Energie Cottbus II vs. BSG Wismut Gera: Auf Tour mit der Wismut-Fanszene

BSGOhne Zweifel häuften sich in den zurückliegenden Wochen die Meldungen über eine härtere Gangart der polizeilichen Einsatzkräfte. Dem einzelnen Fußballfan am Standort X mag dies nicht auffallen, doch wenn man die Statements und schriftlichen Erklärungen sammelt und archiviert, merkt man ganz klar: Gegen aktive Fans wird derzeit landesweit gezielt vorgegangen. Sei es gegen Anhänger der SpVgg Greuther Fürth auf dem Parkplatz in Karlsruhe, gegen Fans des F.C. Hansa Rostock beim Auswärtsspiel beim SV Werder Bremen II, gegen nach Manchester reisende Fans von Borussia Mönchengladbach (Stichwort Untersuchungen auf einem Sammelplatz) oder gegen Ultras von Borussia Dortmund nach dem Heimspiel gegen PAOK Saloniki. Die Darstellungen in den Polizeimeldungen und den Stellungnahmen von Fanprojekten oder Fanhilfen gehen mitunter weit auseinander. Während die Allgemeinheit mal schnell erklärt, es werde schon nicht die Falschen treffen (O-Ton: Ultras seien ja eh der Gewalt nicht abgeneigt), kommt man als Person mit Sachverstand derzeit nicht aus dem Staunen raus. Die derzeitigen Entwicklungen sind derzeit wahrlich nicht erfreulich und es dürfte für die aktiven Fanszenen in Zukunft noch ungemütlicher werden.

PolizeiDass es hierbei nicht nur die großen bekannten Fanszenen, sondern auch eher kleine Gruppierungen treffen kann, war am vergangenen Sonntag beim Oberligaspiel FC Energie Cottbus II vs. BSG Wismut Gera zu sehen. Mitunter reagieren Polizisten gereizt und dünnhäutig. Bei Dingen, bei denen früher mal eher locker weggeschaut wurde, kann man heute schneller in der Zelle oder im Mannschaftswagen landen, als man denkt. Fröhlich frei durch die Lande ziehen und als Truppe zu einem Auswärtsspiel düsen? Einfach nur Spaß haben? Das Ausleben der Freiheit kann ganz fix am nächsten Bahnhof beschnitten werden. Situationen können schnell aus dem Ruder laufen. Die Lage kann fix kippen. Leider wird allzu oft unnötigerweise Öl ins Feuer gegossen. Schnell sind Knüppel und Pfefferspray zu Hand. In Kombination mit jugendlicher Lässigkeit und Alkohol kann es mitunter rasch ungemütlich werden. 

BSGAm Fallbeispiel der Fanszene der BSG Wismut Gera soll an dieser Stelle geschildert werden, wie ein Fußballtag X verlaufen kann. Eine Auswärtstour zu einer U23-Mannschaft, die von der dortigen Fanszene nicht unterstützt wird. Schauplatz Lok-Stadion an der Lipezker Straße in Cottbus. Ein Fünftligaspiel vor 107 zahlenden Zuschauern. Nach dem 2:1-Erfolg gegen den VfL Halle 96 keimte bei den Fans der BSG Wismut Gera wieder Hoffnung auf. Noch ein Sieg in der Lausitz, dann könnte etwas entspannter Weihnachten gefeiert werden. Mit Schwung könnte es dann ins Neue Jahr gehen. 

wismutSei Wismut! Lebe Ultra! Um 6:30 Uhr traf man sich am Hauptbahnhof von Gera, rund 40 Zugfahrer machten sich auf den Weg gen Cottbus. Unter ihnen fünf Dresdener von den befreundeten Kaotics 53. Das erste Bierfässchen wurde angestochen. Feucht fröhlich, aber entspannt wurde die Fahrt über die Runden gebracht. Für musikalische Unterhaltung war ebenso gesorgt. Immer wieder wurde „Die immer lacht“ (Kerstin Ott) abgespielt. In den Zügen befanden sich keine Polizisten, dementsprechend war ein fürs andere Mal „Die immer lacht“ zu hören. Wer allerdings nicht lachte, war die Polizei, die am Bahnhof von Cottbus bereits auf die Reisegesellschaft wartete. Mit Hunden wurde herangestürmt. Die Fans, die bereits ausgestiegen waren, wurden unsanft zurück in die Waggons geschoben. Die Türen wurden wieder verschlossen. Wer auf Toilette musste, konnte dies erst nach langen Diskussionen und der Abgabe der Personalien tun. Nach einiger Zeit musste jeder einzeln raustreten. Die Daten wurden aufgenommen, die Gesichter wurden abgefilmt.

BSGOffizieller Grund dieser polizeilichen Maßnahme waren das Zünden von Pyrotechnik und Sachbeschädigung. Festgestellt werden konnte jedoch nur, dass eine Toilette verstopft war und Aufkleber angebracht wurden. Nachdem sämtliche Personalien aufgenommen wurden, ging es mit Polizeibegleitung zur Straßenbahn. Auf zum Lok-Stadion an der Lipezker Straße! Was dort auf die Gästefans wartete, war ein Trauerspiel. Zwei aufgestellte Toi-Toi-Toiletten - das war´s. Von einer Verpflegungsmöglichkeit war im Stadion keine Spur. Allerdings gab es auch eine positive Überraschung. Der freundliche Sicherheitschef erklärte den Wismut-Fans, dass Plastikbecher zur Verfügung gestellt werden. So konnten die mitgebrachten Getränke umgefüllt und mit in den Block genommen werden. Da die nächste Tankstelle nur 50 Meter weit entfernt war, konnte sich vor dem Spiel eingedeckt werden. Die Bierkästen standen vor dem Block und während des Spiels ging man raus, füllte sich was ab und ging wieder zurück ins Stadion. Ganz klar, einer der angenehmen Aspekte des Tages. 

WismutAuf dem Rasen konnte die Wismut-Mannschaft bis zur 30. Minute den Kasten sauber halten. Dementsprechend gut war auch die Stimmung im Gästeblock. Schalparaden, Klatscheinlagen und ein sehr melodisches abwechslungsreiches Liedgut. Die BSG Wismut Gera brach jedoch wieder ein. Zwei Gegentore vor der Pause, dann noch ein Cottbuser Doppelschlag in der 61. und 64. Minute. Das Spiel war gelaufen, der Support ebbte ab. Unruhe kam kurz vor Schluss auf, als ein Wismut-Fan, der noch einmal zur nahen Tanke pilgerte, von fünf Polizisten niedergerungen und auf ein nahes Revier gebracht wurde. Später wurde dieser direkt zum Bahnhof transportiert, damit er mit den anderen zurück nach Thüringen fahren konnte. 

BSGErstaunlicherweise verlief auch die Rückfahrt ohne erkennbare Polizeibegleitung. Große Augen gab es indes in Leipzig, als die 35 aus Gera stammenden Fans quer über den Hauptbahnhof rannten, um den Anschlusszug zu bekommen. Ein Empfangskomitee stand indes in der Heimat bereit. Zehn Polizisten am Hauptbahnhof von Gera, sogar 25 Beamte am Bahnhof Gera-Süd. Sprich: Auf jeden Fußballfan kam ein Polizist. Personalnotstand bei der Polizei? Man kann nur den Kopf schütteln. Bekanntlicherweise ist es kaum noch möglich, in ländlichen Regionen ein Radport-Jedermann-Rennen vernünftig abzusichern (Die Landesverbände können davon ein trauriges Liedchen trällern), für die eine oder andere Maßnahme gegen solch eine kleine partyfreudige Truppe ist indes genug Personal verfügbar. 

Text: Marco Bertram in Zusammenarbeit mit Los Misenas

Fotos: Los Misenas

> zur turus-Fotostrecke: BSG Wismut Gera

Artikel wurde veröffentlicht am
15 Dezember 2015
Spielergebnis:
4:0
Zuschauerzahl:
107

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Benutzer-Kommentare

5 Kommentare
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Kommentare
Eieiei...bei dem Text kann man leider nur mit dem Kopf schütteln.
Sicherlich nehmen polizeiliche Maßnahmen immer ungeahntere Ausmaße an und die Polizei wächst für eine ganze Generation zum Feind. Aber wie kann man nur über solche ASSIS aus Gera so nen Bericht schreiben? Die haben schon oft genug scheiße gebaut und machen es auch immer noch. Eine Mischung aus rechten Suff-Schlägern und Kiddies die sich in deren Schutz sicher fühlen und aufmucken. Dazu dann noch ein Verräter dabei und mit Bullenbegleitung lässt es sich leicht pöbeln, wenn man das Maul gegen einen zu großen Gegner mal wieder laut aufgerissen hat.
Was Ultras Gera mittlerweile darstellen, ist ein Trauerspiel...tut mir leid.
Was war letztens in Jena? Monate vorher gab es große Ansagen und an dem Tag taucht man da mit max 30 Leuten auf, stellt sich in die letzte Ecke, Fahne innen an Zaun und dann rummackern. Man man man, ich will nicht wissen was die Jenenser sich bei dieser Opfershow gedacht haben...die waren ja wohl auch unterwegs vor und nach dem Spiel, aber die Cops haben eine ordentliche Ordnungsschelle verhindert. Schade eigentlich. Bleibt nur zu hoffen, dass irgendeine Szene das bald nachholt...vielleicht ja schon am 03.01.16. Damit es endlich vorbei ist.

Und die letzten Worte an Los Misenas.
Ihr versucht mit eurem kleinen Hobby auch aus Scheiße Gold zu machen, oder? Verpisst euch aus den Stadien...
M
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Traurig !
G
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G
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Komisch daß es in unserem Staat keine wichtigeren Aufgaben gibt als 40 Gera-Fans zu drangsalieren. Geht mir der Zylinder hoch wenn ich das lese.
J
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G
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