Dass der Anhang von Lech Poznan sowohl auf als auch abseits der Ränge zu Europas Beletage der Fanszenen gehört, dürfte allgemein bekannt sein. Dementsprechend war das Gastspiel beim ungarischen Vertreter Videoton FC Székesfehérvár selbstverständlich ein Pflichttermin. Dass es sportlich nicht mehr wirklich spannend werden würde, war bereits nach dem Hinspiel in Posen ersichtlich, welches Lech klar mit 3:0 für sich entscheiden konnte. Trotzdem machten sich schätzungsweise 450 Polen auf den Weg in die Krönungsstadt der ungarischen Könige.
Videoton FC vs. Lech Poznan: Auftritt in Székesfehérvár vor enttäuschender Kulisse
2.819 Fußballfreunde fanden sich am Donnerstagabend im schmucken Sostoi Stadion, welches 1967 mit einem Spiel gegen Rot-Weiß Erfurt eröffnet wurde, ein. Natürlich ist dies eine desolate Zuschauerresonanz. Wenn man sich aber vor Augen führt, was momentan im ungarischen Fussball passiert - eine sportlich nahezu qualitätsbefreite Liga, rabiate Gesetzeshüter, personalisierte Tickets und als absoluter Gipfel der Überwachung ein Venenscanner im neuen Stadion von Ferencváros -, ist das wohl nur die logische Schlussfolge. Hier ist wohl das nächste europäische Land drauf und dran beim Fußball seine Fankultur komplett abzuschaffen. Ungefähr 120 Fans, unterstützt von den Freunden aus Zwickau, versuchten sich daran etwas Stimmung in der Heimkurve zu kreieren. Dies gelang in der ersten Halbzeit auch ganz passabel und so waren die Jungs in der ersten Hälfte zwar ein paar Mal zu hören, bauten aber in der zweiten Halbzeit genauso wie der Rest von Videoton spürbar ab. Ein Kompliment muss man ihnen trotzdem aussprechen, da sie den fast aussichtslos anmutenden Kampf gegen die steigenden Repressionen nicht aufgegeben haben.
Das Spiel auf dem Rasen war ziemlich schwere Kost und lässt sich so zusammenfassen: Vidi wollte, konnte aber nicht - und Lech musste nicht. Die Ungarn kamen im gesamten Spiel nur in der neunten Spielminute einmal gefährlich vors Tor, konnten aber im restlichen Spielverlauf den polnischen Meister nie ernsthaft in Bedrängnis bringen. Als Lech dann kurz vor der Halbzeit durch ein Missverständnis zwischen dem Vidi-Tormann und einem Vidi-Verteidiger durch Kędziora in Führung ging, war der Drops quasi endgültig gelutscht.
Der Lech-Anhang legte einen soliden Auftritt hin. Man wusste, dass man heute nur ein Drittel vom eigenen beeindruckenden Potential abrufen musste, um das Duell auf den Rängen trotzdem klar für sich zu entscheiden. Besonders schön waren die Zaunfahnen der Polen anzusehen, inklusive der bekannten polnisch-ungarischen Freundschaftsfahne. Unterstützt wurde Kolejorz an diesem Abend auch von einer kleinen Cracovia-Abordnung, die sich allerdings etwas weiter abseits platzierte und sich kaum am Support beteiligte. Den rot-weiß Gestreiften werden die Stärken ja bekanntlich in einem anderen Bereich nachgesagt. Sicherlich war es in Székesfehérvár kein Galatag der Blauen, trotzdem versprühten Lieder wie "Cala Polska zna, nasz kibicowski swiat! Cala Polska wie, jak Kolejorz bawi sie!" (Ganz Polen kennt unser Leben, ganz Polen weiß wie Kolejorz Spaß hat) immer wieder sehr viel von dem Flair, den diese Fanszene aus der Stadt an der Warthe umnebelt.
Anmerkung: In der Gruppenphase der Europa League hat es Lech Poznan wieder mit dem FC Basel zu tun, zudem sind Belenenses und der AC Florenz die Gegner.
Fotos: Tim Seidenberg (Flickr-Seite des Fotografen)