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Ab durch die arabische Wüste! Phil Bauhaus gewinnt die Saudi Tour 2020

 
4.7 (3)

War das ein Saisonauftakt für den 25-jährigen Deutschen vom Team Bahrain-McLaren! Die Saudi Tour 2020, nach bislang drei Austragungen als Tour de Saudi Arabia in den Jahren 1999, 2001 und 2002, wurde in diesem Jahr im Rahmen der UCI Asia Tour als 2.1 Rennen vom 04. bis 08. Februar mit Unterstützung der Amaury Sport Organisation (ASO) wiederbelebt. Das Rennen startete in Riyadh und endete nach fünf Etappen an den alten Stadtmauern der Festung Al Masmak. Am Ende der Rundfahrt, die mit einer Gesamtdistanz von 760 Kilometern aufwartete, sollte der Bocholter Radprofi Phil Bauhaus den Pokal der verantwortlichen Wüstensöhne in Empfang nehmen können. Letztlich setzten sich die favorisierten Sprinter des Pelotons durch, denen das Rennen auf den Leib geschnitten schien. Es waren vor allem die Teams um den Briten Mark Cavendish von Bahrain-McLaren, den Franzosen Nacer Bouhanni vom Team Arkea Samsic oder auch den Italiener Niccolo Bonifazio vom Team Total Direct Energie, die dem Rennen ihren Stempel aufdrückten. Mit Ausnahme des Portugiesen Rui Costa vom UAE-Team Emirates, der die Auftaktetappe gewann, machten die genannten Teams alle Etappen unter sich aus.

Dabei war es zunächst Rui Costa, der die 1. Etappe im finalen Spurt einer 18-köpfigen Spitzengruppe gewann und den Sprintern das Leben schwer machte. Der Australier Heinrich Haussler hatte zunächst aus einer kleineren Spitzengruppe heraus die besten Karten in der Hand, ließ dann aber im kurzen und knackigen 700 Meter langen Schlussanstieg seine Cleverness liegen und verpasste den ersten Saisonerfolg seines Teams Bahrain-McLaren nur um wenige Meter. Die Mitfavoriten Nacer Bouhanni auf Platz drei und Phil Bauhaus als Sechster wahrten aber ihre Chancen für den weiteren Verlauf der Rundfahrt, zumal ein überwiegend flaches Terrain in den folgenden Tagen ihnen durchaus entgegen kam. 

Auf der 2. Etappe versuchte der Träger des Führungstrikots Rui Costa mit zwei Ausreißversuchen eine Vorentscheidung zu erzwingen, was ihm aber aufgrund der Stärke des Teams Bahrain-McLaren und der enormen Wüstenwinde nicht gelang. Am Ende wurde er vom Feld gestellt und es triumphierte Niccolo Bonifazio mit zwei Sekunden Vorsprung vor Phil Bauhaus und Nacer Bouhanni, während Rui Costa aber noch knapp seine Führung behielt.

Auf der 3. Etappe kam dann die Wende. Mit einer gekonnten Finte auf der Zielgeraden und der ganzen Klasse eines Mark Cavendish konnte überraschend Phil Bauhaus mit seinem Spurtsieg alle anderen Sprinter überrumpeln und übernahm durch die Sekunden-Bonifikationen gleichzeitig die Führung in der Gesamtwertung. Zweiter wurde der Südafrikaner Reinardt Janse van Rensburg von NTT Pro Cycling, während auch der gebürtige Hamburger Lucas Carstensen vom deutschen Continental Team Bike Aid überraschen konnte und mit Platz 10 auf sich aufmerksam machte. Das deutsche Team konnte sich nahezu an allen Tagen mit Nikodemus Holler oder Justin Wolf in Spitzengruppen präsentieren und setzte dabei Akzente mit agressiver Fahrweise. Damit haben sie sich auch interessant gemacht für eventuelle, zukünftige Sponsoren und darüber hinaus die Einladung durch die A.S.O. auf hoher Ebene gerechtfertigt.  

Die 4. Etappe wurde dann eine Beute des extravaganten Franzosen Nacer Bouhanni, der im Ziel im Massenspurt Niccolo Bonifazio und Yevgeniy Gidich aus Kazakhstan vom Astana Pro Team niederrang. Damit übernahm der Franzose vor der Schlussetappe die Führung in der Gesamtwertung mit zwei Sekunden vor Phil Bauhaus, der auf diesem Teilstück vom Pech verfolgt war. Vor dem letzten Anstieg hatte er Defekt, verlor ca. 1:30 Minuten auf die Spitze, aber sein motiviertes und auf dem Papier stark besetztes Team, zu dem noch sein Landsmann Marcel Sieberg, die Slowenen Grega Bole und Jan Tratnik sowie der Brite Alfred Wright gehörten, bot eine geschlossene Leistung und führte Phil Bauhaus wieder an das Feld heran, um die Chance auf seinen Gesamtsieg zu wahren. Es war die Schlüsselszene schlechthin und unter diesen Umständen war der 10. Platz auf dieser Etappe durchaus noch beachtenswert. Die famose Aufholjagd von Bahrain-McLaren ließ somit alle Chancen für einen Gesamtsieg von Phil Bauhaus offen und verlieh der Schlussetappe eine Superspannung.  

Voller Selbstbewußtsein ging Phil Bauhaus in die 5. und letzte Etappe, die an der Princess Nourah University gestartet wurde. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Universität nur für Frauen und durch die Anwesenheit des Kronprinzen Mohammed bin Salman, der seit geraumer Zeit für den begonnenen Wandel in Saudi-Arabien verantwortlich zeichnet, war der Startort dieser Etappe von enormer Wichtigkeit. Geht es doch vor allem um mehr Freiheiten für die Frauen in diesem Land!  Doch dazu später! 

Um diese Rundfahrt noch zu gewinnen, musste Phil Bauhaus die Schlussetappe für sich entscheiden, um den Franzosen Nacer Bouhanni noch aus der führenden Position zu verdrängen. Die Zielanfahrt führte, dem Anlass entsprechend und gebührend, auf dem breiten und prachtvollen Boulevard viele Kilometer schnurgerade ins Innere von Riyadh. Unterhalb der prachtvollen Skyline Riyadhs bohrte sich das bunte Fahrerfeld immer tiefer ins Zentrum der Banken- und Ölmetropole. Die Teams der Sprinter ließen auf den letzten Kilometern keine Gnade walten und führten mit hoher Geschwindigkeit das Feld an. Ausreißversuche wurden nicht mehr zugelassen, so dass die Sprinter von den Teams auf die Zielgerade jongliert wurden.

Dabei übernahm das favorisierte Bahrain-McLaren Team um Phil Bauhaus die Initiative aus vorderster Position. Am Ende war dessen Sprintzug so schnell und bereitete den Sprint Royal so mustergültig vor, dass an Phil Bauhaus kein Vorbeikommen mehr möglich war. Nacer Bouhanni versuchte vom Hinterrad des Deutschen aus vorbeizuziehen, musste aber schnell erkennen, dass an diesem Tag gegen Phil Bauhaus kein Kraut gewachsen schien. Der als Heißsporn bekannte Franzose bemängelte kurz einen vermeintlich nicht korrekten Sprint, wusste aber schnell um die Erfolglosigkeit eines Protestes. Er hatte doch selbst hinter und nicht neben Phil Bauhaus für einen Schlenker gesorgt, auch wenn der Deutsche von vorn leicht die Linie gewechselt hatte. In den Augen der Jury war das nicht regelwidrig genug und es gab keinen Grund über eine Disqualifikation überhaupt nachzudenken. 

Festzuhalten gilt auch, dass sich nicht nur im Finale ein Superstar wie Mark Cavendish uneigennützig in den Dienst des mit einer bemerkenswerten Frühform aufwartenden jungen Deutschen stellte. Am Ende sollten die 10 Bonussekunden für den Etappensieg von Phil Bauhaus reichen, um in der Gesamtwertung mit nur zwei Sekunden vor Nacer Bouhanni die neu initiierte Saudi Tour 2020 zu gewinnen. „Mein erster Gesamtsieg bei einer Rundfahrt gibt mir ein großartiges Gefühl und das gleich zum Saisonstart“, war Phil Bauhaus überglücklich über den Erfolg und fand nur lobende Worte über sein Team, das hervorragende Arbeit geleistet hat.   

Mit dem Fazit, dass der saudi-arabische Radsportverband mit der Einbeziehung der A.S.O. ein Paket geschnürt hat, das durchstrukturiert und perfekt organisiert ist, gilt es nun, die Rundfahrt weiter zu entwickeln. Gemeinsam hat man einen Fünf-Jahresvertrag ausgehandelt auch im Hinblick auf das Reformvorhaben „Vision 2030“, mit dem der faktisch regierende Kronprinz Mohammed bin Salman eine vorsichtige „Modernisierung“ der Gesellschaft eingeleitet hat. Das durch seine Ölexporte reiche Saudi-Arabien hat in letzter Zeit durch den Ölpreisverfall nach anderen Einnahmequellen Ausschau gehalten und setzt dabei vor allem auf den internationalen und finanzstarken Tourismus. Das Königreich nimmt daher auch sportpolitisch Einfluß und bedient sich dabei kompetenter Partner wie die A.S.O., die unter anderem auch die Deutschland Tour wiederbelebt hat. 

Es hat nach langer Pause mit neuem Namen eine Aufwertung des Rennens gegeben, das als Tour de Saudi Arabia mit dem Status 2.5 zuletzt 2002 stattgefunden hatte. Die diesjährige Rundfahrt war ein vielversprechender Anfang, der unter der Bevölkerung für enorme Begeisterung sorgte und darüber hinaus auch von großer Gastfreundlichkeit geprägt war. Das Land öffnet sich  spürbar, vor allem Frauen haben jetzt mehr Rechte und Freiheiten. Symbolisch wurde am letzten Tag der Rundfahrt ein kleines Frauenradrennen am Startort organisiert. Das konservative und vom Islam stark geprägte Land befindet sich im Wandel. Dass nicht alles Neue einer sofortigen Akzeptanz gegenübersteht, sollte man tolerieren und respektieren. Die Begeisterung der Bevölkerung gibt dem durch Monarchie geführten Königshaus jedoch Recht und somit befindet man sich auf dem richtigen Weg. 

Der junge Kronprinz sorgt für Reformen und eckt auch hier und da an, jedoch wird auch in Zukunft unter seiner Führung der Sport und andere Events westlicher Lebensart und deren gesellschaftspolitische Rolle immer mehr an Einfluss gewinnen. Als Beispiel sei hier auch die vor kurzem beendete Rallye Dakar genannt. 

Es scheint, dass die Saudi Tour in Zukunft ein fester Bestandteil des internationalen Radsportkalenders werden kann. Die Beteiligung von 18 Teams in diesem Jahr, darunter immerhin schon vier Teams der WorldTour, war für den Anfang schon sehr bemerkenswert und darauf lässt sich auch mit Hilfe der A.S.O. durchaus aufbauen. 

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Mario Stiehl   

> zur Fotostrecke: Saudi Tour 2020 

 

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Rundfahrt
  • Straßenrennen

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Tolle Story mit interessantem Einblick hinter die Kulissen sowie über bis dato unbekanntes Terrain im Profiradsport!

Bitte mehr davon, Herr Mülle !
EB
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G
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