Hamburger SV vs. 1. FC Köln: Zwischen Abstieg und Europapokal

A Updated 22 Januar 2018
Hamburger SV vs. 1. FC Köln: Zwischen Abstieg und Europapokal

Samstagabend, Volksparkstadion, Flutlicht. Der Hamburger SV als 17. empfängt den Tabellenletzten, 1. FC Köln, zum Topspiel des 19. Spieltags der Bundesliga. Kurz vor Anpfiff singt Lotto King Karl in seiner Hymne “Hamburg, meine Perle” die Zeile “Wenn du aus Rostock kommst, bleibst du am besten gleich Zuhaus’”, und angesichts der Tatsache, dass man heute bereits vor 4:00 Uhr aufgestanden war, um ein Spiel in Großaspach zu sehen und in Stuttgart aufgrund der Spielabsage umdrehen musste, bekommt diese Textzeile eine ganz neue Bedeutung. Ärgerlich, dass man sich um diese Zeit ausgerechnet im Volksparkstadion wiederfindet, anstatt im ICE den ersten Auswärtssieg 2018 zu feiern. 

Aber alles meckern nützt nichts, die Entscheidung wurde nunmal getroffen und damit muss man leben. Dennoch muss heute noch irgendwas her, das mit Fußball zu tun hat, und auf diesem Spiel prangt immerhin das Siegel “Bundesliga”. Wenn das nicht nach großer Fußballbühne klingt.

HSV

Als Wahlhamburger wird man ja nicht zu selten mit der an Arroganz grenzenden Selbstgerechtigkeit der Einheimischen konfrontiert, die ihre Stadt für die größte, beste, schönste, tollste der Welt halten und daher keinen anderen Ort wirklich ernst nehmen. Hamburg ist wirklich eine schöne, lebenswerte Stadt, aber ein realistisches, kritisches Eigenbild sucht man hier oft vergeblich. 

Diese Einstellung übertragen die Hamburger natürlich auch auf den Fußball und “ihren” HSV. Der Verein gehörte bis vor 30 Jahren zu den allerbesten des Landes und alles andere als dieser Anspruch ist dem HSV, ist der Stadt nicht würdig. Man bildet sich aktuell sogar ein, selbst im Leiden zur Weltspitze zu gehören und in den letzten Jahren mehr gelitten zu haben als alle anderen Fußballfans auf der Welt. Als Rostocker kann man darüber nur milde lächeln. 

Umso schöner natürlich für alle Unbeteiligten, dass der HSV sich mal wieder im Tabellenkeller eingefunden hat und nervös auf den Gast aus Köln blickt, der die letzten beiden Spiele gewinnen konnte, und heute durch einen Sieg bis auf drei Punkte an die Hamburger heran kommen könnte.

Das Stadion sieht nicht mal ansatzweise so voll aus wie es die offizielle Ticketseite des HSV am Nachmittag noch vermuten lässt, als für viele Teile des Stadions entweder gar keine oder nur unzusammenhängende Plätze angeboten werden. Von den 57.000 Plätzen im Volksparkstadion bleiben bestimmt zehn Prozent leer. Offenbar haben viele Dauerkarteninhaber was besseres vor. Dafür ist die Gästeecke mit etwa 7.000 Kölnern gut besetzt. 

HSV

Der HSV beginnt das Spiel mit viel Druck und Geschwindigkeit und kommt bereits in der ersten Minute zu einer Torchance durch André Hahn, die der Kölner Torwart Horn aber parieren kann. Bereits nach fünf Minuten hat Papadopoulos gelb gesehen und Jojic den folgenden Freistoß nur knapp über das Hamburger Tor gebracht. Es scheint doch ein ganz interessantes Spiel zu werden.

Nach zehn Minuten läuft der Kölner Osako so frei auf Julian Pollersbeck und sein Tor zu, dass er viel zu viel Zeit hat, um nachzudenken. Der Japaner hat eigentlich alle Möglichkeiten der Welt, hier das 0:1 zu erzielen, und entscheidet sich letztlich für die einzige, die nicht zum Torerfolg führt. Der Ball landet in den Händen des Hamburger Torwarts, ohne dass Osako geschossen hätte.

In der Folge bestimmt der HSV das Spiel und kommt zu einer weiteren Szene, die nach etwas Gewühl im Kölner Strafraum eigentlich zum Tor führen muss. Zumindest, wenn man nicht den bereits geschlagenen Torwart aus nächster Nähe anschießt. 

In der 27. Minute erzielt Simon Terodde dann aus dem Nichts nach einer verlängerten Ecke das 0:1 und im Gästeblock ist kollektives Ausrasten angesagt. Zum ersten Mal werden die Kölner richtig laut und feiern sich und ihre Mannschaft für den Treffer.

Zuvor hatte der Kölner Mob eher enttäuscht, sowohl lautstärketechnisch als auch auf die vielen Phasen bezogen, in denen gar kein Support zu hören war. Die Ultras konzentrieren sich mit ihren Aktivitäten auf den kleinen Stehbereich, in dem sie sich eingefunden haben, und lassen die anderen 6.000 Mitgereisten vollkommen außen vor. Dabei wäre hier so viel Potential vorhanden, das Volksparkstadion richtig zu rocken, denn es jeder Einzelne scheint motiviert genug, 90 Minuten alles zu geben. 

Weil dem HSV nach dem Gegentreffer auch nichts Produktives mehr in der Offensive einfällt und Köln erstmal viel Zeit hat, beginnt das Heimpublikum zu pfeifen. Von der Nordtribüne weht ein “Wir wollen euch kämpfen sehen” herüber, was angesichts der Tatsache, dass der HSV eine halbe Stunde lang das Spiel bestimmt hat, vollkommen deplatziert wirkt. 

Und dass die eigene Mannschaft auch nach dem Halbzeit genauso empfangen wird, zeigt einmal mehr, dass man es in Hamburg immer noch nicht verstanden hat, wo man steht und dass man dort nur gemeinsam herauskommen kann. 

Die zweite Halbzeit ist erstmal nicht mehr so reich an interessanten Szenen wie die erste. Die Kölner Abwehr steht gut und die Hamburger Offensive hat keine Ideen. Der Ball wird viel im Mittelfeld hin und her geschoben, es gibt doppelt so viele Einwürfe wie platzierte Pässe und alle nennenswerten Torschüsse scheinen in der ersten Hälfte aufgebraucht worden zu sein. 

Köln

25 Minuten vor Schluss erhöht Terodde nach einem konsequent ausgespielten Konter auf 2:0 für Köln und erneut explodiert der Gästeblock in einem kollektiven Torjubel. Auf der anderen Seite verlassen die ersten Hamburger das Stadion. 

Danach ist das Spiel gelaufen. Der HSV versucht verzweifelt, nochmal irgendwie zurück zu kommen, hat allerdings außer der bekannten Brechstange keine Mittel und scheitert an der guten Kölner Defensive. Die Gäste haben immer noch viel Zeit und setzen ein paar weitere gute, aber erfolglose Konter. 

Am Ende macht es der HSV dann nicht mehr nur kopflos, sondern auch noch dämlich, als ein Einwurf in Höhe des eigenen Strafraums abgepfiffen und an Köln gegeben wird, weil ein Hamburger der Anweisung des Schiedsrichters, für die Ausführung einige Meter zurück zu gehen, nicht nachkommt.

Das Spiel endet schließlich mit einem verdienten Sieg für den 1. FC Köln, dessen Fans in den Schlussminuten die Lautstärke nochmal voll aufdrehen und ihren Stil unter Beweis stellen, indem sie als Tabellenletzter den HSVern, ein gepflegtes “Absteiger, Absteiger!” entgegen bringen. Ausgerechnet jenen HSVern, die im Hinspiel noch ein Banner mit der Aufschrift “Spitzenreiter” präsentiert haben. Hach, wie herrlich ironisch. 

Nachdem sich die Kölner Mannschaft, die im Angesicht der aktuellen Situation vielleicht ein bisschen zu wenig gefeiert wird, verabschiedet hat, hört man aus dem Gästeblock ein ganz bescheidenes “Europapokal, Europapokal!” und im Prinzip ist das ja nicht mal übertrieben. 

Letztendlich entschädigt der Abend zwar nicht für das verpasste Spitzenspiel der Dritten Liga, taugt aber dennoch als kurzweilige, abwechslungsreiche Alternative. Denn, ganz ehrlich, auch wenn zwei Spielklassen und 40.000 Zuschauer dazwischen liegen, das eigentliche Topspiel ist immer das, an dem dein Verein beteiligt ist.

Bericht & Fotos: Anika

> zur turus-Fotostrecke: Hamburger SV

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Köln

 

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
21 Januar 2018
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
52.647
Gästefans
7000

Ligen

Inhalt über Liga
1. Bundesliga

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10.000 Kölner, ansonsten top geschrieben
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