Arena oder 90er-Jahre-Charme? Die Suche nach dem perfekten Fußballstadion

MB Updated

Grottenschlechte Abwrackstadien mit Rundlaufbahn, multifunktionale Fußballarenen außerhalb der Stadt auf einem Feld, Stadien mit Unterhaltungswert mitten im Wohngebiet. Bekanntlich gibt es die verschiedensten Formen eines Fußballtempels. Von Freiburg bis Kiel, von Bochum bis Cottbus. Von all den anderen tausenden Stadien in Europa und der ganzen Welt ganz zu schweigen. Gibt es das perfekte Fußballstadion? Und wenn nicht, wie müsste es beschaffen sein? Stehplätze? Kneipenviertel? Old school oder doch lieber modern?

Grottenschlechte Abwrackstadien mit Rundlaufbahn, multifunktionale Fußballarenen außerhalb der Stadt auf einem Feld, Stadien mit Unterhaltungswert mitten im Wohngebiet. Bekanntlich gibt es die verschiedensten Formen eines Fußballtempels. Von Freiburg bis Kiel, von Bochum bis Cottbus. Von all den anderen tausenden Stadien in Europa und der ganzen Welt ganz zu schweigen. Gibt es das perfekte Fußballstadion? Und wenn nicht, wie müsste es beschaffen sein? Stehplätze? Kneipenviertel? Old school oder doch lieber modern?

windsor

Gewiss, jeder wird seine eigene Meinung und seinen eigenen Geschmack haben, so viel ist klar. Trotzdem mal ein Versuch, der Sache zaghaft auf den Grund zu gehen. Seit 1990 habe ich rund 500 Fußballspiele besucht. In Deutschland, aber auch in anderen europäischen Nationen. Nicht zu vergessen die Partien auf Madeira, im sibirischen Vladivostok und in Rio de Janeiro. Maßstab sollen natürlich die deutschen Stadien sein, denn diese müssen bekanntlich an Mentalität, Sicherheitsbestimmungen und Witterungsbedingungen angepasst sein, doch für den Blick über den Tellerrand eignen sich Stadien in anderen Ländern ganz gut.

Hertha

Ich beginne mit Berlin, meiner Heimatstadt. Das Olympiastadion. Heimstätte von Hertha BSC. Toll? Grandios? Immerhin hat es seit der WM 2006 ein Dach. Eine Menge wert. Es hat reichlich Platz. Genauer gesagt für über 75.000 Fußballfans. Ein echter Pluspunkt für eine Millionenmetropole. Und sonst? Als Bauwerk gewiss imposant, doch als Fußballstadion? Die Rundlaufbahn, ein fetter Minuspunkt. Keine Stehplätze. Gewiss für Ultras ein weiterer Minuspunkt. Die Lage? Zu weit abseits der Innenstadt, doch immerhin nicht auf einer grünen Wiese.
Apropos abseits. Das Stadion An der Alten Försterei. Gelegen in einem Waldstück am Rande eines Wohngebiets von Berlin-Köpenick. Der Nachteil schlechthin. Für Gesamtberlin betrachtet. Für Brandenburger Fans des 1. FC Union Berlin kann die Randlage wieder ein echter Vorteil sein. Das Stadion als solches: Nach dem Umbau nicht von schlechten Eltern. Die drei neuen Tribünen eine echte Stimmungswucht. Leider wurde vor einem Jahr der Stehbereich des Gästebereichs verkleinert. Für Heimfans blieb alles wie gehabt. Stehränge auf ganzer Breite und hinter dem Tor. Richtig old school, um es mal ganz banal auszudrücken. Ein Manko ist noch die Mini-Sitzplatztribüne, hier muss nachgelegt werden. Nicht die Crème de la Crème ist allerdings mitunter das Drumherum für Gästefans. Sind Dynamo Dresden & Co zu Gast, heißt es Marschieren mit Polizeibegleitung bis zum S-Bahnhof Spindlersfeld.
Eine klasse Umgebung hat der Jahn-Sportpark in Berlin Prenzlauer Berg. Ein Bier auf der Schönhauser Allee oder in den Nebenstraßen. Vor dem Match, nach dem Match. Perfekt für Fußballfans. Die Rundlaufbahn macht dagegen das Stadion nicht perfekt. Auf Grund der Rundlaufbahn und der Abseitslage ist das Mommsenstadion von Tennis Borussia Berlin nicht wirklich die Rede wert.

Köln

Und jetzt quer durch die Republik. Brainstorming. Was fällt sofort ein? Sowohl negatives als auch positives?! Das RheinEnergieStadion des 1. FC Köln! Steile Tribünen. Tolle Stimmung. Stehplätze vorhanden. Nahe am Spielfeld. Also alles perfekt in Müngersdorf? Hm, fast. Zum einen toll, dass man an alter, historischer Stelle das neue Stadion errichtet hatte, zum anderen jedoch ist die Abseitslage ein echter Wermutstropfen. Ein Fußmarsch von einem Hauptbahnhof zur Spielstätte ist schließlich ein Hochgenuss. Lange Fahrten mit überfüllten Straßenbahnen sind es dagegen nicht. Fußmarsch? Hauptbahnhof? Was einst in Mönchengladbach legendär war, ist heute in Bochum noch immer möglich. Der Spaziergang von der City zum Stadion, vorbei an Kneipen und Büdchen. In Mönchengladbach verlagerte man das neue Stadion nach ganz, ganz weit draußen. Mehr grüne Wiese geht nicht. Irgendwo zwischen den Stadtteilen Hehn, Holt und Rheindahlen im Nordpark. Erreichbar nur mit dem eigenen Fahrzeug oder den Pendelbussen. Das Stadion der Borussen sicherlich keine schlechte Sache, die Lage dagegen für lauffreundliche Fans nicht der Knaller. Beim VfL Bochum ist alles wie gehabt. Noch fast alles so wie man es seit über 20 Jahren kennt. Wäre der Gästebereich wie früher ein Stehblock auf der gesamten Tribüne hinter dem Tor – dann gäbe es von Vielen sicherlich die Höchstnote. Ne Wurscht, nen Bier, ein Stadion ohne Schnickschnack.

Cottbus

Ohne Schnickschnack geht es auch in der Lausitz daher. Ein Fußballspiel beim FC Energie Cottbus? In den 90ern kein Hochgenuss. Flache, zugige, unüberdachte Kurven und eine Rundlaufbahn. In der Gegenwart dagegen ein Stadion, das sich sehen lassen kann. Etwas merkwürdig nur die Eckblöcke, die nicht überdacht sind. Ein Spaziergang vom Hauptbahnhof aus quer durch das Wohngebiet lässt des Nostalgikers Herzen höher schlagen. Paar Schritte weiter, und man kann zwischen Plattenbauten in der Kaufhalle ein Bierchen kaufen. Der anschließende Gang auf der Bahnüberführung: Kult wie im besten Football-Factory-Streifen.
Bleiben wir in der Region Nordost. Ein heißer Kandidat ist das glücksgas stadion der SG Dynamo Dresden. Kompakt, knackig, stimmungsvoll, Innenstadtnähe. Also alles perfekt? Gästekäfige in den Ecken sind generell ein Minuspunkt. Hm, und sonst? Fehlt womöglich das gewisse Etwas? Zu neu? Zu wenig Tradition? Gleiches würde auf etliche andere Stadien zutreffen. Ein Bruder des Dresdener Stadions ist der Tivoli von Alemannia Aachen. Pro und Contra sind bei beiden Stadien fast gleich. Schlicht, kompakt und gut könnte auch für die Stadion des 1. FC Magdeburg und des FC Hansa Rostock gelten. Jedoch gilt für Magdeburg und Rostock: Die Stadien liegen zu weit abseits in einer gesichtslosen Gegend.

Zurück in der 1. Bundesliga. Zu Gast beim amtierenden Deutschen Meister. Willkommen im Signal Iduna Park - Westfalenstadion - von Borussia Dortmund. Das Stadion: Beeindruckend. Eine grandiose Stehplatztribüne der BVB-Anhänger, und auch die Gäste stehen und sitzen nicht verkehrt. Und dazu: direkt an der Bundestraße 1 / Autobahn 40 und Innenstadtnah. Die Fahrt mit der U-Bahn oder mit dem Zug ist keine Weltreise und auch zu Fuß, ist es kein langer Marsch. Bei Scchalke 04 sieht es schon ganz anders aus: Der Weg ist weit und die Veltins-Arena hat sich zu sehr von einem echten Fußballstadion entfernt. Bei geschlossenem Dach schnuffelt es auf Schalke zu sehr nach Baseball, Entertainment und American Football. Schnuffeln tut es bei geschlossenem Dach auch im Nachbarland im Gelre Dome von Vitesse Arnheim. Allerdings riecht es dort eher nach Rauch und Schwarzpulver, weil vor dem Spiel ab und zu eine spektakuläre Pyroshow veranstaltet wird.

St. Pauli

Ein Blick nach Hamburg. Die Imtech Arena. Die Luftaufnahme zeigt es. Müngersdorf lässt grüßen. Fußball in grüner Umgebung. Wie in Köln war das in Hamburg bereits vor dem Neubau der modernen Arena so. Klasse und gern genutzt ist jedoch die Direktverbindung per S-Bahn entweder von der Sternschanze oder von den Landungsbrücken aus zur Arena. Der nun folgende Fußweg ist Geschmackssache, doch stehen ja auch Pendelbusse zur Verfügung. Eine optimale Lage hat das Millerntor-Stadion des FC St. Pauli am Heiligen-Geist-Feld. Eingebettet mitten im Kiez. Kultiger geht es wohl nicht. Bleibt abzuwarten, wie das Stadion als solches daher kommt, wenn der Umbau komplett abgeschlossen ist.

Welche Unterschiede. Das eine Stadion im quirligen Kiez, das andere Stadion eingerahmt von Bergen in einem Tal. Die Rede ist vom Sparkassen-Erzgebirgsstadion des FC Erzgebirge Aue. Sicherlich nicht DAS perfekte Fußballstadion, doch sollte es ruhig Erwähnung finden. Wo fließt schon ein sprudelndes Bächlein direkt an der Tribüne vorbei? Von der Bahnanbindung wollen wir dagegen jetzt lieber nicht sprechen...

So komme ich nicht weiter. Weiter das Hirn martern. Wieder Brainstorming. Wo war es richtig cool? Windsor Park in Belfast. Weshalb? Halb modern, halb alt. Mitten in einem Wohngebiet. Der Finn Park im irischen Ballybofey. Wo bitte schön? Ballybofey im County Donegal! Der Finn Harps FC ist dort zu Hause. Dort Fußball zu schauen fühlt sich an wie eine Reise in längst vergessene Zeiten. Besser noch! Eine Reise in die Zeit vor mir. Die mit Wellblech überdachte Stehtribüne: Grandios! Jedoch sicherlich nur als ein- oder zweimaliger Ausflug. Bleiben wir in Irland. In Dublin ist eine Seite des Richmond Parks, in dem St Patrick's Athletic beheimatet ist, komplett in eine Wohnhauszeile integriert. Von der Straßenseite gelangt man in einen urigen Pub, durch den Hinterausgang kann man ins Stadion spazieren. Der Rest des Stadions ist allerdings nicht wirklich perfekt. Immerhin, auch dort rauscht wie in Aue ein Bächlein an den Fans vorüber.

Generell gilt jedoch: Sämtliche Vergleiche zu anderen ausländischen Stadien hinken. Deutschland braucht gewiss kein Maracanã-Stadion und auch keine südländischen Arenen ohne Dach. Dafür sind die mitteleuropäischen Winterhalbjahre zu feucht und kühl. Wenn wir beim Thema Dach sind. Ja, es geht allerdings auch ohne Dach. Ein Großteil der Anhängerschaft des SV Babelsberg 03 muss auf der Stehgeraden ohne Überdachung auskommen, die Gästefans sowieso. Ausgeglichen wird die Dachlosigkeit durch die Nähe zum Spielfeld. In kaum einem anderen Stadion steht man als Gästefan so dicht hinter dem Tor wie im Karl-Liebknecht-Stadion. Das fetzt, das macht Spaß. Ist der Gästemob richtig groß, so schlagen Fußballherzen im Rock´n Roll-Takt.

Bayarena

Ich muss langsam zum Schluss kommen. Noch einmal eine Runde quer durch Deutschland. Die BayArena von Bayer 04 Leverkusen?! Nicht übel, da von der City und vom Bahnhof per pedes erreichbar. Leider liegen jedoch die Stehbereiche in den Ecken. Das Georg-Melches-Stadion von Rot-Weiss Essen. Oha, ein echtes Kultstadion, das jedoch zur Zeit einer Ruine gleicht und komplett umgebaut wird. Die Stadien von Fortuna Düsseldorf und des MSV Duisburg? Die Esprit Arena ist zu modern aufgetakelt, die Schauinsland-Reisen-Arena vielleicht ein Tick zu gesichtslos. Und die Arena in Leipzig? Von der Lage her gar nicht so verkehrt. Vom Hauptbahnhof aus kann man zu Fuß durch recht attraktives Wohngebiet zum Stadion schlendern. Für ein knackiges, perfektes Fußballstadion ist die Red Bull Arena allerdings zu weitläufig gebaut. Aber hey, es gibt schlechtere!

Bevor ich mich auf der Suche nach dem perfekten Stadion komplett verzettele: Ich mixe mir ganz einfach mein eigenes Stadion: Ich steige an einem Hauptbahnhof X aus, laufe die Schönhauser Allee (Berlin) entlang, kehre in ein, zwei Kneipen ein. Anschließend folge ich leicht bergauf der Castroper Straße (Bochum), vorbei an all den Fangruppierungen, die fröhlich palavern. Gern kann der Marsch zum Stadion in einer gemütlichen Gegend enden wie rings um das Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg. Das Stadion als solches wäre eine Mischung aus rewirpower-Stadion, RheinEnergieStadion, Georg-Melches-Stadion, Alte Försterei, glücksgas stadion und Tivoli. Nicht zu alt, nicht zu modern. Nicht zu groß, nicht zu klein. Wichtig, ganz wichtig: Bitte kein Away-Winkel für Gäste auf dem Oberrang. Der Stehbereich für Gästefans muss groß genug sein und direkt hinter dem Tor liegen! Nicht zu vergessen: Eine offizielle Schmokelecke für das Anzünden von Bengalischen Fackeln und etwas Rauch. Als i-Punkt bitte solch einen integrierten Pub wie im Dubliner Richmond Park. Aber hallo!

> zu den turus-Fotostrecken: Stadien, Fans und Ultras in ganz Europa

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