautern wurde es nicht. 

Auch in der sechsminütigen Nachspielzeit rutschte zum Glück kein Ball durch. „Wenn wir zusammensteh'n, wenn wir zusammen geh'n. werden wir niemals untergeh'n!" Der Schwur von Paderborn wurde erfüllt. Nach unserer Niederlage wurde die Mannschaft nicht ausgepfiffen, sondern mit Applaus zum gemeinsamen Klassenerhalt ermuntert. Der Patient Hansa wurde heute als geheilt entlassen. 

Meine Freudentränen kullerten nach dem Abpfiff und im Stadioninnenraum feierten Spieler und Fans den zusammen geschafften Klassenerhalt. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ und die Uffta schallte von Franken bis an den Ostseestrand. Die Feier glich einem Pokalsieg. Es ist eher selten, dass Fans und Spieler gemeinsam so zusammen feiern. Meist haben Ordner oder Polizeieinsatzleiter etwas dagegen. Das werden Bayernfans niemals so erleben!  

Dieses zweite Jahr mussten wir unbedingt überstehen, denn ein Abstieg würde uns vermutlich um Jahre zurückwerfen. Das Ostseestadion ist immer sehr gut gefüllt, die Fans kaufen die Fanshops leer und unsere Schulden werden weniger. Die Aussichten waren schon mal schlechter. Nach Berlin bietet sich eigentlich eine schöne Klassenfahrt in den Spreewald oder ins Brandenburgische Umland an. Viel Spaß am Sonntag im Ostseestadion und eine schöne Sommerpause wünscht euch Heiko. Ahoi.

Bericht: Heiko Neubert (Autor von Fankogge I & II)

Fotos: Sachseninformer, Heiko Neubert, Marco Henkel

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