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BSG Wismut Gera: Die wechselhafte Geschichte kompakt in einer Fußballfibel

 
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Nehmen wir mal an, man beschäftigt sich nicht allzu sehr mit unterklassigem Fußball und es kommt einem der Name BSG Wismut Gera zu Ohren. Was würde einem einfallen? Wismut wer? Wismut Aue? Ah nein, Gera! Stand dieser Verein nicht im vergangenen Landespokalfinale in Thüringen?! Richtig! Und wer sich einmal mit der DDR-Fußball-Geschichte beschäftigten musste, der wird gewiss einmal einen Blick auf die Ewigen Tabellen der DDR-Oberliga und der DDR-Liga (zweite Liga) geworfen haben. Auf Rang eins in der Oberliga ist der FC Carl Zeiss Jena vor dem BFC Dynamo und der SG Dynamo Dresden zu finden, in der Ewigen Tabelle der DDR-Liga rangiert die BSG Wismut Gera auf dem ersten Platz vor der BSG Stahl Eisenhüttenstadt und der SG Dynamo Eisleben. Ganze 36 Spielzeiten war Wismut Gera in der zweithöchsten Spielklasse des DDR-Fußballs mit am Start. Hinzu kamen sechs Spielzeiten im Fußballoberhaus als BSG Wismut Gera, BSG Gera-Süd, BSG Mechanik Gera und BSG Motor Gera.

Okay, denkt man, das ist ja doch ein ordentliches Pfund DDR-Fußball-Geschichte. Und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs? Nun denn, nach der Wende sah es nicht allzu rosig aus. Von 1990 bis 1993 wurde noch als FSV Wismut Gera gespielt, dann verschwand der Name „Wismut“ von der Bildfläche. Als 1. SV Gera und FV Gera Süd wurde das Glück versucht. 1999/2000 wurde kurz in der NOFV-Oberliga gespielt, nach der Insolvenz im Jahr 2003 ging es runter in die Bezirksliga. Lang war der Weg zurück nach oben. „Oben“ bedeutet in diesem Fall die Südstaffel der NOFV-Oberliga. 

Seit 2009 trägt der Verein glücklicherweise wieder seinen alten Namen, im Frühjahr 2015 glückte schließlich der langersehnte Aufstieg in die Oberliga. Es folgten zwei Oberliga-Jahre, die es in sich hatten. In der zurückliegenden Saison wurde schließlich der Einzug in das Thüringen-Pokalfinale gepackt. Gegner war in Erfurt der FC Carl Zeiss Jena. Die Jungs aus dem Paradies behielten klar mit 5:0 die Oberhand, doch fantechnisch wurde jener Tag ein Meilenstein in der Wismut-Historie. „Orange is the new black“, hieß das Motto. Rund 1.000 Wismut-Fans hatten sich auf den Weg ins Steigerwaldstadion gemacht und feierten trotz Niederlage eine orange Party.

Wie diese genau ablief, ist im Buch „BSG Wismut Gera Fußballfibel“ nachzulesen, das von Mario Krüger verfasst wurde und in der Reihe „Bibliothek des Fußballs“ beim Berliner Verlag Culturcon Medien erschien. Mario Krüger wurde 1979 in Gera geboren und hat sich der BSG Wismut Gera von klein an verschrieben. Seit mehr als 30 Jahren begleitet er den Verein. Anfangs als Fan, später auch in ehrenamtlichen Tätigkeiten. Ganz klar, sein Name war mir ein Begriff, da online sein Name immer wieder in Bezug auf die BSG Wismut Gera auftauchte. Persönlich kennenlernen durfte ich ihn beim Auswärtsspiel von Gera in Ludwigsfelde. Dufter Kerl! Zu jenem Zeitpunkt war seine Fußballfibel gerade in Arbeit. 

Über die Platzhirsche der DDR-Oberliga weiß man in der Regel einiges. Über die BSG Wismut Gera wird man indes eher weniger gelesen haben. Umso mehr gespannt war ich auf sein Werk. Und ja, es macht in diesem Fall wirklich Sinn die Historie unterhaltsam abzuarbeiten. In den Fällen FC Bayern München, Eintracht Braunschweig und 1. FC Köln - über diese Vereine gibt es bereits massig Druckware - passte es, die Fußballfibeln freier und experimenteller zu gestalten. Im Fall Wismut Gera erfreut man sich als interessierter Leser an all den Fakten und Daten. 

Die Anfänge im Gerschen Fußball, der größte Erfolg (FDGB-Pokalfinale 1949 gegen BSG Waggonfabrik Dessau) und die ersten vier Jahre DDR-Oberliga. Mit diesen Abschnitten geht es sogleich in die Vollen. Auch wenn viele Fakten hineingepackt wurden, trocken ist dieses Werk keinesfalls. Mario Krüger schreibt flüssig und packte ab und an auch eine unterhaltsame Anekdote mit hinein. Ein Highlight ist das Kapitel „Erzhammer, Geraer Löwen und Bären - Wismut-Fans in der DDR“. Schnell wird dem Leser klar, dass bei Wismut keine „Lappen“ auf Achse waren. Wenngleich Gera sicherlich nicht mit Jena und Erfurt mithalten konnte, so war doch eine muntere, teils auch wüste Truppe unterwegs im Lande. 1983 ging es mit dem Städteexpress auf zum Auswärtsspiel bei Schiffahrt/Hafen Rostock - und schwupps kamen die wilden Kerle vom Fanclub Erzhammer mit ein paar Lok-Fans ins Gehege, die zum Spiel bei Hansa Rostock wollten. „So gibt´s bestimmt bei jedem Verein Meuten, wo´s echt dunkel wird, wenn die losziehn“, ist im Klassiker „Von Athen nach Althen“ zu lesen. 

Licht ins Dunkel bringen die Kapitel über die Neuzeit des Vereins. So kam ich einst immer durcheinander mit dem 1. SV Gera und dem 1. FC Gera 03. Wer war eigentlich wer, fragte ich mich einst. Dass der 1. FC Gera 03 kurze Zeit in der NOFV-Oberliga spielte und die Farben Gelb und Schwarz trägt, machte es für Außenstehende noch schwieriger. Aber ja, der bei Wismut verhasste 1. FC Gera 03 war einst zu DDR-Zeiten die eher unbekannte BSG Modedruck Gera. Was für ein Name! 

Abgeschlossen wird die Fußballfibel über Wismut Gera mit einem Kapitel über die Spaltung der Fanszene. Kurzum: Das Buch ist gut gemacht und auf jeden Fall lesenswert. Traurig indes: Es ist gut möglich, dass die BSG Wismut Gera in der kommenden Saison nur noch in der Thüringenliga spielen wird. Der Grund: Die Oberliga ist derzeit nicht finanzierbar. Um auch weiterhin in der NOFV-Oberliga spielen zu können, müssen neue Sponsoren und Unterstützer ran! Noch sind die letzten Messen nicht gelesen. Allerdings sollte ein Spiel schon mal im Kalender vermerkt werden. Gut möglich, dass es dieses Duell nicht noch einmal so schnell geben wird: Das Heimspiel gegen die BSG Chemie Leipzig!

Fotos: Marco Bertram, Sachseninformer, Los Misenas

> das Buch direkt beim Verlag Culturcon Medien

> zur turus-Fotostrecke: BSG Wismut Gera

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Artikel wurde veröffentlicht am
15 März 2019

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