BSG Stahl Brandenburg: In der 93. Minute zerplatzte der Aufstiegstraum!

BSG Stahl Brandenburg: In der 93. Minute zerplatzte der Aufstiegstraum!

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„Der Umstieg der 65 Fans erfolgte ohne Probleme. Sie müssten hier gleich ankommen!“, erklärte ein wartender Polizist den anderen Beamten, die auf dem Bahnhofsvorplatz postiert waren. In einem Gasthaus und vor den nahen Supermärkten warteten bereits die ersten Fans der BSG Stahl Brandenburg, wenig später traf die besagte Truppe mit dem Regionalexpress am Bahnhof von Brieselang ein. Unter den Fans herrschte gedämpfte Vorfreude auf das entscheidende Spiel, hätte man doch am Spieltag zuvor mit einem Sieg bereits die Weichen in Sachen Aufstieg in die Brandenburg-Liga stellen können. Stahl kam jedoch gegen den FSV Babelsberg 74 vor fast 900 Stadion im Stadion am Quenz nicht über ein 1:1 hinaus und hatte es somit am letzten Spieltag nicht mehr selbst in der Hand. In jedem Fall musste in Brieslang ein Sieg her, vielleicht käme ja Fortuna Babelsberg in Michendorf nicht über ein Remis hinaus.

Ohne Frage gehört Stahl Brandenburg in meiner Berichterstattung zu den Vereinen, die in all den Jahren bei turus.net häufiger im Fokus standen. Mal abgesehen von den großen Clubs (Rostock, Magdeburg, BFC) waren und sind es unter anderen die Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin, der FC Polonia Berlin, die SG Dynamo Schwerin, der 1. FC Frankfurt (samt Vorwärts Fanclub) und Stahl Brandenburg, über die seit vielen Jahren häufiger berichtet wird.

Ich erinnere mich noch genau, als ich einen ersten turus-Bericht über Stahl Brandenburg verfasste. Im Rahmen einer Spurensuche stattete ich am 17. September 2011 im Stadion der Freundschaft der Brandenburgliga-Partie Frankfurter FC Viktoria 91 vs. FC Stahl Brandenburg einen Besuch ab, und ich konnte mich gar nicht satt sehen an den alten Rängen und den damals noch stehenden Flutlichtmasten. Zu sehen gab es noch die alte hellblaue Haupttribüne und einen kleinen Haufen Gästefans. Die rund 50 Stahl-Fans nahmen auf der Geraden Platz, erfreuten sich an den moderaten Bierpreisen (1,60 Euro) und staunten nicht schlecht, als während des Spiels plötzlich 20 schwarz gekleidete Jugendliche auf dem Stadionvorplatz eintrafen und von den Ordnern festgehalten wurden. „Lasst doch den Kindergarten rein! Wir wollen auch unseren Spaß haben!“, rief ein Brandenburger. Wenig später traf jedoch die Polizei ein und führte die unbekannte schwarze Truppe ab.

Bereits damals bedauerte ich, was aus manch einem großen Fußballverein des Ostens geworden ist. Europapokal in den 80er Jahren bei Vorwärts Frankfurt und Stahl Brandenburg - und nun kickte man in der sechsten Liga vor insgesamt 165 Zuschauern. Was für ein Desaster. Die Oderstädter fusionierten wenig später zum 1. FC Frankfurt (Oder) und spielten zwischenzeitlich wenigstens mal in der NOFV-Oberliga. Bei Stahl Brandenburg ging es indes sogar runter in die Landesliga.

Über die Jahre hinweg wurde das eine oder andere Heim- und Auswärtsspiel besucht. Bei Babelsberg 03 II im KarLi im Mai 2014, zum 65. Geburtstag im Stadion am Quenz im November 2015, auswärts bei Einheit Bernau am Wasserturm, gegen Neustadt auf dem Sportplatz am Wiesenweg, auswärts beim FSV Babelsberg 74 im September 2019, auswärts in Hennigsdorf im Februar 2022. Dazu die Choreo zum 70. Geburtstag und nochmals zwischendurch bei Babelsberg 03 II auf dem dortigen Nebenplatz.

Sportlich wurde meiste harte Kost geboten, doch fantechnisch war es für die siebte bzw. sechste Liga meist immer eine gute Hausnummer. Mein kleinerer Sohn feiert seit jeher gut das „Stahl Feuer!“ ab, der Größere turnte bei einem Heimspiel gegen Hennigsdorf auf den Rängen zu sehr ab, sodass er mit Verdacht auf Armbruch ins Städtische Krankenhaus gefahren wurde. Groß, ganz groß wurden die Augen des Großen, als beim Landespokalspiel gegen Brandenburg Süd auf den Rängen richtig Alarm gemacht wurde und der Erzrivale vor rund 3.500 Fans mit 2:0 bezwungen wurde. Das war aber auch ein geiles Spiel!

Gestern hätten es auswärts in Brieselang locker 600 Auswärtsfans werden können, doch fehlte nach dem 1:1 in der Woche zuvor der Glaube an das kleine Wunder. Viele gingen von einem Sieg des Tabellenführers Fortuna Babelsberg in Michendorf aus. Nichts desto trotz ließen sich am gestrigen Nachmittag rund 300 Stahl-Fans nicht lumpen und unterstützten ihre Mannschaft in Brieselang. Vom Bahnhof zum Fichte-Sportplatz gab es einen Fanmarsch aus der Rubrik „klein aber fein“ mit Gesang und einer Portion Pyrotechnik. Der Weg durch eine schmale Nebenstraße wurde abgelehnt, stattdessen wählte man die eigene Route. Neugierige Anwohner bestaunten an den Gartentoren das gebotene Spektakel, zumal plötzlich auch noch mehrere Polizeifahrzeuge mit Blaulicht vorfuhren.

Es blieb alles entspannt, und den Fichte-Sportplatz hatte man mit einem doppelten Bauzaun komplett geteilt. Auf der Seite des Hangs wurde direkt am Trennzaun der Imbissstand aufgebaut, an dem Bier und Bratwurst für jeweils faire drei Euro zu haben waren. Logisch, dass sich anfangs eine lange Schlange gebildet hatte, doch hatte man in Sachen Wurst-Braterei das Ganze prima in Griff. Definitiv hatte ich schon eine schlechtere Versorgungslage gesehen.

Bei praller Sonne und höheren Temperaturen als erwartet - vorgestern gab es Regen und heute ist es trüb - wurde kurz nach 15 Uhr die Partie auf dem mit dunklen Granulat bestreuten Kunstrasenplatz angepfiffen, und Rauch zog den Hang hinauf und waberte wenige Sekunden auf dem verwaisten Nachbargrundstück zwischen alten Kirsch- und Pflaumenbäumen. Der Ball sah aufgrund des Granulats wie eine schäbige Mulle aus, und auch das Spielgeschehen als solches ließ die Herzen nicht gerade höher hüpfen.

Das Ganze lebte von der Spannung. Immer wieder erfolgte der Blick auf das Handy. In Michendorf stand es noch 0:0. Los jetzt, Stahl, schieß ein Tor! Sehr flüssig wurde es jedoch nicht. Das war auch egal. Hauptsache, es würde recht bald ein Treffer fallen. Die eigene Arbeit musste verrichtet werden. Im kuriosesten Fall hätte Stahl Brandenburg sogar nach einem traurigen Remis den Aufstieg feiern können, wenn Fortuna Babelsberg in Michendorf verloren hätte. Hätte, hätte, irgendwas mit Kette. Bei dieser Hitze musste ich die Kids bei Laune halten und stets mit flüssiger Nahrung versorgen. Kurz in den Schatten, den Kleinen dann auf die Schulter.

Zweite Halbzeit. Nun aber! In der Ferne stand es auch noch 0:0. Die Zeit lief runter. Das wäre ein worst case gewesen, wenn beide Spiele so geendet hätten und Stahl die Möglichkeit verspielt hätte. Es kam aber doch ganz anders! Die Schlussphase hatte es dann in sich. Fußball von all seinen Seiten. Schön, aber auch brutal. Zuerst ließ Nils Müller die rund 300 Stahl-Fans jubeln. Endlich war der Ball im Kasten! 1:0 für die BSG Stahl Brandenburg! Ein geiler Jubel - ein weiterer Blick aufs Handy. Den Sack zu machte Nicholas Engel in der 87. Minute. Stahl Brandenburg hatte seine nötige Arbeit getan - nun hieß es nur noch abwarten, was aus der Ferne vermeldet wurde. Zwischendurch hörte ich irgendwas von „dreimal Latte getroffen“.

Ach Du Scheiße! Und dann kam die Hiobsbotschaft. Neben mir murmelte einer was von „93. Minute und roter Karte“. Nach und nach wurde es gespenstisch still. Tatsächlich! In der Nachspielzeit hatte Fortuna Babelsberg das 1:0 in Michendorf gemacht, und in der Folgezeit muss es dort gut abgegangen sein. Zwei rote Karten auf der Heimseite und einmal Gelb-Rot bei den Gästen sprechen eine deutliche Sprache. Respekt an die SG Michendorf, dass sich so gut reingehängt wurde. Gleiches gilt indes auch für den SV Grün-Weiss Brieslang, der nach Möglichkeit so gut mitspielte, wie es halt die spielerischen Mittel erlaubten.

Abpfiff. Noch immer Stille. Traurige Gesichter. So ein Mist! Das war richtig hart. Hätte Fortuna Babelsberg schon in der ersten Halbzeit geführt, hätte man das halt irgendwie abgenickt. So aber wurde der Aufstieg in die Brandenburg-Liga bereits von der 75. Minute bis zur Nachspielzeit gefeiert - bis, ja bis die hässliche Hiobsbotschaft eintraf. Zum Ko****! Aber jut, so ist nun mal Fußball! Wäre er anders und klar vorhersehbar, wäre unsere Volkssportart Nummer eins nun mal ne langweilige, öde Angelegenheit.

Wenig später wurde sich auf dem Platz gesammelt, dann erfolgte noch ein Gruppenfoto. Die Mannschaft wurde gefeiert, unvergessen bleibt der Sieg gegen Brandenburg Süd, und in der kommenden Saison soll wieder voll angegriffen werden!

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: BSG Stahl Brandenburg

Stadionname:
  • Fichte-Sportplatz
Artikel wurde veröffentlicht am
25 Juni 2023
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
391
Gästefans
300

Ligen

Inhalt über Liga
Landesliga

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Hoffentlich klappt das nächste Saison....

Auswärtsspiele in Brandenburg waren zu Oberligazeiten immer mit die angenehmsten.
E
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