Kletterkönige sind gefragt bei der Tour of the Alps

Kletterkönige sind gefragt bei der Tour of the Alps

 
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Im Jahre 1962 fand in der italienischen Provinz Trient die Alpentour als Giro del Trentino erstmals statt und es waren zwei Italiener mit Enzo Moser, Bruder des großen Francesco Moser,  und Guido De Rosso, die sich als Sieger der ersten beiden Austragungen des Eintagesrennens feiern ließen. Dann war Pause bis 1979, ehe der Norweger Knut Knudsen sich in die Siegerliste des nunmehr als Etappenrennen (mit Ausnahme als Eintagesrennen in 1986) ausgetragenen Rennens eintrug. Dann ging es jährlich weiter bis der Giro del Trentino im Jahre 2017 in Tour of the Alps umbenannt wurde und sich das Rennen nunmehr auf die gesamte Region Tirol, also neben der Provinz Trient auch auf die Provinz Südtirol und das österreichische Bundesland Tirol erstreckt. 

Einzig im letzten Jahr wurde das Rennen wegen der Corona Pandemie nicht ausgetragen, das im Süden Europas mit herausfordernden Anstiegen in Südtirol den bergfesten Rennfahrern eine Bühne bietet. Die Rundfahrt zählt zur UCI ProSeries und ist aufgrund seiner schweren Alpenetappen besonders geeignet zur Vorbereitung auf den Giro d’Italia. So haben viele namhafte Profis zum Teil spektakuläre Siege herausgefahren und dabei machte es Francesco Moser seinem Bruder gleich zweimal nach, ebenso feierten seine italienischen Landsleute Paolo Savoldelli, Francesco Casagrande und Vincenzo Nibali jeweils zwei Siege, während mit Damiano Cunego ein weiterer Italiener sogar dreimal in diesem Rennen erfolgreich war.

Insgesamt 21 Teams nahmen in diesem Jahr an der Rundfahrt teil und die Besetzung konnte sich sehen lassen. Der letzte Sieger aus dem Jahre 2019, der Russe Pavel Sivakov vom Team INEOS Grenadiers ging mit der Startnummer 1 ins Rennen und wurde von einem starken Team unterstützt. Er zählte ebenso wieder zu den Favoriten wie die Franzosen Thibaut Pinot von Groupama-FDJ und Romain Bardet vom Team DSM, die Briten Simon Yates vom Team BikeExchange und Hugh Carthy von EF Education-Nippo, der immer stärker werdende Spanier Pello Bilbao von Bahrain-Victorious sowie die Kolumbianer Nairo Quintana vom Team Arkea Samsic und Daniel Felipe Martinez, der bei INEOS Grenadiers als zweite Spitze fungierte.

In diesem mehr als illustren Fahrerfeld befanden sich aber auch drei deutsche Fahrer, denen man besondere Aufmerksamkeit widmen musste. Fahrer, die bislang in anderen Bereichen des Sports schon erfolgreich waren und letztes bzw. dieses Jahr den Sprung zu den Radprofis wagten. Da sind zunächst zwei Fahrer vom Team BORA-hansgrohe zu nennen, denen aus Expertensicht schon etwas überraschend der Sprung zur UCI World Tour gelang. Bei dem 27-jährigen Ben Zwiehoff, der in der Mountainbike-Disziplin Cross-Country im Jahre 2015 Europameister in der Staffel wurde, war der Wechsel zu den Radprofis schon eher zu erklären als beim 28-jährigen Anton Palzer, einem ehemaligen Skibergsteiger und Bergläufer, der erst seit dem 01.04.2021 zum Team stieß und sein erstes Rennen bei den Profis nun bei der Tour of the Alps absolvierte. Er beendete das Rennen nach fünf schweren Etappen auf Platz 47 der Gesamtwertung von immerhin 116 platzierten Fahrern und verlor dabei nur knapp 21 Minuten auf den überragenden Sieger Simon Yates aus Großbritannien vom Team BikeExchange.  

„Das Fahren im Feld war nur am ersten Tag ungewohnt, danach war es schon viel besser. Brutal ist, wie in die Berge hineingefahren wird, da muss man für ein paar Minuten voll übers Limit gehen“, gestand Anton Palzer, der so etwas nicht gewohnt ist, da beim Skibergsteigen die Belastung immer gleichmäßig ist. „Mit meinem Einstand bin ich sehr zufrieden und das Team auch. Es war klar, dass ich nicht vorne mitfahren kann, aber ich weiß jetzt wo ich stehe und woran ich arbeiten muss“, fuhr er fort. Seine Leidenschaft für die Berge –er geht auch gerne Klettern- steht nach wie vor immer im Vordergrund und jetzt hat er sich damit noch einen Lebenstraum erfüllt. „Ich bin bestens motiviert und will zunächst nur mitfahren und Helferrollen übernehmen“, geht Anton Palzer gelassen an seine neue Aufgabe heran. Bereits 2017 hatte BORA-Teamchef  Ralph Denk versucht Kontakt zu ihm aufzunehmen, nachdem er durch dessen Sieg beim chinesischen Skibergsteig-Weltcup auf den mehrmaligen Deutschen Meister in dieser Disziplin aufmerksam geworden war. Da Anton Palzer die Nachricht auf Instagram übersehen hatte, kam der Kontakt erst später über Freund und Trainingspartner Lukas Pöstlberger, Teammitglied von BORA-hansgrohe, zustande, der seinen Coach und Assistent Sportdirektor Helmut Dollinger informierte. Im Trainingslager überzeugte er dann auch Ralph Denk, der ihm einen Zweijahresvertrag anbot. „Wir sehen viel Potenzial bei Anton Palzer“, ist der Teamchef überzeugt.

Bei Ben Zwiehoff verlief der Weg zum Radprofi etwas anders. „Der Kontakt über die Coaches bestand schon länger und so durfte ich dann im Winter 2019 auf Mallorca mit dem Team trainieren. Das  funktionierte super und es war der entscheidende Impuls für den Wechsel“, teilte uns der Jura-Student mit, der in 2020 in Polen bei der Dookola Mazowsza erstmals eine kleinere Rundfahrt in einem Clubteam bestritt. Mit der sehr gut besetzten und vom letztjährigen Tour de France-Sieger Tadej Pogacar aus Slowenien gewonnenen UAE Tour Ende Februar dieses Jahres ging es bei ihm los, die er nach sieben Etappen auf einem guten 26. Platz der Gesamtwertung abschließen konnte. „Das Fahren im Feld war für mich nicht das Problem, aber es war brutal, weil nach wenigen Metern die erste Linkskurve kam und danach direkt die Windkante den ganzen Tag bestimmte. Es war der Sprung ins kalte Wasser, aber nach drei Tagen hatte ich mich schon gut daran gewöhnt“, gab uns Ben Zwiehoff Auskunft, der im Anschluß daran sich auf seine Aufgaben im Rennen konzentrierte.

Sein diesjähriges Programm hatte es schon mächtig in sich: nach dem Abstecher zum Eintagesrennen Strade Bianche folgte die Volta Ciclista a Catalunya (35. Platz der Gesamtwertung), bevor es zur Tour of the Alps ging, wo einmal mehr seine Kletterfähigkeiten gefragt waren. „Ich kann in den Bergen eigentlich immer sehr lange vorne mitfahren und war auch schon in der einen oder anderen Spitzengruppe zu finden“, ließ er uns wissen, nachdem er auch hier Platz 35 der Gesamtwertung erreichte. Auch bei der anspruchsvollen Tour de Romandie blitzte sein Können mehrmals auf und so sprang erneut ein guter 26. Platz in der Gesamtwertung heraus. Wir sind auf seine weitere Entwicklung sehr gespannt und überzeugt, dass er in Zukunft bei großen Rundfahrten eine wertvolle Stütze für einen Emanuel Buchmann oder Maximilian Schachmann sein kann.

Der dritte im Bunde der neuen Kletterkönige ist der erst 20-jährige Florian Lipowitz vom Tirol KTM Cycling Team, der erst im letzten Jahr zum Radsport gefunden hat und vorher auf dem Weg zu einem Weltklasse-Biathlet war. Die Entscheidung zu wechseln fiel ihm nicht leicht, aber eine langwierige Knieentzündung mit anschließendem Kreuzbandriss taten ein übriges und da er das Rennrad im Sommer immer schon als Ausgleich nutzte und dabei mit 18 Jahren sogar den Engadiner Radmarathon gewann, ließ sich seine Radsportkarriere nicht aufhalten. Ein 7. Platz bei der Deutschen Meisterschaft im Einzelzeitfahren der Klasse U 23 setzte im letzten Jahr schon ein Zeichen und beim Giro della Regione Friuli Venezia Giulia waren der 14. Platz in der Gesamtwertung sowie jeweils dritte Plätze in der Berg- und Nachwuchswertung herausragende Leistungen. 

Eine weitere Leistungssteigerung zeigte Florian Lipowitz nun bei der Tour of the Alps, wo er nicht nur als bester Deutscher in der Gesamtwertung (18.) abschnitt, sondern auch in der Nachwuchswertung erneut mit einem dritten Platz glänzte. Unter echten Weltstars erzielte er ein Ergebnis, das es zu würdigen gilt, zumal es eine extrem schwere Rundfahrt durch das Hochgebirge in Österreich und dem italienischen Trentino war. „Seine konstante Fahrweise über alle fünf Etappen war schon bemerkenswert“, war sein Mitentdecker Dan Lorang (Ausdauertrainer bei BORA-hansgrohe) beeindruckt, der ihm sogar einen Platz in einem Team der UCI Worldtour zutraut. Wäre er damit eventuell künftig der dritte deutsche Kletterer im Team von Maximilian Schachmann & Co.? 

„Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, war Florian Lipowitz bei seiner Rennpremiere gegen die absolute Weltklasse des Profiradsports mehr als zufrieden. Immerhin hat der junge Mann jahrelang viel investiert in den Biathlonsport und sich eine Radsportkarriere in dieser Form kaum vorstellen können. Mit Leidenschaft und Spaß am Radfahren kann er es noch weit bringen, wobei ihn Experten als eines der größten Radsporttalente einschätzen. Sein derzeitiges Team bietet ein gutes Sprungbrett für eine Karriere in der Worldtour, wie die Beispiele von Patrick Gamper, Patrick Konrad, Lukas Pöstlberger (alle BORA-hansgrohe), Georg Zimmernann (Intermarche-Wanty-Gobert Materiaux) oder Michael Gogl (Team Qhubeka ASSOS) bewiesen haben.  

Text: Bernd Mülle 

Fotos: Mario Stiehl

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Rundfahrt
  • Straßenrennen

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