Es geht um den Radsportnachwuchs, der gefordert und gefördert werden muss. Da gab es einmal die von einem gewissen Jens-Holger Mey initiierte Internationale kids-tour Berlin, die im August des Jahres 1993 erstmals für die Klassen U 13 und U 15 durchgeführt wurde. Ein radsportliches Ereignis, das es in dieser Form so in Europa noch nicht gegeben hatte und durch das zahlreiche Radsportler/-innen später bis in die Weltklasse aufgestiegen sind. Der zweimalige Gesamtsieger der Tour de France, Tadej Pogacar aus Slowenien, stand hier im Jahre 2010 am Start und belegte in der Klasse U 13 Platz 12 (!). Als Gesamtsieger errangen hier u.a. John Degenkolb (U 13 und U 15), Maximilian Schachmann oder auch Ricarda Bauernfeind und Linda Riedmann ihre ersten internationalen Erfolge.
Lobenswertes Engagement für den Radsport-Nachwuchs
Die Veranstaltung fiel in den Jahren 2020 und 2021 der Corona Pandemie zum Opfer und eine Fortsetzung im Laufe dieses Jahres schien zunächst unmöglich, da es zwei konkurrierende Veranstalter gab, die sich auf Termine nicht einigen konnten und auch eine vernünftige Kommunikation untereinander nicht möglich war. Daraus entstand aber gewissermaßen sogar ein Vorteil, wurden doch letztlich zwei Rennen für den Nachwuchs ausgetragen und das kann der Entwicklung des Nachwuchses nur zum Vorteil gereichen.
Das Erbe des verstorbenen Jens-Holger Mey vertritt heute die Ehefrau, Frau Dietze-Mey, die sich auf die Fortsetzung der Tour mit dem jahrelangen Veranstaltungsleiter Michael Lemke freute und ihre Unterstützung anbot. Sie war zugegen als die 28. Internationale kids-tour vom 26. bis 28. August 2022 in Lehnitz mit einem Einzelzeitfahren gestartet wurde. Leider spielte dann der Wettergott nicht mit und so musste die 1. Etappe annulliert werden. Die Starterfelder beim Mannschaftszeitfahren und Straßenrennen am zweiten Tag „Rund um Willmersdorf“ und beim abschließenden Rundstreckenrennen am Sonntag in Marzahn/Hellersdorf mit 26 Starter-/innen bei der U 13 und 41 bei der U 15 waren überschaubar und leider aufgrund der im Vorfeld vielen Unwägbarkeiten gegenüber früheren Jahren enttäuschend. Das Engagement des Veranstalters Wheel Divas e.V. in Person der 1. Vorsitzenden Sina Päske war dennoch bewundernswert, gelang es doch, die Tour ohne öffentliche Gelder in nur 14 Tagen zu organisieren.
Für die in kürzester Zeit online zur Verfügung gestellten Ergebnisse war einmal mehr Christian Herzog verantwortlich, der sich auf das Kollegium der Kommissäre unter Leitung von Christine Mähler verlassen konnte. Ein sogenanntes Teambook (Mannschaftsheft) für die Mannschaftsleiter erklärte alle Regeln und sorgte für die notwendige Streckenkenntnis. Organisatorisch einwandfrei ging so die Veranstaltung über die Bühne und ein Dankeschön an die gesamte Crew der Helfer und Helferinnen gab es von vielen Seiten. Grußbotschaften von Maximilian Schachmann, Simon Geschke und sogar von Geraint Thomas unterstrichen einmal mehr den Bekanntheitsgrad der kids-tour im In- und Ausland.
Der Berliner Radsport Verband e.V. (BRV) hatte eine Woche zuvor bereits seine „kids-tour“ unter dem Titel „Tour de Berlin – Internationales Youngster Race“ ausgetragen. Auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof, am Olympiastadion und abschließend auf der Karl-Marx-Allee war mit Kristina Vogel und Jens Voigt geballte Radsportprominenz dabei, die die Rennen starteten. Auch hier allerdings nur spärliche Fahrerfelder, wenngleich sogar einige ausländische Fahrer-/innen dabei waren, während eine Woche später ausschließlich nationale Starter-/innen das Rennen in Angriff nahmen. Auch hier lief organisatorisch alles einwandfrei und mit den Rennen innerhalb Berlins hatte man natürlich für ein großes Plus gesorgt, wenngleich die ausgewählten Strecken bei weitem nicht so anspruchsvoll waren wie in den Jahren zuvor.
Auch hier waren etliche engagierte Helfer und Helferinnen zur Unterstützung des Rennens zur Stelle und mit Heuer Radsport hatte man einen Ergebnisdienst an der Seite, der erstmals seine Visitenkarte abgab. Der BRV trat mit einem neuen Konzept an, das in absehbarer Zeit auch wieder die frühere Tour de Berlin für die Klasse U 23 beinhalten soll. Deshalb wohl auch der Name im Titel, obwohl er zum jetzigen Zeitpunkt eher für Verwunderung sorgte. Die Tour de Berlin war seinerzeit ein eigenständiges Rennen, das mit den Nachwuchsklassen, die hier ausschließlich am Start waren, nichts zu tun hatte. Aber das soll das Engagement der Macher um den Präsidenten Claudiu Ciurea und seinem Vize Robert Förstemann nicht schmälern, die sich alle Mühe gegeben haben, dieses Event aus der Taufe zu heben.
Aus unserer Sicht bleibt festzuhalten, dass es für die Zukunft ratsam wäre, beide Veranstalter in ein Boot zu bekommen und alle Animositäten untereinander außen vor zu lassen. Es geht allein um die Sache, den Nachwuchs im Radsport zu fördern, und dieses Ziel ist gemeinsam eher zu erreichen. Dann hat man wieder mit Sicherheit weitaus größere Starterfelder und auch mehr internationale Rennfahrer-/innen finden den Weg in die Hauptstadt. Apropos Hauptstadt: eine Mischung aus ausgewählten Strecken in Berlin und dem Umland, wo dem BRV jahrelang Unterstützung zuteilwurde, mit einem Finale auf dem Kurfürstendamm sollte doch ein anspruchsvolles Rennen möglich machen. Noch heute schwärmt zum Beispiel die oben genannte Ricarda Bauernfeind von der letzten Etappe am Kurfürstendamm, die für sie ein einmaliges Erlebnis war. Es sollte doch in unserer so oft zitierten Sportstadt möglich sein, den Kurfürstendamm in Teilen für drei bis vier Stunden für ein internationales Radrennen abzusperren, oder?
Ein Dank aber an beide Veranstalter, dass der Nachwuchs überhaupt in diesem Jahr in Berlin zum Zuge kam. Wenn sie dann noch in Zukunft einen Weg finden sollten, gemeinsame Sache zu machen, dann kann der Radsport in Berlin im Nachwuchsbereich noch mehr profitieren.
Bericht: Bernd Mülle
Fotos: Arne Mill (Archivmaterial)
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