Der letzte der sogenannten Frühjahrsklassiker forderte von den Rennfahrern, aber auch von den begleitenden Motorradfahrern und nicht zuletzt auch von den Radsportfans ein enormes Stehvermögen. Bei Wind und Wetter mit Regen und sogar Schneefall sowie Temperaturen um den Gefrierpunkt gab es zwar hin und wieder mal ein wenig Sonnenschein, dennoch hatte das auf 248 km etwas verkürzte Rennen im Verhältnis dazu nur relativ wenige Stürze und Ausfälle zu verzeichnen.
Ein Frühjahrsklassiker im Winter: Lüttich-Bastogne-Lüttich bei Schnee und Eiseskälte
Ursprünglich waren 253 km geplant, aber durch den bereits nächtlichen Schneefall war eine Strecke zwischen Kilometer 45 und 75 nicht befahrbar, so dass eine Umleitung zu der leicht verkürzten Distanz führte. Unser Fotograf vor Ort, Arne Mill, berichtete aus Belgien von zum Teil chaotischen Verhältnissen, die er als Motorradsozius miterlebte. „Abenteuerlich und grenzwertig“ waren seine per Telefon übermittelten Worte, das Rennen war auch für ihn ein Erlebnis der besonderen Art. Dabei konnte er auf das fahrerische Können seines Motorradpiloten setzen, der ihn wohlbehalten ans Ziel nach Ans brachte. Mit knapp einer Viertelstunde Rückstand hatte auch der letzte, der 154 das Ziel erreichenden Fahrer die höllische Fahrt überstanden und so waren es in Anbetracht der Wetterverhältnisse „nur“ 46 Fahrer, darunter auch der Deutsche Dominik Nerz von Bora-Argon 18, die das Rennen nicht beendeten.
Recht schnell hatte sich unter Führung des Franzosen Nicolas Edet von Cofidis, Solutions Credits eine später acht Mann umfassende Spitzengruppe gebildet, die bis zu neun Minuten Vorsprung herausfuhr. Unter Führung des Movistar Teams, die für einen weiteren Erfolg ihres Kapitäns Alejandro Valverde sorgen wollten, und auch von Etixx-Quick Step wurde die Verfolgungsjagd eingeleitet und alsbald waren nur noch Nicolas Edet und der Italiener Alessandro de Marchi vom BMC Racing Team an der Spitze, die dann auch 23 km vor dem Ziel eingeholt wurden. Danach folgten etliche Attacken u.a. von Michal Kwiatkowski vom Team Sky, Andriy Grivko vom Astana Pro Team und Carlos Betancur vom Movistar Team, die aber noch keine Vorentscheidung brachten.
Diese fiel erst durch einen Vorstoß des Schweizers Michael Albasini von Orica-GreenEDGE, der seine ganze Erfahrung als 35-jähriger Routinier in die Waagschale warf und bei den Ardennenklassikern immer besonders motiviert an den Start geht. Nur der Ex-Weltmeister aus Portugal, Rui Costa von Lampre-Merida, der Spanier Samuel Sanchez vom BMC Racing Team und der Niederländer Wouter Poels vom Team Sky konnten noch zum Schweizer aufschließen, der in dieser Gruppe die meiste Führungsarbeit verrichtete. Etwa 200 Meter vor dem Ziel griff dann Wouter Poels an, gegen dessen finalen Sprint auch Michael Albasini nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Für ihn blieb nur der zweite Platz vor Rui Costa, während Samuel Sanchez am Ende als Vierter nicht mehr in der Lage war, mitzusprinten.
Aus deutscher Sicht war bei diesem mörderischen Rennen wenig zu holen, zumal die Streitmacht mit insgesamt nur sieben Fahrern nicht gerade üppig erschien. Als Bester erreichte Emanuel Buchmann von Bora-.Argon 18 mit einem Rückstand von 5:27 Minuten auf Platz 71 das Ziel vor dem zeitgleichen Paul Martens vom Team Lotto NL-Jumbo (77.), während der Berliner Simon Geschke vom Team Giant-Alpecin mit 6:11 Minuten Rückstand den 94. Platz belegte. Sein Team ist durch den schweren Sturz und den damit bedingten Ausfall des Kapitäns John Degenkolb im Verlaufe der bisherigen Saison arg gehandicapt und muss nach wie vor als einziges Team auf den ersten Saisonsieg warten.
Vielleicht gelingt am kommenden Wochenende beim deutschen Klassiker Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt der erste Erfolg des einzigen deutschen Teams der WorldTour. Bislang sind nur sieben statt acht möglicher Starter für den 1. Mai gemeldet, wobei man John Degenkolb als Reserve in der Hinterhand hält, dessen Start nicht sicher, aber doch möglich zu sein scheint. Sollte er doch nicht starten können, ruhen auch hier die Hoffnungen auf Simon Geschke, der für Frankfurt fest vorgesehen ist.
Text: Bernd Mülle
Fotos: Arne Mill