Jonas Vingegaard/Wout van Aert entthronen Tadej Pogacar

Jonas Vingegaard/Wout van Aert entthronen Tadej Pogacar

 
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Der vor der 109. Tour de France favorisierte Slowene Tadej Pogacar, dessen angepeilter Hattrick nach seinen Gesamtsiegen in 2020 und 2021 eigentlich nur Formsache zu sein schien, musste in diesem Jahr die Überlegenheit des Vorjahreszweiten Jonas Vingegaard aus Dänemark anerkennen, ohne selbst enttäuscht zu haben. Drei Etappensiege und fünf Tage in Gelb bewiesen einmal mehr die große Klasse des Slowenen vom UAE Team Emirates, aber gegen die sensationelle Doppelspitze Jonas Vingegaard und Wout van Aert vom Team Jumbo-Visma war er letztlich chancenlos.

Es waren nur zwei schwache Momente, die diese Tour zu seinen Ungunsten entscheiden sollten: auf der 11. Etappe von Albertville zum Col du Granon büßte er als Tagessiebter 2:51 Minuten gegenüber Jonas Vingegaard ein, der im Alleingang diese Etappe gewann und die Führung in der Gesamtwertung übernahm. War das nun schon die Vorentscheidung? Bei der Klasse eines Tadej Pogacar, der nach dieser Etappe im weiteren Verlauf der Tour immer wieder Angriffe auf das Gelbe Trikot von Jonas Vingegaard startete, wollten die Experten den Slowenen noch nicht abschreiben. Der Däne, zunächst nur als Co-Kapitän im Team vorgesehen, war schon beim Auftaktzeitfahren schneller als sein Kapitän Primoz Roglic aus Slowenien und als dieser dann auf der 5. Etappe von Lille nach Wallers-Arenberg fast zwei Minuten gegenüber Jonas Vingegaard verlor, da kristallisierte sich der Däne als neuer Kapitän heraus. 

 

Und während Mitfavorit Primoz Roglic zur 15. Etappe wegen der Folgen eine Sturzes nicht mehr antrat, war der Däne nun unumstrittener Leader des Teams und gab dank der famosen Unterstützung seiner verbliebenen Teamkameraden, allen voran der auf allen Terrains überragende Belgier Wout van Aert, die Führung in der Gesamtwertung nicht mehr ab. Apropos Wout van Aert: er selbst fuhr vier Tage in Gelb, vom zweiten Tag an bis zum Schluss in Grün des punktbesten Fahrers und errang darüber hinaus noch drei Etappensiege. 

 

Welch ein Auftritt des Allrounders, der auch im Cross zu Hause ist und dort schon dreimal den Weltmeistertitel gewann. Nach dem Ausscheiden von Primoz Roglic und des ebenfalls gestürzten Niederländers Steven Kruijswijk war es Wout van Aert, der die Hauptlast zum Sieg von Jonas Vingegaard trug, ohne dabei die ebenfalls starken Leistungen von Tiesj Benoot und Nathan Van Hooydonck aus Belgien, Sepp Kuss aus den USA und des Franzosen Christophe Laporte zu schmälern, der in diesem Jahr den einzigen französischen Etappensieg herausfuhr.

 

Jonas Vingegaard, der auch die Bergwertung gewann und dort die Führung auf der 18. Etappe vom sensationell stark fahrenden, gebürtigen Berliner Simon Geschke von Cofidis übernahm, fuhr eine alles in allem überragende Tour, auch wenn er „nur“ zwei Etappen gewann. Aber die 11. Etappe zum Col du Granon und die 18. Etappe nach Hautacam waren letztlich entscheidend für seinen Triumph und der Däne hatte ihn absolut verdient auch aufgrund seiner großen Fairness, als er auf seinen gestürzten Widersacher auf dem Weg nach Hautacam Tadej Pogacar wartete und darauf verzichtete, vorzeitig für eine Entscheidung zu sorgen. Chapeau!

 

Für Tadej Pogacar sollte der 2. Platz in der Gesamtwertung und der erneute Sieg in der Nachwuchswertung mehr als ein Trostpflaster sein. Er hat alles versucht, jedoch hat der Däne aus der Lauerstellung jeden Angriff des Slowenen gekontert und dabei im Gegensatz zum nahezu allein auf sich gestellten Tadej Pogacar jegliche Unterstützung seines starken Teams Jumbo-Visma in Anspruch nehmen können. Während Jumbo-Visma und der Slowene nahezu alle Trikots abräumten, ging die Gesamtmannschaftswertung etwas überraschend an das Team INEOS Grenadiers, das alle acht Fahrer ins Ziel brachte, während von Jumbo-Visma nur fünf und vom UAE Team Emirates nur vier Fahrer das Rennen beendeten. Bester des britischen Teams war der bereits 36-jährige Geraint Thomas, der die Tour 2018 gewonnen hatte und dieses Mal ausgezeichneter Dritter wurde. 

Aus deutscher Sicht war man mit dem Verlauf des Rennens durchaus zufrieden, wenngleich ein angestrebter Etappensieg –insbesondere vom Team BORA-hansgrohe- ausblieb. Das Team errang einen fünften Platz am Ende für den Russen Aleksandr Vlasov, der aller Ehren wert war, insbesondere wenn man bedenkt, dass er unter Sturzfolgen zu leiden hatte, mit denen sich auch sein Teamkamerad Maximilian Schachmann konfrontiert sah. Der gebürtige Berliner, der sich voll in den Dienst seines Teams stellte, zeigte dann zum Ende hin noch einmal seine ganze Klasse, als er auf der 20. Etappe, dem 40,7 km langen Einzelzeitfahren, einen ausgezeichneten 9. Platz belegte und sich am Schlusstag in Paris zeitweise in einer Ausreißergruppe präsentierte. 

In den Tagen zuvor zeigte er sich immer wieder sehr aktiv an der Spitze des Feldes, insbesondere beeindruckte seine Fahrweise auf der 7. Etappe, als er gemeinsam mit Lennard Kämna lange in einer Spitzengruppe fuhr. Der starke Lennard Kämna hatte dann schon den Etappensieg vor Augen, als er auf der superschweren Fahrt zur La Super Planche des Belles Filles allein in Führung lag, aber kurz vor dem Ziel noch von Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard und Primoz Roglic überholt wurde und den undankbaren 4. Platz belegte. 

Die 10. Etappe war dann das Highlight für Lennard Kämna, der erneut in einer Ausreißergruppe unterwegs war, Platz zehn herausfuhr und mit über acht Minuten Vorsprung auf den Spitzenreiter Tadej Pogacar ins Ziel kam. Ganze 11 Sekunden fehlten ihm da und er wäre ins Gelbe Trikot geschlüpft! Der 2. Platz in der Gesamtwertung sollte dann aber nur eine Eintagsfliege sein, denn am nächsten Tag war er mit seinen Kräften am Ende, büßte über 28 Minuten ein und fiel auf Platz 21 in der Gesamtwertung zurück. Zur 16. Etappe musste er dann leider die Waffen strecken und ging mit einer Erkältung nicht mehr an den Start. Dennoch war es für ihn nach einem starken Giro d’Italia mit einem Etappensieg eine ebenso bemerkenswerte Tour de France, die für die Zukunft einiges hoffen lässt.

 

Von den neun deutschen Fahrern, die am Start standen, beendeten neben Maximilian Schachmann und Nils Politt von BORA-hansgrohe noch Georg Zimmermann von Intermarche-Wanty-Gobert Materiaux, Jonas Rutsch von EF Education-EasyPost, John Degenkolb vom Team DSM und Alexander Krieger von Alpecin-Deceuninck das Rennen. Auch wenn Nils Politt ebenso wie Georg Zimmermann und Jonas Rutsch mehrmals aktiv ins Renngeschehen eingriffen, war es doch Simon Geschke von Cofidis, der alle überstrahlte und neun Tage lang im Bergtrikot fuhr. Der am Ende 2. Platz in der Bergwertung war eine Glanzleistung, seine kleine Enttäuschung, als er nach Verlust des Trikots auf der 18. Etappe nach Hautacam an Jonas Vingegaard dennoch bis Paris als Stellvertreter des Dänen im Bergtrikot fahren musste, dürfte wohl inzwischen überwunden sein. Die Regeln sind nun mal so und darüber sollte sich Simon Geschke nicht grämen, zumal seine Topleistung in den Tagen zuvor nur große Bewunderung hervorgerufen hat. 

 

Zwei deutsche Fahrer mussten das Rennen leider aufgeben: neben Lennard Kämna war es der Teamkamerad von Simon Geschke, Max Walscheid, der zur 16. Etappe nicht mehr antrat, da er positiv auf Corona getestet wurde. Zwei 12. Plätze auf der 2. und 5. Etappe waren seine besten Platzierungen, während er sich ansonsten als zuverlässiger Helfer engagieren musste. Insgesamt gab es leider keinen Etappensieg für die deutschen Fahrer, dennoch konnte man mit den gezeigten Leistungen zufrieden sein, zumal sie einige gute Platzierungen herausfuhren, sich kämpferisch in Szene setzten und vor allem durch Simon Geschke ins Rampenlicht fuhren. Eine äußerst spannende Tour de France hat mit Jonas Vingegaard einen verdienten Sieger gefunden, dessen Leistung von seinem ärgsten Widersacher Tadej Pogacar volle Anerkennung fand. Es war drei Wochen lang ein fairer Kampf par excellence!

Bericht: Bernd Mülle   

Fotocredit: Francesco Rachello, Eloise Mavian und Serge Waldbillig

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Rennbericht
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  • Rundfahrt
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  • Tour de France

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