BFC Dynamo vs. Energie Cottbus: Persönliche Analyse der Tumulte

BFC Dynamo vs. Energie Cottbus: Persönliche Analyse der Tumulte

Hot

Es war angerichtet! 32. Spieltag der Regionalliga Nordost. Der BFC Dynamo empfängt den FC Energie Cottbus. Bei bestem Fußballwetter und ausverkauftem Haus könnte der BFC Dynamo seine minimal Chance auf den Aufstieg wahren. Zunächst mussten aber am heutigen Tag die Besucher an der Tageskasse drei Euro mehr auf den Tisch legen, da der Verein die angesammelten 21.000 Euro in Form von Pyrostrafen durch den Verband, so umlegen will. Und wer beide Mannschaften kennt, kann erahnen, dass es heute noch etwas mehr werden könnte.

Der komplette Kiez war belagert von uniformierten Beamten, zwei Wasserwerfer und ein Hubschrauber der Bundespolizei befanden sich auch in Bereitschaft. Der 1. Mai war zwar schon vorbei, aber gut, mal sehen was draus wird. Um 16.02 Uhr erfolgte schließlich der Anpfiff. Der FC Energie Cottbus startet schwungvoll, aber Bätge im BFC-Kasten lässt zunächst nichts anbrennen. Außer zwei größeren Chancen auf Seiten der Gäste ist auch nichts weiter passiert.

So lange, bis nach etwa 20 Minuten eine 19-minütige Spielunterbrechung folgte. Auslöser war das Verbrennen von diversen Szene-Materialien von Cottbus und deren Freunde von Union Berlin und Chemnitz sowie der Einsatz von Pyrotechnik auf beiden Seiten, wobei auch sogenannte "Clipse" in die jeweiligen Blöcke geschossen wurden. Von einem Offiziellen der Cottbuser hieß es, dass lediglich das abgefeuerte Material aufgehoben und zurück auf die Gegengrade geworfen wurde. Was aber sehr schwer vorstellbar ist, bei einer etwa Daumennagel großen Aluminiumkapsel, die nur etwa 10 Sekunden brennt. Dazu der Punkt, dass das Magnesium bei rund 2.000 Grad Celsius verbrennt.

Danach passierte auf dem Rasen und den Rängen weiter nichts Aufregendes. Nach Wiederanpfiff kommen die Hohenschönhausener besser aus der Kabine. In der 63. Minute verpasste Siebeck das Cottbuser Tor nur knapp. Die Brandenburger kamen dann auch wieder besser ins Spiel und erzielten in der 67. Minute durch Krauß das 1:0. Danach folgten einige gute Aktionen auf beiden Seiten, wobei Heike in der 83. Minute den Endstand von 2:0 für Energie klarmachte. Unter dem Strich hatte die bessere Mannschaft gewonnen.

Nach Spielende rannte der Cottbuser Trainer Claus-Dieter Wollitz zum Gästeblock und sprang zum Jubeln auf den Zaun. Es waren keine Anzeichen zu sehen von seiner Angst um seine Unversehrtheit und den angeblichen Steinwürfen, wie er im Nachhinein in einem Interview erzählte. Weder der eigens für ihn abgestellte Sicherheitsdienst, die NOFV-Vertreter, die hinter ihm saßen, noch die Polizei hat, nach Auswertung der Kamera-Aufnahmen, etwas davon gesehen. Auch zur Pressekonferenz erschien er nicht. Aus meiner Sicht war dies ein sehr unsportliches Verhalten von ihm. An dieser Stelle möchte ich allerdings auch nicht die beleidigenden Sprechchöre gegen ihn klein reden! Dennoch, den wirklichen Stein des Anstoßes hat er schon viel früher geworfen. Und zwar durch seine Aussagen über den BFC Dynamo, die seit einiger Zeit für diese Unruhe sorgen.

Nach dem Spiel wurde in dem mit 800 Fans besetzten Gästeblock - bestehend aus Cottbusern sowie aus Fans von Vorwärts Frankfurt, Union Berlin, Chemnitz und Beskid aus Polen - noch sechs Zaunfahnen und Schwenker von East Company und UBFC verbrannt, die letztes Jahr bei einem Überfall erbeutet wurden. Darauf hin wurde es noch einmal mal hitzig auf den Rängen und es flog wieder Pyrotechnik zwischen beiden Fanlagern hin und her, wodurch die Polizei sich dazu veranlasst gefühlt hat, den noch gefüllten Gästeblock zu stürmen. Bei der Flucht wollte ein Fan über einen Zaun klettern und blieb mit einem Ring hängen, sodass er sich den Finger abgerissen hatte.

Aufgrund der Tumulte konnte ein Rettungswagen nicht zu dem Verletzten vordringen, sodass er in Richtung Weißenseer Weg gebracht werden musste. Mit einem Mal ging auf der Haupttribünenseite plötzlich ein Tor auf, was die Polizei dazu veranlasste, die mitgeführten Hunde einzusetzen. Ein offizieller BFC-Mitarbeiter, der die Situation beruhigen wollte, wurde, trotz eindeutiger Kennung als solcher, von einem Polizeibeamten unvermittelt ins Gesicht geschlagen und ein Hund biss ihm in den Arm, sodass dieser in der Rettungsstelle genäht werden musste.

Danach war der Spuk aber lange noch nicht vorbei. Auf der Konrad-Wolf-Straße Ecke Sandinostraße kam es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und den BFC-Anhängern. Unter den 12 Hundertschaften der Berliner Polizei und der einen von der Bundespolizei gab es eine Einheit, bei der jeder fünfte Beamte eine komplette Pfefferspray-Flasche entleerte. Die sogenannten RSG sind mit zirka 400 ml Reizstoff gefüllt. Da wundert es nicht, dass unter den 155 verletzten Beamten sage und schreibe 116 durch ihr eigenes Pfefferspray verletzt wurden. Des weiteren wurden 28 Polizisten durch körperliche Gewalt und 11 durch Pyrotechnik verletzt.

Die Polizei ging mit absoluter Härte vor. Sie sprangen mit Knien zuerst in Menschen und malträtierten einen Fan so massiv am Kopf, dass dieser regungslos liegen blieb. Selbst Frauen und Jugendliche, die lediglich vermeintlich Beamte beleidigt haben oder vermummt waren, wurden sofort zu Boden gerissen, und vier, fünf Beamte haben sich auf sie gekniet, um ihnen Handschellen anzulegen. Dazu noch die zwei Wasserwerfer, die natürlich auch zum Einsatz gekommen sind. Da stellt sich mir persönlich die Frage, wo dort die Verhältnismäßigkeit besteht. Wurde hier schon ein Testlauf für die bevorstehende EM im eigenen Lande durchgeführt?

Spieler und Trainer der U17 des BFC Dynamo mussten sogar im Sprint vor der Polizei weglaufen, obwohl sie nur das Sportforum-Gelände verlassen wolltne. Auch ich wurde von Beamten angegangen, obwohl ich mich die ganze Zeit als Pressevertreter ausgewiesen habe und als dieser erkenntlich war. Ein Beamter hatte mir sogar mit dem Einsatz des Schlagstocks gedroht. Da beschleicht mich das Gefühl, dass der eine oder andere Beamte auf kritische Presse auf gut Deutsch gesagt "keinen Bock" hat.

Auf meine Nachfrage, wie seine Dienstnummer laute, die er natürlich nicht auf der Vorderseite trug, gab er mir keine Antwort. Nach längerem Blickkontakt war mir auch klar wieso. Der Beamte hatte einen Zahnschutz im Mund, wie man ihm vom Boxsport kennt. Diese Art von Passivbewaffnung ist auch bei Polizisten verboten. Ich musste zudem bei vielen Beamten feststellen, dass sie nicht ihre Dienstnummern auf der Vorderseite getragen haben, sondern nur ihre individuelle Zugnummer auf dem Rücken. Leider reicht das in Berlin als Kennzeichnungspflicht aus, macht aber eine Identifizierung bei möglichen Straftaten schwerer.

Ein Gruppe Fans des MKS Pogoń Szczecin, die zu der BFC-Fanszene ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, wurde weit ab vom Geschehen an ihrer Heimreise gehindert und musste eine Kontrolle über sich ergehen lassen. Nach zirka anderthalb Stunden fuhren die polnischen Fußballfreunde mit einer Anzeige wegen des Verdachtes auf Landfriedensbruch nach Hause. Auch hier frage ich mich, wo die Verhältnismäßigkeit bleibt. Die Konrad-Wolf-Straße wurde erst um 21.50 Uhr für den Auto- und Straßenbahnverkehr wieder freigegeben.

Nach der ganzen Aufregung wurde dann auch am späten Abend dem letzten Dynamo-Anhänger (Dynamo Berlin, nicht Dresden, wie die Beamtin im Lautsprecherwagen durchsagte!) klar, dass mit dieser Niederlage sein Verein es wieder nicht geschafft hat in die 3. Liga aufzusteigen.

Bericht: Benjamin Barsig

Fotos: Schneppe Tours, Benjamin Barsig

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo

> zur turus-Fotostrecke: FC Energie Cottbus

Stadionname:
  • Stadion im Sportforum Hohenschönhausen
Artikel wurde veröffentlicht am
07 Mai 2024
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
4.500
Gästefans
800

Ligen

Inhalt über Liga
Regionalliga

Benutzer-Kommentare

1 Kommentar
Hast du schon ein Konto?
Datenschutz
Durch das Anhaken der folgenden Checkbox und des Buttons "Absenden" erlaube ich turus.net die Speicherung meiner oben eingegeben Daten:
Um eine Übersicht über die Kommentare / Bewertungen zu erhalten und Missbrauch zu vermeiden wird auf turus.net der Inhalt der Felder "Name", "Titel" "Kommentartext" (alles keine Pflichtfelder / also nur wenn angegeben), die Bewertung sowie Deine IP-Adresse und Zeitstempel Deines Kommentars gespeichert. Du kannst die Speicherung Deines Kommentars jederzeit widerrufen. Schreibe uns einfach eine E-Mail: "kommentar / at / turus.net". Mehr Informationen welche personenbezogenen Daten gespeichert werden, findest Du in unserer Datenschutzerklärung.
Ich stimme der Speicherung meiner personenbezogenen Daten zu:
Kommentare
Keck geschrieben!
T
Kommentar melden Kommentare (0) | War dieser Kommentar hilfreich für dich? 1 2