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1. FC Union Berlin vs. Hertha BSC: Alte Försterei in Flammen - die Schlacht ist geschlagen

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Eier, reichlich Eier gab es für die Fans von Hertha BSC. Stapelweise und frisch vom Bauernhof. Und nicht nur das! Es gab Met (auch Mett), frische Sanddornsäfte, Fisch, Wurstwaren, Kürbisse, ungarische Paprika, Spreewälder Gurken, deftiges vom Schwein, gestrickte Berlin-Mützen und Lederhandschuhe. Besser konnte der Treffpunkt für einen Fanmarsch nicht gewählt werden. Auf dem Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain fand gerade der große Wochenmarkt stand, und auf diesem konnte sich nach Herzenslust versorgt werden. Ein wenig zaghaft schauten ein paar Herthaner bei den Thüringer Spezialitäten vorbei, andere gingen dann doch lieber in die nächste Kneipe oder ganz klassisch zum nächsten Späti.

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Aus Kartons heraus wurden die blau-weißen Wendejacken verkauft. Bereits beim Marsch ergaben diese Jacken einen guten Anblick. Zu Fuß ging es vom Boxi über die Revaler Straße zum S-Bahnhof, wo zwei Sonderzüge der Berliner S-Bahn bereitstanden. Geschlossen und teils lautstark ging es durch die Straßen. Auf das Abbrennen von Pyrotechnik wurde bis auf ein paar Böller und zwei, drei rote Leuchtkugeln verzichtet, wollte man den Einsatzkräften der Polizei keinen Vorwand geben, den Fanmarsch zu stoppen. Somit ging es reibungslos bis zum S-Bahnhof. 

In der Bahnhofshalle stockte es ein wenig, grauer Rauch waberte durch die Reihen. Auf direktem Wege ging es mit den beiden Zügen bis Wuhlheide, von wo aus es die letzten Meter bis zum Stadion wieder zu Fuß ging. Bei einbrechender Dämmerung erhöhte sich in Berlin-Köpenick bereits die Betriebstemperatur, einigen Gästefans gelang es unkontrolliert ins Stadion zu gelangen. Ähnliches konnte jedoch auch auf Heimseite beobachtet werden. 

Derby! Und das in der 1. Bundesliga! Im August 2009 gab es im Rahmen der Stadioneröffnung nach dem Umbau ein Testspiel der Eisernen gegen die Alte Dame. Zwar ging das Ganze damals recht entspannt über die Bühne, doch bereits vor zehn Jahren war spürbar, dass es mit der Freundschaft längst vorbei war. Die jüngere Generation hatte sich nichts mehr zu sagen. Verbal auszutauschen gab es indes genug. In der Zweitligasaison 2010/11 gab es dann die ersten Pflichtspiele. Während das Heimspiel in der Alten Försterei unentschieden ausging, konnte Union das Rückspiel im Berliner Olympiastadion mit 2:1 für sich entscheiden. Ihr wisst schon, die Union-Fans sangen gerade brachial das Mattuschka-Lied, als dann Sekunden später eben jener den Ball im Hertha-Gehäuse einschlagen ließ. In der Zweitligasaison 2012/13 konnte Hertha BSC mit 2:1 bei Union gewinnen, beim Rückspiel gingen die Eisernen mit 2:0 in Führung, mussten dann aber noch den Ausgleich hinnehmen.

Während es in den 1970ern und 1980ern im Ostteil der Stadt zahlreiche Derbys in der DDR-Oberliga ausgetragen wurden, gab es in der 1. Bundesliga seit der Saison 1976/77 keine Stadtduelle mehr. In jener Spielzeit waren Hertha BSC und Tennis Borussia Berlin mit von der Partie. Am 13. Spieltag konnte Hertha gegen TeBe vor 74.800 Zuschauern mit 2:0 gewinnen. Erwin Hermandung und Erich Beer erzielten die Treffer. Am 30. Spieltag konnte TeBe das ins Olympiastadion verlegte Heimspiel vor 42.000 Zuschauern überraschend mit 2:0 gewinnen. Trainer der Lila-Weißen war damals kein Geringerer als Weltenbummler Rudi Gutendorf, der kürzlich verstorben ist. 

Nun also endlich wieder ein Berliner Stadtduell im Fußballhaus. Im Vorfeld wurde verbal reichlich angerührt, und die Hitze war bereits vor dem Spiel größer als bei den bisherigen Begegnungen. Auf Heimseite wurde mit einer Choreo einfach mal angeknüpft an genau jene Choreo, welche die Ostkurve beim letzten Derby im Olympiastadion am 11. Februar 2013 präsentiert hatte. Damals hieß es: „Hertha, Hertha, Du ganz allein… sollst der Stolz von Spreeathen sein! Als zentrales Element war das Brandenburger Tor zu sehen, und die Quadriga schmückte eine Hertha-Fahne. 

„Prophezeiung des Orakels von Köpenick - Spreeathen ist weiß und rot!“, hieß es nun auf Waldseite. Rauch erhob sich, an den Ecken befanden sich griechische Säulen. Auf der Gegengerade gab es dann die Botschaft zu lesen: „Angekommen im Fußball-Olymp, nach einer schier endlosen Odyssee schlägst du nun deine größte Schlacht. Deinem Gegner wird dies fortan bedeuten: Erst die Sünde, nun der Tod.“ Im Anschluss nahm sich auf der Waldseite Perseus die schlangenköpfige Medusa vor. In der überlieferten Illias schlug Perseus das Haupt der Medusa mit den zahlreichen Schlangenköpfen ab. So sollte es symbolisch auch am gestrigen Abend geschehen. Der Heimsieg sollte her!

Zu Beginn der Partie waren die Ränge in Rot und Weiß gehüllt, im Gästeblock ging das Ganze nahtlos über in Blau und Weiß. Erste Pyrotechnik wurde bei den Hertha-Fans gezündet, eine Leuchtkugel prallte vom Stadiondach ab und schlug im unteren Bereich des Nachbarblocks auf. Nach einer torlosen ersten Halbzeit wurde es nach der Pause noch weitaus hitziger. Auf der Waldseite leuchteten nun zahlreiche rote Fackeln, wenig später wurde im Gästeblock massiv nachgelegt. Leider blieb es nicht im Rahmen wie bei der von der breiten Masse durchaus gelobten farbenfrohen Atmosphäre in der Gästekurve beim Pokalspiel Hertha BSC vs. SG Dynamo Dresden. 

Während die Dynamo-Fans am Mittwochabend weitgehend alles sehr diszipliniert abgebrannt und somit für leuchtenden Augen bei tausenden Stadionbesuchern gesorgt hatten, schossen die Hertha Fans nun sogar Leuchtkugeln in Richtung Haupttribüne. Was für ein Irrsinn! Logisch, dass die Partie für einige Minuten unterbrochen werden musste. Mit solch einem Schwachsinn wird man nie im Leben die zahlreichen Pyro-Kritiker davon überzeugen können, dass eine ruhig abgebrannte Fackel nicht gleich den Weltuntergang bedeuten muss. Was soll man sagen: Wieder einmal ein Bärendienst geleistet für sämtliche aktive Fanszenen, die sich seit Jahren für den kontrollierten Einsatz von Pyrotechnik einsetzen.

Nun denn, während auf dem Rasen Hertha BSC gegen die SG Dynamo Dresden noch echt Massel hatte und Dank der irrsinnigen dreiminütigen Nachspielzeit in der 120.+2. Minute zum 3:3 ausgleichen und sich somit ins letztendlich gewonnene Elfmeterschießen retten konnte, ging das Ganze am gestrigen Abend völlig anders aus. Für die Heimfans wurde es das perfekte Drehbuch! Man stelle sich das mal vor! Das Derby zum allerersten Mal auf höchster sportlicher Ebene (vom Europacup mal abgesehen) - und der Schiedsrichter zeigt in der 88. Minute auf den Punkt! Elfmeter für den 1. FC Union Berlin! Irre. Verständlich, dass die Hertha-Spieler auf Teufel komm raus protestierten. Und richtig, bei solch einem wichtigen Spiel sollte man auf Nummer sicher gehen. Ein Blick auf den Monitor - es blieb dabei: Strafstoß für die Eisernen!

Sebastian Polter übernahm Verantwortung, trat zum Elfmeterpunkt, vollendete souverän und brachte somit die Anhängerschaft in den siebten Himmel. Die Prophezeiung hatte sich bewahrheitet. Der Gegner wurde sportlich geschlagen. Die Partie endete 1:0 und auf der Waldseite gingen bei manch einem im Überschwang und vor Wut über das Abschießen der Leuchtkugeln auf Union-Fans die Pferde durch. Vollgepumpt mit Adrenalin ging es rüber über den Zaun. Schätzungsweise 30 bis 40 Union-Fans waren auf dem Platz, konnten jedoch von den eigenen Spielern zurückgehalten werden. Okay, okay, jeder war mal jung. Logisch, ist das eine dumme Aktion, doch irgendwie verstehen kann man solch einen Gefühlsausbruch, wenn man selber einst jahrelang beim Fußball auf Achse war. Was ich jedoch noch nie verstand und auch nie verstehen werde, ist das Abfeuern von Leuchtkugeln und das Werfen von brennenden Fackeln auf andere Menschen. Emotion hin, Emotion her - das ist echt das Allerletzte… 

Fotos: Marco Bertram, Arnaud Schonder, Marco Hensel

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Union Berlin

> zur turus-Fotostrecke: Hertha BSC

Artikel wurde veröffentlicht am
03 November 2019
Spielergebnis:
1:0
Zuschauerzahl:
22.000
Gästefans
2500

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Inhalt über Liga
1. Bundesliga

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Kommentare
Oh Mann....
bevor man so einen Artikel schreibt, sollte man es besser lassen. Journalistisch ja sehr dünn.
Das "Verstehen" der Platzstürmer ist schon arg amüsant. Was für ein Gepose - als wären die zur Mittellinie gekommen. Dann kein Wort zu den gezeigten Bannern und der Art der Materialien, die auf beiden Seiten gezeigt und bei Hertha auch verbrannt wurden. Offensichtlich ist das für Union ja ziemlich übel ausgegangen. Wofür ist turus gut, wenn solche Fanbelange nicht beleuchtet werden.

P.S.: Sehr geil auch die Beschreibung der "irrsinnigen dreiminütigen Nachspielzeit". Was für ein Spiel hat der Autor gesehen? Dasselbe wie ich bei dem sich die Dresdner mit Schwächeanfällen wund gelegen und das Spiel verzögert haben? Für den Torwart gab es doch auch gelb... unterirdische Berichterstattung.
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