Tasmania II vs. Blau-Weiß 90 II: Glühwein, Emotionen und Spielabbruch

Tasmania II vs. Blau-Weiß 90 II: Glühwein, Emotionen und Spielabbruch

Punktlandung auf einem Nebenplatz des Werner-Seelenbinder-Sportparks. Wenige Augenblicke vor Anpfiff trudelten wir zu dritt bei der Kreisligapartie SV Tasmania Berlin II vs. Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin II ein. Saßen bzw. standen wir am Tag zuvor noch inmitten von 27.100 Zuschauern bei der Zweitligapartie F.C. Hansa Rostock vs. FC St. Pauli (2:3) im Ostseestadion, so wurden bei winterlicher Witterung am Sonntagnachmittag um 15 Uhr kleinere Brötchen gebacken. Aber so ist nun mal Fußball. Facettenreich. Mal volle Kapelle in einem Zweitligastadion - mal ein Stelldichein von 20 Fußballfans bei einem Kick in der Berliner Kreisliga B. Und was soll man sagen? Beides hat Vor- und Nachteile - beides ist genial - beides lebt von Emotionen!

Dass es jedoch dermaßen emotional werden würde, hatte ich im Vorfeld nicht vermutet. Dass in der Partie der Zweit-Vertretungen von Tasmania und Blau-Weiß 90 ein Portiönchen Brisanz ist, war aufgrund der nicht wirklich erfreulichen, an den Fans vorbei eingeleiteten Kooperation zwischen beiden Vereinen zu erwarten, dass es jedoch dermaßen hitzig sein würde, war auch für mich überraschend. 

Gespalten ist aktuell die Fanszene der Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin. Manche unterstützen auch weiterhin die erste Mannschaft, die nach dem freiwilligen Rückzug aus der NOFV-Oberliga Nord nun in der Berlinliga spielt, manche gehen aus Protest nur noch zur zweiten Mannschaft, und manche gehen mitunter zu beiden. Während am gestrigen Nachmittag beim Duell der zweiten Mannschaften keine Tasmania-Fans zu sehen waren, sammelten sich auf Gästeseite rund 20 blau-weiße Anhänger, die zu Beginn der Partie mit dem abgespielten Klassiker „Wir sind heiß auf Blau-Weiß!“ hinter den aufgehängten Zaunfahnen für prima Stimmung sorgten. Glühwein wurde ausgeschenkt und meine beiden Kinder erhielten zwei Marzipan-Nougat-Brote. 

Ein entspanntes Stelldichein? Hätte es werden können, doch sorgte das Geschehen auf Kunstrasen dafür, dass sehr rasch erhöhte Betriebstemperatur aufkam. Nach wenigen Minuten gab es auf Seiten der Blau-Weißen eine Verletzung zu beklagen, die zur Folge hatte, dass sogar ein Krankenwagen gerufen werden musste. Auf dem Platz wurde es hitzig, und der Trainer der Tasmanen peitschte seine Mannschaft immer wieder an. Mitunter rückte er dabei in der ersten Halbzeit recht nah an die Gästefans ran. Im Laufe der ersten Halbzeit muss es wohl einen hässlichen verbalen Austausch zwischen dem Tasmania-Trainer und einem Spieler von Blau-Weiß 90 gekommen sein, in der Folge mussten beide zurückgehalten werden, da die Situation zu eskalieren drohte. Wer wem zuerst ein böses Wort zurief, war allerdings im ganzen Trubel nicht ersichtlich. Der Schiedsrichter bat zudem den Kapitän von Blau-Weiß 90 kurz die Fans zu beruhigen.

Von Beruhigung konnte jedoch keine Rede sein, denn gab es kurz hinter der Mittellinie eine klare Notbremse zu sehen. Letzter Mann. Trotzdem nur Gelb statt Rot. Keine Frage, der Stürmer von Blau-Weiß 90 wäre allein aufs gegnerische Tor zugelaufen. Kein Wunder, dass nun alle richtig in Wallung kamen. Etwas Ruhe kam vorerst rein, als es beim Spielstand von 0:0 zum Pausentee ging. Für mich hieß es, bei einbrechender Dämmerung die beiden Kinder bei Laune zu halten. Noch etwas Schokolade, noch einen Kaubonbon, der kleinere Sohn bekam noch eine dritte Jogginghose übergezogen. 

Kurz vor Wiederanpfiff feuerten die Blau-Weiß-Spieler nochmals die Fans an. Weiter so! Stimmung machen! Die drei Punkte würden geholt werden. Aber bitte fair bleiben und sich nicht provozieren lassen. Dies war jedoch gar nicht so einfach, gab es auch vereinzelte Tasmania-Spieler, die mal einen Spruch rüberschickten. Aber gut, so ist Amateurfußball. Da findet noch die direkte Kommunikation zwischen Spielern und Zuschauern statt. Nicht immer im grünen Bereich, aber so lange beide Seiten nicht unter die Gürtellinie gehen, sollte es es zu ertragen sein. 

Fakt ist, dass keiner der anwesenden Blau-Weiß-Fans übergriffig wurde. Körperlich schon mal gar nicht, und auch verbal wurde keiner persönlich beleidigt. Gut gefeiert wurde indes, als in der 70. und 75. Minute Mohamed Abou-Nasser und Sabri Quercheffani für einen genialen blau-weißen Doppelschlag sorgten. Beim zweiten Treffer gab es kein Halten mehr und an der Eckfahne wurde ein hübscher Haufen gebildet. Geballte Fäuste von den Spielern. Gegenseitiges Anfeuern. Der Sieg war zum Greifen nahe.

Nachdem Adil Berke Savcili in der 82. Minute den 1:2-Anschlusstreffer klarmachen konnte, ging es den Tasmania-Spielern nicht schnell genug, sich den Ball zu greifen und auf den Mittelpunkt zu legen. Ein üblicher, verständlicher Vorgang beim Fußball, doch wurde in Zuge dessen der Blau-Weiß-Torwart attackiert und dieser blieb anschließend liegen. Nun war es schwer, die Emotionen verbal unter Kontrolle zu halten. „Scheiß Neukölln!“ hallte es über den Platz, doch wurde auch weiterhin kein gegnerischer Spieler persönlich beleidigt. Und schon gar nicht gab es Tendenzen, dass Zuschauer auf den Platz stürmen könnten. Warum auch? Schließlich führte Blau-Weiß 90 Berlin II noch immer mit 2:1. 

Noch immer lag der Blau-Weiß-Torwart in seinem Gehäuse auf dem Boden und musste behandelt werden. Die Atmosphäre blieb verständlicherweise aufgeladen - und der Schiedsrichter brach die Partie ab. Diskussionen zwischen den Spielern und mit dem Schiedsrichter - die Fans wurden indes schlagartig ruhig. Gut möglich, dass der Schiedsrichter Bedenken hatte, die Partie weiterlaufen zu lassen, weil die Spieler zu erhitzt und emotional aufgeladen waren. Die Zuschauer als Grund zu nehmen, ist indes wahrlich unverständlich. Am Tag zuvor riefen 25.000 Zuschauer im Ostseestadion brachial „Scheiß St. Pauli! Scheiß St. Pauli!“. Ein 25.000-facher Grund, das Spiel abzubrechen? Wohl kaum. Es muss schon etwas mehr passieren als eine Erhitzung, die sich rein verbal ausdrückt. Fakt ist, dass irgendwelche Punkte wie Migrationshintergrund etc. beim gestrigen Kreisliga-Spiel keine Rolle spielten. Die Ausgangslage im Allgemeinen und das teils überaus robuste Spiel der Gastgeber brachte das Ganze in Wallung. Ein Spielabbruch wäre jedoch nicht von Nöten gewesen - außer beide Mannschaften wären dazu bereit gewesen.

So aber gingen schon bald die Lichter aus, und die Blau-Weiß-Fans zogen gespenstisch still von dannen. Für etwaige Gespräche blieb für mich so oder so keine Zeit mehr. Die Kinder mussten nach Hause gebracht werden, und es blieb mir abends, im Netz die eine oder andere Stellungnahme zu lesen. Allzu verständlich, dass das Ganze heiß diskutiert wurde, wurde die Mannschaft um ihren verdienten Lohn gebracht. Egal, wie nun der Verband das Ganze werten wird - gefühlt bleibt es so oder so ein blau-weißer Sieg auf dem Kunstrasen!

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin

Artikel wurde veröffentlicht am
27 November 2023
Spielergebnis:
1:2
Zuschauerzahl:
40
Gästefans
20

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Kreisliga

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G
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Gehirnerschütterung
Unser Blau Weiß 90 Keeper Vincent erlitt dabei eine Gehirnerschütterung !!!
A
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T
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N
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G
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