Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten: Breisgau-Brasilianer und Werkself-Brasilianer

Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten: Breisgau-Brasilianer und Werkself-Brasilianer

 
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Wir haben den SC Freiburg. Und wir haben Bayer 04 Leverkusen. Beide Vereine brachten in der Vergangenheit Mannschaften hervor, die für viel Freude gesorgt haben. Während in den 90er Jahren die „Breisgau-Brasilianer“ nicht wirklich aus Brasilien kamen, gab es in der Werkself immer wieder echte brasilianische Spieler zu sehen, welche das Team mit prägten und die Zuschauer auf den Rängen zum Entzücken brachten. Jorginho, Paulo Sérgio, Paulo Rink, Lúcio, Juan, Emerson, França, Zé Roberto - um nur einige zu nennen. Mit Milton Queiroz da Paixao - wohl besser bekannt als Tita - fing im Jahre 1987 alles an.

Als Paulo Sérgio Silvestre do Nascimento im Sommer 1993 zu Bayer 04 an Rhein geholt wurde, sorgten 400 Kilometer erstmals die Breisgau-Brasilianer für Furore. Als souveräner Zweitligameister der Saison 1992/93 stieg der Sport-Club Freiburg unter Trainer Volker Finke gemeinsam mit dem MSV Duisburg und dem VfB Leipzig in die 1. Bundesliga auf. In jenem Sommer hinzu kam der argentinische Spieler Rodolfo Esteban Cardoso - und mit ihm gemeinsam wurde die Bundesliga-Saison 1993/94 gerockt.

Nicht, dass punktetechnisch souverän durchgezogen wurde - um den Klassenerhalt zu packen, war am Ende eine kleine Siegesserie dringend notwendig -, doch zeigten die Breisgauer in jener Spielzeit einen spielerischen Offensivstil und erwarben dadurch bundesweit reichlich Sympathien. Reichlich geärgert werden konnte der spätere Meister FC Bayern München, der am 27. November 1993 mit 3:1 geschlagen wurde. Uwe Wassmer machte mal eben alle drei Buden. In der Saison darauf legten die Freiburger noch einen drauf und verdroschen am 2. Spieltag den FC Bayern mit sage und schreibe 5:1. Cardoso erzielte zwei Treffer, die anderen Tore schossen Ralf Kohl, Martin Spanring und Jörg Heinrich. Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni war satt, Jean-Pierre Papin war satt und musste mit Gelb-Rot vom Platz.

Die Publikumslieblinge Altin Rraklli und Rodolfo Esteban Cardoso. Dazu die anderen Spieler um Jens Todt, Martin Span­ring, Andreas Zeyer und Oliver Freund. Der Beiname „Breisgau-Brasilianer“ war geboren. Nur zu klar, dass die Breisgau-Brasilianer in dem Buch „SC Freiburg - Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ von Christoph Beutenmüller ein eigenes Kapitel bekamen. In diesem ist zu lesen - und schon fällt es einem selber wieder ein -, dass in den 90er Jahren eine bunte Trommelgruppe mit dem Namen „Dreisamba“ auf den Rängen des Dreisamstadions für Stimmung gesorgt hatte. Im besagten Kapitel nachzulesen ist zudem, dass noch nie ein echter Brasilianer bei den Profis des SC Freiburg gespielt hatte. Zwar gab es einen Cafú, doch kam dieser von den Kapverden. 

In dem 120-seitigen Buch, das mit einem sehr gelungenen Cover daherkommt, gibt es zahlreiche weitere kompakte, informative Kapitel zu lesen. Von Schwalbe, FC Mars und Union Freiburg über Fritz & Fritz und den Rekord-Franzosen bis hin zu den legendären Spielen und schlimmen Pleiten. Abgeschlossen wird das Ganze von einem „Quiz für echte SCF-Experten“ und einer Seite mit Zitaten. Eine Kostprobe gefällig? „Kommen Sie nicht auf die Idee, hier aufsteigen zu können.“ Der einstige SCF-Präsident Achim Stocker meinte dies zu Trainer Volker Finke, als sich in der Winterpause der Zweitligaspielzeit 1992/93 der erste Bundesligaufstieg der Vereinsgeschichte abzeichnete. 

Und die „echten Brasilianer“ am Rhein? Über Bayer 04 Leverkusen gibt es in der Reihe ebenso einen Band, der auch 120 Seiten und ein ebenso hübsches Cover (ein glänzender Ulf Kirsten auf mattem Grund) hat. Dieses Buch hat Jan Zimmermann verfasst, den es im Alter von elf Jahren zum ersten Mal in die BayArena zog. Aktuell ist er regelmäßig für Bayer 04 im Einsatz, so zum Beispiel als Blindenreporter im H-Block.

Logisch, dass die „echten Brasilianer“ ein eigenes Kapitel bekommen haben. So gibt es auf den Seiten 36 und 37 einiges zu den „Zauberern vom Zuckerhut“ zu lesen. Was ich persönlich nicht wusste: Den ersten Brasilianer der Bundesliga zog es einst im Jahr 1964 auf die andere Rheinseite zum 1. FC Köln. Dort war man „so schlau“ und holte Zézé für 150.000 Mark nach Köln, ohne ihn vorher beobachtet zu haben. Von einem spanischen Arzt ließ sich Zézé eine bis dato unbekannte Schneeallergie bescheinigen. Mit dem Geißbock auf der Brust absolvierte er nur sechs Spiele. 23 Jahre später schlug Tita indes in Leverkusen ein wie eine Bombe. Sein Tor gegen Espanyol Barcelona im UEFA-Pokalfinale 1988 wird wohl allen Bayer-Fans in Erinnerung bleiben.

Die Mischung macht’s - und das bei beiden Bänden. Manche Episoden und Fakten dürften dem einen oder anderen durchaus bekannt sein, manch anderes dürfte für die jeweiligen Leserinnen und Leser noch neu sein. So zum Beispiel die Tatsache, dass einst in Leverkusen das Erholungshaus als Umkleidekabine für die Fußballer diente. Diese befand sich mal eben direkt unter der Bühne des Konzertsaals. In jenem Gebäude wurde 1908 auch die wohl erste Fahne vom damaligen TuS 04 feierlich überreicht.

Erschienen sind die beiden Bände im Klartext Verlag, der Preis liegt jeweils bei 16,95 Euro. Zwar sind diese Bücher nicht sonderlich dick, doch wissen Aufmachung und Inhalt durchaus zu überzeugen!

Fotos: Marco Bertram, K. Hoeft, Arne Amberg

Artikel wurde veröffentlicht am
09 Mai 2023

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