Spatzen pfeifen es vom Dach: SSV Ulm 1846 hat wieder Bock!

Spatzen pfeifen es vom Dach: SSV Ulm 1846 hat wieder Bock!

Splitternackt im wuchtigen Federbett liegend, schaute ich am Abend des 06. November 1999 im Hotelzimmer im holländischen Den Helder gebannt auf den Fernseher. Im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF wurden gerade die Zusammenfassungen des 11. Spieltags der 1. Bundesliga gezeigt - und es war für mich die genialste Sportsendung in meinem Leben. Nicht dass diese Sendung an jenem Abend etwas besonderes war oder dass die Herzensvereine Bäume ausgerissen hatten. Vielmehr war ich heilfroh, der tobenden Wasserhölle entkommen zu sein und nach der Rettung durch einen Lynx-Militärhelikopter der niederländischen Marine geborgen im kuschligen Bettchen eines Hotels liegen zu können. Nach drei Tagen Kampf gegen meterhohe Wellen auf einem acht Meter langen Segelboot auf der Nordsee und einem Schiffbruch vor der Insel Vlieland war es schlichtweg ein Genuss, wieder zurück im Leben zu sein und die Bundesliga-Spielberichte bestaunen zu dürfen. "Lebbe geht weider!" Wer hat's gesagt? Steppi hat's gesagt!

Mit 4:0 haute die Frankfurter Eintracht die Alte Dame namens Hertha BSC aus dem Waldstadion, mit 2:1 besiegten die Münchner Löwen die kleinen Nachbarn aus Unterhaching, Dortmund und Leverkusen trennten sich 1:1, und der wackere Liga-Frischling SSV Ulm 1846 musste sich dem Tabellenführer FC Bayern München denkbar knapp mit 0:1 geschlagen geben. Vor 23.000 Zuschauern im Donaustadion erzielte Carsten Jancker kurz vor dem Pausentee den Treffer des Tages.

Was hatte man im Frühjahr 1999 gestaunt, als plötzlich die Ulmer Spatzen den Sprung von der 2. Bundesliga ins Fußballoberhaus gepackt hatten. Mal eben wurde der Durchmarsch von der Regionalliga Süd in die 1. Bundesliga vollbracht. 1993/94 hatte man noch in der Oberliga Baden-Württemberg gekickt!

Und die Erstligasaison 1999/2000 startete sogleich furios für die Ulmer. Am 4. Spieltag (10. September 1999) musste man auswärts beim F.C. Hansa Rostock vier Platzverweise hinnehmen, zudem musste Trainer Martin Andermatt in der 77. Minute auf die Tribüne. In Unterzahl konnte Janusz Góra in der 79. Minute sogar noch den Ausgleichstreffer zum 1:1 erzielen. Rostock rannte an und war sich der drohenden Blamage bewusst. In der 90. Minute sicherte Victor Agali dann doch noch den knappen 2:1-Sieg für die Rostocker. Bemerkenswert: Am Ende waren es exakt drei Punkte, die Hansa Rostock vor dem SSV Ulm 1846 lag. Ulm stieg wieder ab, Rostock konnte indes die Klasse halten.

Hängen blieb aus jener Saison auch der 9:1-Sieg von Bayer 04 Leverkusen in Ulm am 18. März 2000. Hielt sich Ulm in zahlreichen Spielen recht wacker, so brach man an jenem Samstagnachmittag auseinander. Vor 20.000 Fußballfreunden im weiten Rund trafen Emerson (2x), Paulo Rink, Ulf Kirsten, Zé Roberto (2x), Oliver Neuville, Michael Ballack und Bernd Schneider für die Werkself. In der 90. Minute machte Leandro nach Vorarbeit durch Janusz Góra noch den Ehrentreffer zum 1:9 klar. Der Stand der Dinge nach dem 25. Spieltag: Rang 13. Am Ende hatte es nicht gereicht und es ging wieder runter in die 2. Bundesliga.

Die Ulmer Spatzen fielen tief. Man hatte sich an der Donau finanziell derb verhoben, stieg am Ende der Saison 2000/01 auch aus der 2. Bundesliga ab und erhielt in der Folge keine Lizenz für die Regionalliga. Stattdessen musste in der fünftklassigen Verbandsliga Württemberg ein Neubeginn gewagt werden. FV Lauda statt Bayern München, FC Denzlingen statt Hansa Rostock. Aber schau an: Damals war der SV Sandhausen einer der Gegner!

Nach dem Aufstieg hing man von 2002 bis 2008 in der Oberliga Baden-Württemberg fest, ab 2008 wurde wechselnd in Regionalliga und Oberliga gespielt. Nachdem am Ende der Saison 2021/22 als Tabellenzweiter hinter dem SV Elversberg der Sprung in die 3. Liga knapp verpasst wurde, glückte die Rückkehr in den Profifußball am Ende der Spielzeit 2022/23 vor dem TSV Steinbach Haigar und der TSG 1899 Hoffenheim II.

Die Euphorie kannte keine Grenzen - plötzlich füllten sich die Ränge wieder mit teils fünfstelligen Besucherzahlen. Los ging es mit einem 1:1 gegen den 1. FC Saarbrücken am 06. August 2023 vor 9.542 Zuschauern. Beim 1:0-Sieg gegen Arminia Bielefeld wurde die 10.000er Marke mit 9.977 Zuschauer noch knapp verpasst, doch gegen den TSV 1860 München war am 03. Oktober 2023 das weite Rund - auch Dank der zahlreichen Gästefans - mit 17.000 Zuschauern prima gefüllt. Auch beim folgenden Heimspiel gegen die SG Dynamo Dresden (2:3) waren 17.000 Zuschauer vor Ort im Donaustadion.

Umgezogen werden musste im Winter allerdings aufgrund der fehlenden Rasenheizung ins rund 70 Kilometer entfernte Aalen. Am vergangenen Wochenende heiß es dann allerdings wieder: "Endlich wieder Donaustadion!!" Sonntagabend - Anpfiff um 19:30 Uhr. Aus dem 200 Kilometer entfernten Sandhausen waren auch fast exakt 200 Fans am Start. Insgesamt 15.019 Zuschauer wollten dieses Drittligaspiel sehen - für Ulm ging es um nichts Geringeres als die Tabellenführung!

Es war ordentlich angerichtet. "Ordnung braucht nur der Dumme - Das Genie beherrscht das Chaos", hieß das Motto der Heim-Choreo, die von Pyro untermalt wurde. Und auch auf Gästeseite ließ man sich nicht lumpen. "Mit Fanatismus zu 3 Punkten", lautete das Motto. Dazu fliegendes Papier und einige Fackeln.

Auf dem Rasen war Ulm in der ersten Halbzeit ganz klar die bessere Mannschaft und bei ungemütlicher Witterung machte Philipp Maier nach einer Ecke mit dem Kopf das verdiente 1:0 für den Gastgeber. Ulm blieb dran, Sandhausen hatte keine Torchancen, und in der 39. Minute legte Max Julian Brandt zum 2:0 nach.

In der zweiten Halbzeit sollten keine Tore mehr fallen, die drei Punkte waren bei feuchtem Wetter in trockenen Tüchern, und die Tabellenspitze wurde erklommen! Was für ein spannendes Aufstiegsrennen in der 3. Liga! Gleichauf der SSV Ulm 1846 und der SSV Jahn Regensburg, nur ein Pünktchen dahinter die SG Dynamo Dresden. In Lauerstellung etwas überraschend der SC Preußen Münster. Man darf gespannt sein, wie die Ulmer Spatzen die laufende Spielzeit abschließen werden!

Fotos: Unterwegs in Sachen Fußball (UiSF), Wochenendpöbler

> zur turus-Fotostrecke: SSV Ulm 1846

> zur turus-Fotostrecke: SV Sandhausen

Stadionname:
  • Donaustadion
Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
12 März 2024
Spielergebnis:
2:0
Zuschauerzahl:
15.019
Gästefans
200

Ligen

Inhalt über Liga
3. Liga

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1 Kommentar
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Kommentare
Cool: SSV 1846
Die Legende lebt.. . 3x Insolvenz, die Fans gaben ihr letztes Hemd!
Eine Korrektur: 2001/2002 und auch sonst nie spielte man gegen Denzlingen ( siehe: https://ssv-archiv.de/archiv/ergebnisdatenbank/vereine.htm ).

Möge der SSV Ulm 1846 wieder in höhere Klassen kommen - die Euphorie ist riesig!
DL
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