Wheel Divas aus Berlin: Dubai Women’s Tour als absolutes Highlight

Wheel Divas aus Berlin: Dubai Women’s Tour als absolutes Highlight

 
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Wir schreiben das Jahr 2015: zwei Männer haben eine Idee und die Frage bleibt, wie setzen wir sie um? Dabei stellt sich eine weitere Frage, die da lautet: Frauen und Radsport, wie kann man daraus gerade in der Hauptstadt eine Erfolgsgeschichte machen? Seit Jahren führt der weibliche Bereich im deutschen Radsport ein Schattendasein im Verhältnis zu den männlichen Profis, dabei von den Medien nur wenig beachtet, obwohl deutsche Frauen sogar international in der Vergangenheit mehrfach aufgetrumpft und zahlreiche Titel errungen haben. 

Neben Sportfotograf Arne Mill war es Hans-Günter Päske, beide liefen sich bei der Internationalen Kids Tour über den Weg und kamen auf die Idee, im weiblichen Nachwuchsbereich ein Team aufzubauen, um den jungen Talenten eine Chance zu geben. Zwei Juniorinnen gab es zu diesem Zeitpunkt in Berlin mit Laura Ida Waskowski und Marie Wawrzinek, die in der Radbundesliga die Farben Berlins vertraten und im Folgejahr kamen dann Lina Rausch, Luise Ollick, Eleonora Schütz und Lotta Schoenemeyer hinzu. Als Landesverband Berlin gingen sie an den Start, aber mit großer Unterstützung auf Verbandsebene konnten sie nicht unbedingt rechnen, so dass dieses Vorhaben, ähnlich wie bei den männlichen Junioren, zum Scheitern verurteilt war.

Bevor Berlins weiblicher Nachwuchs ganz von der Bildfläche verschwand, traten 2017 nun die Wheel Divas in Erscheinung, ein Name mit Strahlkraft. Die „Raddivas“ begannen zunächst auf Sparflamme mit vier Fahrerinnen, zu denen Luise Ollick vom SC Berlin, Lotta Schoenemeyer vom RSV Werner Otto, Belinda Schubert vom Bad Doberaner SV 90 und Merle Schreber von Athletico Büdelsdorf zählten. Es war zumindest ein Anfang, wenn dieser auch von vielen vermeintlichen Radsportexperten mit etwas Skepsis begleitet wurde. Aber Initiativen jeglicher Art im Radsport sind immer gefragt, verdienen Respekt und führen auch oftmals zum Erfolg und nicht zu vergessen, zu außerordentlichen Erlebnissen für die Sportler-/innen, die ihr späteres Leben durchaus positiv beeinflussen können. 

Aber ohne Sponsoren ist so ein Team nicht überlebensfähig und so knüpften die Initiatoren fleißig Kontakte zu Unternehmen, die bereit waren, das Vorhaben zu unterstützen und dafür gebührt ihnen allen gleichermaßen Dank. Es ist müßig hier alle zu nennen, ob z.B. die Dr. Herrmann Gruppe, die POLYPRINT GmbH, die Zweirad-Center Stadler Berlin GmbH oder die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, aber auch der Landessportbund und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport, sie alle tragen in unterschiedlicher Weise zur Förderung des Teams bei. Die Hoffnung bleibt, dass sie alle auch nach der Coronakrise weiterhin an der Seite des einzigen Berliner Frauenteams stehen werden.

Erfolge waren zunächst zweitrangig, man musste sich erst einmal finden, aber schon im ersten Bundesligarennen in 2017, der Deutschen Bergmeisterschaft, sprang für Luise Ollick ein ausgezeichneter 6. Platz heraus. Danach erzielte sie in Karbach mit dem 5. Platz, dem 6. Platz in Ilsfeld-Auenstein, vor allem aber mit dem 4. Platz bei der Deutschen Meisterschaft im Einzelzeitfahren hinter heute so bekannten Frauen wie Lea Lin Teutenberg, Hannah Ludwig und Franziska Koch großartige Ergebnisse. Ein 5. Platz beim Einzelzeitfahren in Genthin rundete die gute Leistung von Luise Ollick ab, die auch in der Gesamtwertung der Radbundesliga einen ausgezeichneten 5. Rang unter 33 Platzierten erreichte. Sie war im ersten Jahr der Wheel Divas das große Aushängeschild einer sich insgesamt tapfer schlagenden Mannschaft. 

Im folgenden Jahr fuhren Lotta Schoenemeyer bei den Frauen und Belinda Schubert sowie Merle Schreber als Juniorinnen weiterhin für die Wheel Divas, während Luise Ollick zum Studium nach Amerika ging. Hinzu kamen Lina-Kristin Schink, Sandra Klotz, Jo Ellen Look, Jenny Hofmann, Nora Jung, Julia Deuerlein und Pia-Marie Powik bei den Frauen und die Juniorinnen Laura Lotter, Maren Thümmler sowie die Zwillinge Hanna und Helene Zöttler. Aber 2019 richtete sich der Fokus  auf die Frauen der Wheel Divas, die sich in der Radbundesliga neben Lotta Schoenemeyer und Sandra Klotz mit den Neuzugängen Shira Biran aus Israel, Maria Janeck, Sarah Hoffmann, Marie Lagershausen und Rieke Möllering präsentierten, während bei den Juniorinnen Maren Thümmler und Helene Zöttler als Einzelfahrerinnen starten mussten, da Gastfahrerin Veronika Jandova aus Tschechien aufgrund BDR-Regularien nicht in einem Team eingesetzt werden durfte.

Auch in diesem Jahr ging man mit einigen Ambitionen ins Rennen, aber das Coronavirus machte nicht nur den Wheel Divas einen dicken Strich durch die Rechnung. Insgesamt zehn Fahrerinnen hat man aktuell unter Vertrag, eine kontinuierliche Entwicklung hat stattgefunden und Maren Thümmler, Vanessa Muhs, Jasmin Corso, Helene Zöttler, Selina Knaul – sie kommt vom Fußball - und Sam Sandten sind neu bei den Frauen, die gemeinsam mit Sandra Klotz, Lotta Schoenemeyer, Rieke Möllering und Marie Lagershausen in 2020 vor allem in der Radbundesliga den ein oder anderen Akzent setzen sollten. Darüber hinaus sind in diesem Jahr drei Juniorinnen als Team am Start, zu dem Marlen Ehseluns, Janice Heimberger und Alexa Kebschull, gehören, die als Eisschnelläuferinnen  den Weg zum Radsport gefunden haben. 

Der Jahresanfang versprach einiges, hatte doch der Sportliche Leiter Clemens Ludwig für ein nicht zu erwartendes Highlight gesorgt. „Es war reiner Zufall, als ich als Servicetechniker unterwegs war und aus Spaß abends im Hotel den Veranstalter der Dubai Women’s Tour angeschrieben und prompt am nächsten Tag schon die Zusage für einen Start unseres Teams erhalten hatte“, so Clemens Ludwig, der daraufhin seinen ebenso radsportverrückten Teamchef Hans-Günter Päske anrief, der dann entschied, diese unverhoffte Möglichkeit wahrzunehmen.  

Es sollte für das junge, recht unerfahrene Team ein weiterer Auslandsstart sein, nachdem man bereits 2018 das erste Mal bei der Gracia Orlova u.a. mit Sandra Klotz, Jo Ellen Look, Jenny Hofmann und Lotta Schoenemeyer dabei war und 2019 erneut dort eingeladen wurde. Zwei Tage in Israel beim Einzelzeitfahren Scorpions‘ Pass mit Veronika Jandova auf Platz 7 und Sandra Klotz auf Rang 26 sowie dem Eintagesrennen Tour of Arava, wo Veronika Jandova und Sandra Klotz auf den Plätzen 17 und 28 einkamen, endeten mit durchaus akzeptablen Ergebnissen. Darüber hinaus landete Shira Biran, im israelischen Nationaltrikot fahrend, in beiden Rennen auf den Plätzen 17 bzw. 22. Im letzten Jahr war man außerdem bei Rennen in Ungarn, der Tour de Feminin in Tschechien, in den Niederlanden und in Österreich am Start. 

Nun also die Dubai Women’s Tour vom 17.02. bis 20.02.2020 als bislang absoluter Höhepunkt für das sehr junge Team und da lag es nah, sich mit erfahrenen Kräften als Gastfahrerinnen zu verstärken. Vorab gab es einige Probleme sowohl finanzieller als auch logistischer Art zu lösen, aber diese einmalige Gelegenheit wollten sich alle im Team inklusive Betreuer und Mechaniker nicht nehmen lassen. Abenteuerlich war vor allem das Transportieren der Fahrräder, zumal es keinen Direktflug gab und eine verbindliche Zusage zum Weitertransport fehlte. Letztlich waren die Wheel Divas rechtzeitig an Ort und Stelle und so konnten Sandra Klotz, Lotta Schoenemeyer, Jasmin Corso und Marie Lagershauen das perfekt organisierte Rennen gemeinsam mit den Gastfahrerinnen Beate Zanner vom maxx-solar LINDIG women cycling team und Svenja Betz von der RSG Gießen BIEHLER aufnehmen.  

„Die Tour ging über vier Etappen, die bis auf die dritte größtenteils flach waren. Im vermeintlichen Schlußsprint der beiden ersten Etappen wollten wir für Beate Zanner eine gute Ausgangsposition herausfahren, aber ein technischer Defekt kurz vor dem Ziel der 1. Etappe und eine sehr hektische Zielankunft am zweiten Tag vereitelte unser Unterfangen“, ließ uns der Sportliche Leiter Clemens Ludwig wissen. „Auf den beiden folgenden Etappen zeigte sich Svenja Betz in starker Form, aber fehlende Cleverness aufgrund ihrer noch jungen Karriere im Radsport führte dazu, dass sie in einer späteren Ausreißergruppe abreißen lassen musste“, war Clemens Ludwig keinesfalls enttäuscht und analysierte das Rennen hinterher anhand von TV-Aufnahmen mit den Sportlerinnen und gab ihnen Tipps für die Zukunft. 

Auf der 1. Etappe, die die Britin Lucy van der Haar (ehemals Garner) vor der Weißrussin Tatsiana Sharakova gewann, belegten zeitgleich Beate Zanner, Svenja Betz, Lotta Schoenemeyer, Marie Lagershausen, Jasmin Corso und Sandra Klotz die Plätze 35, 36, 62, 69, 80 und 85 im Feld der insgesamt 97 gestarteten Fahrerinnen. Beim Spurtsieg von Samah Khaled aus Jordanien vor Lucy van der Haar auf der zweiten Etappe kamen die Wheel Divas erneut komplett zeitgleich mit der Siegerin ins Ziel, eine mehr als beachtliche Leistung. Die schwere 3. Etappe gewann Tatsiana Sharakova mit zwei Sekunden Vorsprung vor der Kolumbianerin Daniela Atehortua und Lucy van der Haar, während Svenja Betz als 31. und beste Deutsche mit nur 31 Sekunden Rückstand ins Ziel kam. Mit 1:10 Minuten Rückstand erreichte Beate Zanner als 49. das Ziel, wobei für die restlichen Wheel Divas die Rückstände groß waren und Jasmin Corso das Rennen nicht beendete. Die Schlussetappe mit dem Sieg der Niederländerin Nicole Steigenga brachte für Beate Zanner mit einem Rückstand von 7 Sekunden einen guten 18. Platz, während sich zeitgleich Svenja Betz und Sandra Klotz auf den Rängen 42 und 74 platzieren konnten. 

Als Gesamtsiegerin dieser Tour konnte sich schließlich Lucy van der Haar feiern lassen, die Tatsiana Sharakova und Samah Khaled auf die weiteren Podiumsplätze verwies. Mit 55 Sekunden Rückstand kam Svenja Betz auf Platz 34 und auch Beate Zanner konnte mit Platz 48 bei einem Rückstand von 1:34 Minuten zufrieden sein. „Wir haben innerhalb als Team gut harmoniert und jede Fahrerin hat ihre beste Leistung abgerufen. Die Rundfahrt sollte ein guter Einstieg in die Saison werden und darauf wollte ich weiter aufbauen. Leider hat uns die Realität eingeholt…“, ist letztlich für Beate Zanner, die sich mit Radtraining kombiniert mit Krafttraining fit hält, die derzeitige Situation alles andere als vielversprechend. Erfolgreich angreifen und wieder Rennen fahren können, so hat sie den Optimismus noch nicht ganz verloren.

Als einzige bei den Wheel Divas von Anfang an dabei ist Lotta Schoenemeyer, die ihre Laufbahn mit Schwimmen begann und dann zum Triathlon wechseln wollte. „Laufen war aber nicht meine Stärke und so habe ich mir den Radsport näher angeschaut, den ich nun schon seit 11 Jahren betreibe“, gab uns Lotta zu verstehen, die ihre Vorliebe eher im Bahnradsport als auf der Straße sieht. Dennoch wollte sie sich Dubai nicht entgehen lassen, als sich ihr die Chance bot. „Ein tolles Erlebnis, aber Dubai ist nicht die beste Stadt für Radfahrer. Die Eindrücke insgesamt aber mit sechsspuriger Autobahn, einer Gegend mit vielen Häusern am Rande, eines schöner als das andere, waren für mich faszinierend“, fuhr die Berlinerin fort, für die Dubai insgesamt eine Reise wert war. Das Ziel der Dubai Women’s Tour erreichte sie zwar nicht, denn auf der Schlussetappe musste sie das Rennen aufgeben, nachdem sie gerade auf den ersten beiden Etappen eine durchaus ansprechende Leistung geboten hatte. 

Wie verbringt sie jetzt die „radsportlose“ Zeit? „Ich trainiere draußen auf der Straße derzeit ohne großen Druck. Wenn man das Training nicht auf bestimmte Wettkämpfe richten kann, ist das schon eher frustrierend, aber ich jammere nicht und hoffe, dass es in diesem Jahr noch Rennen geben wird“, ist Lotta Schoenemeyer verhalten optimistisch. In 2018 hat sie ihr Abitur absolviert und beginnt ab April dieses Jahres ein Studium für den gehobenen Dienst bei der Berliner Polizei. Sie hofft, Sport und Studium unter einen Hut bringen zu können. „Ich freue mich auf den neuen Lebensabschnitt“, gab sie abschließend zu Protokoll. 

Die Wheel Divas haben in Dubai einen durchaus guten Eindruck hinterlassen und so hoffen sie nach der Coronakrise vor allem auch in der Radbundesliga möglichst noch in diesem Jahr einige Akzente setzen zu können. Wenn dann noch alle Sponsoren bei der Stange bleiben, sollte sich dieses Vorhaben verwirklichen können. Frauenradsport in Berlin kann durchaus eine „Marke“ werden.

Bericht: Bernd Mülle     

Fotos: privat / Wheel Divas

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Tolle Geschichte! Dran bleiben!
V
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G
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Vielen Dank
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Vielen Dank für diesen zauberhaften Artikel. Man staunt am Ende selbst über den Werdegang und die steile Entwicklung.
und richtig; am Anfang waren zwei Bier und eine Idee. ?
HP
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