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Crimmitschau vs. Lausitzer Füchse (Weißwasser): Hochspannung beim hitzigen Derby

 
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Crimmitschau! Vor zirka 35 Jahren hatte sich dieser Namen fest in meinem Hirn eingepflanzt. Ich war in der 4. Klasse der Polytechnischen Oberschule in Berlin-Mahlsdorf, als es plötzlich hieß, dass uns eine Klassenkameradin leider verlassen wird. Das Ganze war eh schon abstrus, da sie jeden Tag vom Nöldnerplatz mit dem 8er Bus zu uns zur Schule fahren musste. Während wir alle zu Fuß morgens durch die Siedlung liefen, musste sie eine halbe Stunde im muffigen Ikarus-Bus sitzen. Hm ja, und dann das! Wohin wird sie ziehen? Crimmitschau?! Was soll das sein? Was für eine Schau? Der Name klang in meinen Kinderohren dermaßen abstrus, so dass mich das Ganze tagelang beschäftigte. Immer wieder blätterte ich im Schulatlas und suchte den passenden Punkt. Ähnlich geheimnisvoll klang Meerane, das sich östlich von Crimmitschau befindet. 

 

Tja, und Weißwasser? Diesen Namen hörten wir in den 1980ern an der POS häufig im Geographieunterricht. Das Kraftwerk Boxberg befindet sich ja ganz in der Nähe und war bereits damals jedem Schüler ein Begriff. Boxberg und Schwarze Pumpe. Alter Schalter, wenn das nicht nach astreiner DDR-Industrie klang! Im Herbst 1991, als ich das erste Mal von einem alten Schulfreund in den Wellblechpalast zum EHC Dynamo Berlin geschleppt wurde, beschäftigte ich mich mit der DDR-Eishockey-Geschichte. Bekanntlich bildete der EHC Dynamo Berlin gemeinsam mit der SG Dynamo Weißwasser in den 1970ern und 1980ern die kleinste Eishockey-Liga der Welt.

Waren vor 1970 noch Vereine wie TSC Berlin, ASK Vorwärts Crimmitschau, SC Empor Rostock, SC Turbine Erfurt, SC Einheit Dresden und SC Karl-Marx-Stadt dabei, so wurde die DDR-Meisterschaft in der Folge nur noch zwischen den Ost-Berlinern und Weißwasser ausgefochten. Während der SC Dynamo Berlin von 1976 bis 1988 (unterbrochen nur 1981) das Geschehen dominierte, konnte Weißwasser die letzten beiden Titelkämpfe 1989 und 1990 für sich entscheiden. Schnell geändert wurde auch der Name. 1990 hieß der Verein PEV Weißwasser, von 1991 bis 1994 ES Weißwasser und von 1994 bis 2002 ESG Sachsen „Die Füchse“ Weißwasser/Chemnitz. Im Jahr 2002 gab es dann den Namen, der bis heute Gültigkeit hat: EHC Lausitzer Füchse.

Während Weißwasser Anfang der 1990er sogar vier Spielzeiten in der 1. Bundesliga bzw. DEL dabei war, wurde ab 1996 fast nonstop in der 2. Bundesliga bzw. DEL 2 gespielt. Nur 2003/04 musste mit der Oberliga (dritte Liga) vorlieb genommen werden. Der Zuschauerschnitt pendelte sich zuletzt bei zirka 2.200 ein.

Ähnlich sieht es beim ETC Crimmitschau aus, der bereits seit 1927 diesen Namen trägt. Seit 2001 ist die 2. Bundesliga bzw. DEL 2 das sportliche Terrain der ersten Mannschaft, die seit 2002 den Beinamen „Eispiraten“ hat. 2005 rutschte Crimmitschau in die Oberliga ab, kam dann jedoch sofort wieder hoch. Bereits in den 90ern legendär war die Stimmung bei den Heimspielen im Kunsteisstadion im Sahnpark. Musste echt mal hin, riet man mir immer wieder. Schaffte ich aber irgendwie nie.

Umso besser, dass unser Sportsfreund von Los Misenas nun die Gelegenheit hatte, die Fans aus Weißwasser zum Auswärtsspiel nach Crimmitschau zu begleiten. Er ist jung und bei ihm passt das Motto „Eine Busfahrt, die ist süffig, eine Busfahrt, die ist schön“ wie die Faust aufs Auge. Kein Wunder also, dass die feuchtfröhliche Reisegesellschaft in Crimmitschau bereits von der Polizei in Empfang genommen und ins Eisstadion begleitet wurde. In der Regel geht es beim Eishockey (auch im Osten) auf den Rängen meist sehr friedlich zu, aber nun ja, man weiß ja nie, im tiefen Osten können die Uhren halt auch mal anders ticken. 

Knapp 2.500 Zuschauer hatten sich im Kunsteisstadion im Sahnpark eingefunden, einen prima Anblick gab auch der Gästebereich ab. Sportlich lief es zuletzt bei den Eispiraten Crimmitschau alles andere als gut. Fünf Niederlagen mussten vor dem jetzigen Derby verschmerzt werden. Passend dazu gab es in einer der beiden Heimkurven Spruchbänder mit folgender Aufschrift zu lesen: „In schlechten Zeiten müsst Ihr Crimmitschauer sein! In guten haben wir genug davon!“ Von der Stimmung her war im Gästeblock anfangs definitiv mehr los. Als dann Weißwasser auch noch mit 2:0 in Führung ging - die Treffer erzielten Joel Keussen (15.) und Chris Owen (17.) -, gab es bei den blau-gelben Fans kein Halten mehr. 

Im zweiten Drittel waren die Gäste jedoch plötzlich neben der Spur. Carl Hudson (21.), Rob Flick (29.) und Christoph Körner (35.) drehten die Partie. Zurück kamen die Lausitzer Füchse im letzten Drittel. In der 43. Minute machte Clarke Breitkreuz den Ausgleich klar, und im Gästebereich ging wieder die Luzie ab. Fünf Minuten später ging Crimmitschau in Unterzahl wieder in Führung. Dominic Walsh machte das 4:3, und in der restlichen Zeit wurde die knappe Führung mit vereinten Kräften über die Runden gebracht. Logisch, dass auf Heimseite Tonnenlasten abfielen. Nach fünf Pleiten endlich wieder ein Sieg - und diesen ausgerechnet im regionalen Duell!

Etwas Stress gab es nach dem Spiel noch im Gästebereich. Während die polizeilichen Einsatzkräfte entspannt blieben, schienen die örtlichen Ordner ein wenig übermotiviert. Die Situation schaukelte sich hoch und es kam zu Schubsereien. Es schien, als wollten die Ordner richtig Stress, von Fanseite flog ein erster Blinker in deren Richtung. Nach einer Weile beruhigte sich jedoch das Ganze wieder, und die Busbesatzung konnte wieder ihre Plätze einnehmen, einen kräftigen Schluck zu sich nehmen und den Heimweg antreten. Mit 54 Punkten und Rang vier ist man ja auch weiterhin prima im Rennen der zweiten Liga.

Fotos & Infos: Los Misenas, turus-Archiv

> weitere Impressionen vom Spiel ETC Crimmitschau vs. Lausitzer Füchse

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Von wann ist das alte schwarzweiß Foto?
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